♦ Benjamin ♦
„Nein Ben, wir haben das ganze Gelände durch. Sie ist weg. Es kann nicht anders sein", ruft mir Diego panisch durch den Freisprecher zu und ich lenke den Wagen Vin-Diesel-like einmal um die eigene Achse um zurückzufahren. Mein Blut kocht, das Adrenalin schießt wie tausende Blitze durch mich hindurch. Ich nehme nichts mehr wahr, sehe nur noch mein Ziel vor Augen und das verfluchte Bedürfnis, diesen Bastard in seine Einzelteile zu zerteilen wenn ich ihn in die Finger kriege. Dass Diego so blöd wäre und sich erneut gegen mich stellen würde, hatte ich von Anfang an nicht gedacht. Ich habe von einem meiner Wachmänner checken lassen, dass er die ganze Zeit in seinem Zimmer war. Mein Security an der Tür unten hätte keinen Grund gehabt, sie aus dem Zimmer zu lassen und da bleibt nur noch ein Motherfucker übrig, dem es in irgendeiner Form etwas bringen würde sich an der Kleinen zu vergehen. Nur kann ich meine Wut nicht so richtig zuordnen. Auch nicht die Besessenheit sie unbedingt zu finden, bevor er sie mit seinen dreckigen Fingern betatscht hat. Wahrscheinlich ist es letztlich der Verrat, der mich fast platzen lässt, was wiederrum aber nicht die Tatsache entkräftet, weshalb es mich so aufregt, dass er gerade sonst was mit ihr machen könnte. Emanuel der Dreckssack war schon immer einer der perversesten Idioten in meinem Mitarbeiterkreis. Er arbeitet schon ewig für das Unternehmen und ist nach dem Tod seiner Tochter vor zehn Jahren erst Recht durchgedreht. Seitdem hat er einen unglaublichen Ruf auf dem Anwesen und gehört zu den berühmt berüchtigten Sadisten, die vor nichts Halt machen. Deswegen habe ich ihn auch als Kontrolleur und Fahrer engagiert und von größerer Verantwortung abgezogen. Carlos würde niemals nur aus Spaß jemanden umbringen, auch wenn er es vermutlich nicht zugeben würde, da es natürlich seinen Ruf schaden würde. Aber es braucht schon einen Grund um es zu rechtfertigen, wenn er seine Neigungen auslebt. Oder wenn er meinen Befehl erhält, was wiederum auch eine Rechtfertigung ist.
Auch jetzt sitzt er stillschweigend neben mir, ist die Ruhe in Person und wie ich ihn kenne, wird er sich die Zeit gerade mit Angry Birds vertreiben. Nicht mal mein Gangstermäßiges Manöver hat ihn von seinem Handydisplay aufsehen lassen.
Ich steuere direkt die Einfahrt an der Nordseite des Hauses an, durchbreche mit dem Wagen das kaputte Gittertor und hoffe inständig, dass der alte Kiesweg noch nicht zu gewuchert ist. Mein Instinkt sagt mir, dass sie dort sein muss. In der alten Hütte, die seit Jahrzehnten schon als Versteck für die Koksnasen gilt. Diejenigen, die sich ein wenig von der Produktion klauen und ihren Rausch dort ausleben wollen, wo keiner sie so leicht erwischen kann, da keine einzige Kamera im Umkreis ist. Schon als Kind kannte ich dieses Versteck, als das Gelände noch unter einer anderen Führung stand. Und genau diese abgelegene Hütte kennen in der Regel nur Arbeiter, die schon seit Jahrzehnten hier sind – so wie Emanuel.
Selbst wenn ich das nicht für möglich gehalten habe, beschleunigt sich mein Puls mit jedem Meter, den sich das Auto durch den Dschungel kämpft. Zum Glück sind nicht allzu viele Äste im weg, die meinen hübschen Lack zerkratzen und mich noch mehr brodeln lassen würden. Früher war das mal einer der Zufahrtswege, doch der wird schon ewig nicht mehr genutzt. Über mein Handy teile ich Diego mit, dass ich der Eindringling im Norden bin, schalte die Lichter aus, als wir uns der Hütte nähern und hoffe Emanuel zu liebe, dass die Kleine noch am Leben ist. Wenn nicht, dann werde ich mir alte Klamotten anziehen, ihn in den Keller schleppen und ihn tagelang quälen, bis ich ihn letztlich genüsslich dabei zusehen werde, wie alles Leben aus seinen Augen schwindet. Außer ich bin so sauer, dass ich ihn aus Versehen töte. Wäre nicht das erste Mal.
Durch das fehlende Licht kommt mir die Zeit ewig vor, bis ich tatsächlich den alten Holzverschlag in einiger Entfernung ausmachen kann. Carlos reagiert sofort, als ich den Wagen ausschalte, steigt aus und greift nach der Waffe in seinem Halfter. Er checkt die Umgebung, während ich mich mit leisen Schritten auf den Eingang aufmache und dabei ein nervöses Kribbeln in meiner Magengegend spüre.
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Afraid of you
Mystery / ThrillerKolumbien. Gefangen bei einem der einflussreichsten Männer des Landes. Und es gibt kein Entkommen. "Auch er sieht mir direkt in die Augen. Er verzieht keine Miene. Kalt, wie die Farbe seiner Augen. Hart, wie die Muskeln an seinem Körper...