♦ Emily ♦
Mir gefriert das Blut in den Adern. Eiseskälte zieht durch meinen Körper und lässt mich steif wie ein Brett werden. Meine Muskeln sind verhärtet und ein Schauder läuft von meinen Zehen bis hinauf in meine Haarspitzen.
Die Berührung auf meiner Schulter verstärkt sich, meine Hysterie verknotet mir den Magen und ich befürchte, mich gleich wirklich übergeben zu müssen. „Es ist mir ein Vergnügen dich hier zu sehen", raunt er. Das Lächeln ist aus seiner Stimme herauszuhören. Dafür brauche ich nicht aufsehen. Ich möchte nicht aufsehen. Das würde alles real machen. Und ich will tunlichst vermeiden, dass diese Situation greifbar wird und ich mich tatsächlich gegenüber von Santos befinde. In meinen Ohren rauscht es und ich versuche einen klaren Gedanken zu fassen, wie ich mich dem entwinden kann. Flackernd geht mein Blick an seinem Oberkörper vorbei und ich versuche mich auf die Lektionen von Carlos zu entsinnen. Wenn ich schnell genug wäre, wenn mein Kopf nicht so leer wäre, könnte ich vielleicht entkommen.
Während ich die letzten brauchbaren Gehirnzellen zusammenkratze, verstärkt sich Santos Griff noch ein wenig mehr und ich werde nach hinten gedrängt. „Was habt ihr mit ihr gemacht? Ich habe sie als Kratzbürste in Erinnerung", sagt der Teufel lachend an die anderen Männer gewandt. Leise kann ich Diegos Antwort aus dem Hintergrund hören. „Sie muss erstmal verdauen, was ich ihr offenbart habe."
Abrupt wird mein Kinn angehoben und ich blicke direkt in Santos dunkle, leere Augen. Sein Gesicht ist kantig und dünn, das im Gegensatz zu seinem muskulösen Körperbau steht, große Poren zieren seine Wangen und starke Augenbrauen setzen das Funkeln seiner schokoladenbraunen Iriden in Szene. Er und Ben haben äußerlich nichts gemeinsam. Wo in Ben Kälte und Sturm herrschen, so sieht man bei seinem Cousin nichts weiter als die kalten Klauen des Todes. Das Wenige was ich über ihn aus Ben herausgequetscht habe, passt hervorragend zu seinem ganzen Erscheinungsbild. Santos besitzt keinerlei Gefühle. Nichts.
Damals als ich ihn bei Ben zu Hause traf, sind mir die Details nicht aufgefallen. Heute dafür umso mehr. Seine Pupillen sind geweitet und eine kleine Narbe auf seiner Wange vertieft sich bei seinem bestialischen Grinsen.
„Wie sehr ich diesen Augenblick herbeigesehnt habe", flüstert er mir zu, sodass nur ich ihn hören kann. Er spricht mit hartem Akzent und sein Lächeln wird tiefer. So schnell wie er mich gepackt hat, lässt er mich auch wieder los und ich taumele einige Schritte zurück. Sofort sehe ich eine Fluchtmöglichkeit, die mit einem kurzen Blick zur Tür jedoch verpufft. Ein massiger Kerl mit mürrischem Gesicht versperrt mir den Ausgang. Ich sitze fürs erste in der Falle, ob mir das gefällt oder nicht.
Wie ein in die Ecke getriebenes Tier, senke ich den Oberkörper ein wenig, schaue unter meinen Wimpern nach oben und verfolge, wie Santos mit großen Schritten durch den Raum geht. Bei den anderen beiden Männern am Tisch bleibt er stehen und dreht sich zu mir herum.
„Fesselt sie an den Heizkörper." Erstarrt beobachte ich, wie Bewegung in die Männer neben ihm kommt und sie mich direkt ansteuern. Adrenalin erfasst mich und ich sprinte los, in dem Wissen, dass jede Gegenwehr erfolglos bleiben wird. Ich habe keinen Meter hinter mich gebracht, da werde ich schon am Oberarm gepackt und herumgerissen. Zischend zwänge ich die Lider zusammen, reiße und zerre und grabe meine Fingernägel in die Hand, die mich festhält. „Lass mich los, Arschloch", fauche ich.
„Da ist sie ja!" Santos' lautes Klatschen und sein darauffolgendes Lachen bringen mich kurz aus dem Konzept, sodass eine Hand meine Haare packen und mich unter Kontrolle bringen kann. „Das muss doch nicht sein. Sie stellt keine Gefahr dar", sagt Diego und macht einen Schritt auf mich zu. Meine Kopfhaut brennt und mir steigen vor Schmerz Tränen in die Augen. „Du selbst hast gesagt, sie sei von Ben geflüchtet. Wir gehen also lieber auf Nummer sicher, mein Freund", antwortet Santos und deutet mit einem Kopfnicken an, dass der Arsch neben mir sein Werk zu Ende bringen soll. Ich lasse es mir nicht nehmen, Diego einen vernichtenden Blick zuzuwerfen, während ich an den Haaren zur Heizung am anderen Ende des Raumes gezerrt werde. Weg von der Tür.
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Afraid of you
Gizem / GerilimKolumbien. Gefangen bei einem der einflussreichsten Männer des Landes. Und es gibt kein Entkommen. "Auch er sieht mir direkt in die Augen. Er verzieht keine Miene. Kalt, wie die Farbe seiner Augen. Hart, wie die Muskeln an seinem Körper...