♦ Benjamin ♦
Maria ist einfach die aller, aller Beste! Grinsend stehe ich vor der Mikrowelle und sehe dem Hühnchen Auflauf beim Aufwärmen zu, während mein Magen sich lautstark beschwert, weil er schon viel zu lange nichts mehr Ordentliches zum Futtern bekommen hat. Hätte mir früher mal einer erzählt, dass die Arbeit als Kopf eines Drogenkartells teilweise sowas von stinklangweilig sein kann, hätte ich das niemals geglaubt. Foltern und Verhandlungen stehen leider viel zu selten auf der Tagesordnung.
Ich seufze, starre die herunterzählende Uhr an und versuche sie zu hypnotisieren um schneller fertig zu werden. Plötzlich spüre ich etwas kaltes, nasses an meiner linken Hand und springe instinktiv einen Satz nach hinten. Peewee sitzt neben mir und gafft mit heraushängender Zunge zu mir hinauf. Und wo er ist, kann auch sein Frauchen nicht allzu weit entfernt sein. Emily läuft wie immer mit ihrer Nase in einem Buch vergraben und schleicht blind ihrem neuesten Schatten hinterher.
Genervt schenke ich dem Hund einen bösen Blick, in der Hoffnung er würde verduften, und visiere Emily an, die im Moment gegen den Küchentresen läuft. Ich habe ihr schon tausendmal gesagt, dass sie besser nur im Sitzen lesen sollte. Ihre Beine sind voll mit blauen Flecken, was in den kurzen Shorts, die sie fast ausschließlich trägt, gut zu erkennen ist. Da kauft Mann Frau einen ganzen Kleiderschrank voll mit Designerfummel und Madame zieht lieber diese (sexy) Teile an. Doch es ist und bleibt ein unmögliches Unterfangen, ihr auf dieser Ebene irgendwelche Vorschriften zu machen. Nicht, dass ich es nicht probiert hätte – sie ignoriert es einfach.
Durch die Kollision mit dem Tresen sieht sie auf und zuckt erschrocken zurück, als sie mich sieht. „Oh, hi", murmelt sie und ich grinse mit Blick auf ihr Buch überheblich. Sie räuspert sich und weicht mir verlegen aus, während sie um mich herum zum Kühlschrank geht. Diese Phase haben wir eigentlich schon längst hinter uns. Die letzten Wochen hatten wir immer mal wieder Smalltalk – zumindest etwas, das dem nahekommt. Ihr ist es peinlich, dass sie sich von mir hat küssen lassen und ich ... nun ich, versuche das Gefühl von ihren Lippen auf meinen so gut es geht zu verdrängen. Trotzdem war unser Umgang nett, zwar distanziert, aber freundlich. Umso skeptischer macht mich ihr Verhalten jetzt.
Ihr Kopf verschwindet hinter der großen Kühlschranktür in dem sie etwas zu suchen scheint und ich erkenne wie sich ihre Schultern heben, als sie spürt, dass ich sie beobachte. Das Klingeln der Mikrowelle lenkt mich von ihr ab und ich schnappe mir mein Futter, setze mich an die Theke und schiebe mir hungrig eine Gabel in den Mund. Im gleichen Moment zieht sie eine Schüssel Reis und eine gebratene Hühnchenbrust hervor, was sie beides gegenüber auf der Arbeitsplatte abstellt. Peewee gesellt sich mit beinahe glasigen Augen neben sie und wedelt mit dem Schwanz.
Ihr scheint es unangenehm zu sein, dass sie sich exakt in meinem Blickwinkel befindet und schneidet überkonzentriert die Brust in kleine Streifen. Kurz darauf lässt sie ein Stück direkt in Peewees Maul fallen, der es schmatzend hinunterschlingt. „Muss das wirklich sein?", frage ich genervt und ziehe die Augenbrauen in die Höhe. Die Töle kriegt besseres Futter als die meisten Bauern hier auf dem Land. Madame ist doch auch Vegetarierin. Soll sie dem Köter doch auch ihr Grünfutter verabreichen.
„Wenn hier endlich mal Hundefutter aufzufinden wäre, dann könnte ich ihm auch etwas Anderes geben." Ich schnaube und lenke damit endlich ihre Aufmerksamkeit wieder auf mich. Ihre grünen Augen sind heute betrübt, anders als ich es die letzten Tage von ihr gewöhnt bin. Auch wenn ich es nur ungern zugebe, scheint der Hund sie glücklich zu machen. Seitdem er hier ist, ist sie aufgeweckter, gibt mir mehr Kontra und lacht mehr. Davon ist augenblicklich nichts zu sehen. Vielmehr erinnert mich ihr Gesichtsausdruck an die ersten Tage in denen ich sie in ihrem Zimmer eingesperrt hatte – wenn auch keine Angst in ihren Augen zu lesen ist. Sie starrt mich völlig gedankenverloren an.

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Afraid of you
Misterio / SuspensoKolumbien. Gefangen bei einem der einflussreichsten Männer des Landes. Und es gibt kein Entkommen. "Auch er sieht mir direkt in die Augen. Er verzieht keine Miene. Kalt, wie die Farbe seiner Augen. Hart, wie die Muskeln an seinem Körper...