Kapitel 29

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Ich lag stumm schweigend und an die Zimmerdecke starrend auf meinem Bett, nachdem mich eine lange heiße Dusche wieder etwas beruhigt hatte. Johannes muss in dieser Zeit tatsächlich zu seiner und Annas Wohnung gegangen sein - er war jedenfalls nicht mehr anzutreffen und das war gerade wahrscheinlich richtig so. Dieser Mann machte mich in tausend Hinsichten einfach nur wahnsinnig, doch das von gestern Abend und eben war eine negative Form des Wahnsinns.

Nach einiger Zeit klopfte es an meiner Schlafzimmertür. Ich reagierte nicht, sondern erkannte im Augenwinkel bloß, wie Johannes seinen Kopf in den Raum steckte: "Darf ich?" Keine Antwort. Er atmete schwer aus und tapste leise rein. Eine große Reisetasche hievte er auf seinen Schultern und eine Gitarre auf dem Rücken - er stellte beides vor meinem Kleiderschrank ab.
Ich spürte die Verlagerung der Matratze, als Johannes sich auf die Bettkante setzte und behutsam seine Hand auf meine legte.   "Es tut mir leid, Jay", murmelte er und ich reagierte gar nicht drauf, stattdessen starrte ich nur weiter nach oben. "Mein Verhalten war einfach nicht fair. Mein gesamtes - seit der Kampagne. Ich hab dich wie Dreck behandelt, obwohl du doch nicht einmal was gemacht hast...außer mir den Kopf zu verdrehen." Ich wandte langsam meinen Blick zu ihm und sah ihn schmunzeln und auch ich konnte es mir nicht verkneifen, meinen einen Mundwinkel nach oben zu ziehen.

Er legte sich neben mich und verschränkte seinen Fingern mit meinen, drehte seinen Kopf zu mir und sah mich mit einem so ehrlichen Blick an, dass ich ihm in diesen Moment wahrscheinlich wirklich alles geglaubt hätte: "Ich will doch auch nur, dass wir es hinkriegen; es tut mir leid." - "Ich hätte dich eben vielleicht auch nicht so anfahren sollen. Ich hab mir einfach nur viele Gedanken gemacht." Er lächelte gequält und ich rückte ein Stück neben ihn: "Machen wir ein Deal; du haust nicht mehr vor Problemen ab und ich..." - "Du bleibst genauso, wie du bist", unterbrach Johannes mich, stützte sich blitzschnell auf seinen Unterarm ab und küsste mich.

Wir legten uns wieder nebeneinander und schwiegen weiter, nachdem Johannes sich von mir gelöst hatte. Diesmal war es weder ein angenehmes, noch ein erdrückendes Schweigen - es war ein Zwischending. Es lag immer noch etwas Anspannung in der Luft, doch das meiste war geklärt und das war deutlich spürbar.
"Woher weißt du, dass Anna uns beide nicht sehen will?" Dort war sie wieder - die Anspannung. Ich seufzte und überlegte, wie genau ich Johannes von heute früh berichten sollte. Zu hören, wie es seiner Ex ging, war bestimmt nicht das einfachste für ihn, doch ich musste ehrlich sein, wenn ich wollte, dass das alles zwischen ihm und mir klappt. Also begann ich - ich erzählte von der nichtsahnenden Steffi, meinem Gespräch mit Anna und ihre Aussage, dass - bis auf die Jungs - niemand was von der Trennung erfahren wird, solange Johannes und ich nicht bereit dazu sind, uns zu outen. Als ich fertig war, trat wieder Schweigen ein. Bedrücktes Schweigen, bis Johannes dieses brach:

"Ich hab' eine Idee." Neugierig schaute ich ihn an. Er zögerte seine Antwort hinaus, während seine dunklen Augen mich fixierten. "Bevor wir das mit uns bekannt geben, sollten wir nach all diesem hin und her vielleicht erst einmal sicher sein, dass das mit uns Zukunft hat." Dieser Satz tat weh, doch ich wusste, dass Johannes Recht hatte. Wir konnten uns nicht einfach als Paar outen und nach ein paar Wochen wieder trennen, weil wir nur weiter gestritten haben oder die Gefühle des einen nicht reichen würden - wobei mir klar war, dass nicht ich derjenige sein würde, dessen Gefühle nicht ausreichen würden.
"Und was schlägst du vor, um herauszufinden, dass das hier funktionieren wird?" - "Zusammen Urlaub wäre vielleicht schon ein Schritt zu weit - nachher kriegen wir uns nur in die Haare und keiner kann 'fliehen'. Aber wie wäre es, wenn wir uns ein paar Tage in deiner Wohnung verschanzen? Handys aus und alles, was sonst noch dazu gehört. Falls es einem Mal zu viel werden würde, haben wir immer noch die Möglichkeit, mal zu einem Kumpel zu gehen oder ins Studio zu fahren." Ich schaute Johannes eine Weile skeptisch an und überlegte kurz. Schließlich stimmte ich mit einem Nicken zu und er lächelte breit: "Okay, gut."
Er beugte sich wieder zu mir und ich spürte seine Lippen auf meinen, was mich sein mit einhergehendes Lächeln erwidern ließ. Seine Idee war gut; so hätten wir zumindest den Hauch einer Ahnung, ob unsere Verliebtheit nicht nur ein waghalsiger Impuls war, sondern zu etwas wachsen konnte, was Zukunft hatte, standhielt und Sicherheit versprach; für beide von uns.

Bis zum letzten MomentWo Geschichten leben. Entdecke jetzt