Fifty-Seven. Explosion

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Emily

Das Alpha-Männchen will also mal wieder sein Ego polieren und die Mauern aufklappen? Nein. Das kann er diesmal vergessen. Ich habe seinen Blick gesehen, habe gesehen, wie er auf ihren Namen und auf meine Meinung reagiert hat. Etwas ist tief in ihm vergraben, dass ich um alles in der Welt ans Licht bringen will. Vielleicht bin ich naiv und handle unüberlegt, vielleicht ist da noch immer dieser Funke Hoffnung in meinem Innersten, der an dem Glauben festhält, dass dieser Mann nicht das reine Böse sein kann. Auch möglich, dass ich mich und meine mehrmaligen Fehltritte damit rechtfertigen will.

„Du hast Recht. Ich bin behütet und beschützt aufgewachsen. Meine Eltern haben alles für mich und meinen Bruder getan. Sie haben uns vergöttert und uns alles ermöglicht, was wir uns gewünscht haben. Ich habe in einer heilen Welt ohne Drogen, ohne Mord und Totschlag gelebt. Also klär mich doch auf!" Aufgebracht schleudere ich meine Hände in die Luft und halte seinem wütenden Blick stand. Seine Augen sind zu Schlitzen zusammengezogen, seine Lippen nur noch eine harte Linie. „Was muss passieren um zu einem Monster zu werden, dem alles und jeder egal ist?!"

„Meine Eltern sind gestorben, da war ich fünf und wurde zu meiner Tante nach Kolumbien gebracht, die kurz zuvor einen der reichsten Männer im Land geheiratet hat. Er hat mich aufgezogen, nachdem meine Tante keine zwei Monate nach meiner Ankunft den Löffel abgegeben hat." Ungläubig halte ich mich an dem Tresen neben mir fest und halte angestrengt meinen Kiefer zusammen. Er erzählt. Er redet. Er öffnet sich. Ben sieht mir meine Überraschung genau an und schmunzelt, während er sich ein weiteres Glas Wein einschenkt, das er genauso schnell hinunterstürzt wie das erste. Klirrend knallt er es auf den Tresen zurück und stützt sich mit seinen Händen auf der Marmorplatte auf. Die Sehnen und Muskeln an seinen Unterarmen, die durch sein hinaufgekrempeltes Hemd gut sichtbar sind, treten stark unter seiner gebräunten Haut hervor.

„Während du also gehätschelt wurdest, wurde mir das Kämpfen beigebracht. Das Foltern. Das Töten."

„Aber du sagtest doch, dass du auf einem Internat in England warst?", frage ich gedankenlos und könnte mich für meine zittrige Stimme verfluchen. Es schockiert mich mehr, als ich erwartet habe, wenn ich mir vorstelle wie ein kleiner Junge so behandelt wurde. Wie er in einer solchen Welt hat aufwachsen müssen.

„Jup. Mit fünfzehn bis zu meinem Abschluss. Mein alter Herr hat viel Wert auf geistige Bildung gelegt", antwortet er und zuckt belustigt mit den Schultern. Unglaublich, wie trocken er diese Horrorlebensgeschichte hinunterrattert, als würde er gerade von seinem letzten Urlaub am Strand erzählen. Es kann doch nicht sein, dass ihn das alles kalt lässt. Dass es ihn so egal ist, von klein auf manipuliert und kaputt gemacht worden zu sein.

„Oh, sieh mich nicht so an, Darling." Noch ein Glas Wein mit einem höhnischen Grinsen in meine Richtung. Er lässt mich nicht aus den Augen, während er sein Glas nun bedacht abstellt und mit langsamen Schritten auf mich zukommt. Ich muss dem Drang wiederstehen zurückzuweichen. Auf seinem Gesicht hat sich dieser finstere Ausdruck abgebildet, undurchschaubar, kalt. Schluckend sehe ich zu ihm auf, als er direkt vor mir stehen bleibt, seine Hände links und rechts von mir abstützt und mich damit einkesselt. „Und wer war sie?" Natürlich weiß ich es, kenne einen kleinen Teil dieser Geschichte, doch es interessiert mich seine Sicht der Dinge. Wenn er trotz seiner Erziehung alles hinter sich lassen wollte ... Sagt das nicht aus, dass in ihm ein Stück Menschlichkeit schlummert? Etwas, das nicht mit seiner Vergangenheit zu tun hat?

„Sie hat für meinen Onkel gearbeitet und hat mir den Kopf verdreht." Die Härchen an meinem Nacken stellen sich auf, als er mit dem Hauch einer Berührung über meine Schulter streift. „Und dann?", krächze ich. Sein Duft von Zimt und herber Männlichkeit schwebt zu mir hinüber und vernebelt mir die Sinne. „Und dann ist sie gestorben, ich habe mich gerächt und das Geschäft meines Onkels angenommen." Sein linkes Augenlid zuckt leicht und seine Nähe raubt mir plötzlich den Atem. Mein Hals fühlt sich wie ausgedörrt an, meine Lippen rissig, sodass ich sie hektisch mit meiner Zunge befeuchte. Seine Augen nageln mich noch immer fest, doch ich schiebe ihn an seiner Brust ein Stück von mir und nehme etwas Abstand zu ihm. „Wieso hast du das getan? Wieso bist du nicht gegangen. Du bist ein freier Mann und hättest tun und lassen können was du willst."

„Tu das nicht", sagt er. Geschmeidig wie ein Raubtier kommt er auf mich zu, grinst und auch wenn ich es nicht möchte, lasse ich mich von ihm treiben, als wäre ich tatsächlich seine Beute. Ich keuche leise, als mein Rücken gegen die Wand prallt. Im nächsten Moment ist er wieder vor mir, um mich. Nimmt mir den Atem. Seine blauen Augen glühen und brennen sich in meine. Mein Pulsschlag beschleunigt, während er in aller Seelenruhe seine Arme neben meinen Kopf an die Wand stemmt und sich vorbeugt. Ich kann mich nicht rühren. Bin wie erstarrt.

„Was?", hauche ich.

„Mich so mitleidig mit deinem Hundeblick anzusehen. Es gibt nichts an mir oder meinem Leben zu bemitleiden." Nun klappt mir doch die Kinnlade hinunter, wenn sich auch sonst kein Muskel in meinem Körper bewegen mag.

„Wie kannst du so etwas sagen? Du wurdest genötigt Dinge zu tun, die niemand erleben sollte. Ich kenne die Details nicht, möchte sie auch nicht wissen, aber..." Er lässt mich nicht ausreden und die Berührung seines Fingers, als er sie auf meine Lippen legt, fühlt sich wie ein kleiner Stromschlag an.

„Darling", er lächelt und das Strahlen seiner Augen hypnotisiert mich, „vielleicht habe ich es falsch ausgedrückt; ich wurde zu allem geboren, was mir beigebracht wurde. Es gab kein jämmerliches Kauern in der Ecke, kein Selbstmitleid, keine Reue."

„Das denkst du vielleicht, aber das..."

„Baby, ich liebe es Macht zu haben und wie Gott über das Leben anderer zu bestimmen. Ich liebe es die Angst in den Augen meiner Opfer zu sehen, ihr Wimmern zu hören." Seine Pupillen werden groß und er wechselt von seiner linken Hand zu seinem Ellenbogen um sich an der Wand abzustützen. Damit ist er mir noch näher. Sein Atem streift über meine Lippen und bringt mich vollkommen aus dem Konzept. Ich höre was er sagt, höre seine Worte, doch kann keinen Zusammenhang aus ihnen bilden. Es ist, als würde mein Körper nach seiner Aufmerksamkeit und Zuwendung lechzen. Ich bin machtlos.

„Töten ist für mich beinahe so gut wie ein schöner Fick", raunt er und bringt mich damit zum Erröten. Hitze steigt in meine Wangen, meinen Hals hinab zu meinen Brüsten, die sich plötzlich schwer anfühlen. Meine Nippel werden hart, mein Unterleib beginnt zu prickeln. Doch ich komme gar nicht dazu, meinen Reaktionen Beachtung zu schenken.

Ben senkt seine Lippen auf meine. Unnachgiebig. Dominant. Er saugt mit seinem Kuss jede brauchbare Gehirnzelle aus meinem Kopf und zwingt mich dazu, mich ihm vollkommen hinzugeben. Mir kommt Diegos Bemerkung in den Sinn, dass er eifersüchtig sein könnte, dass er mich mag und ich kann nicht mehr an mich halten.

Begleitet von einem Seufzen, schlinge ich meine Arme um seinen Nacken und drücke mich fest an ihn, als könnte ich ohne seine Berührungen zerbrechen. Und genauso fühle ich mich. Wie eine Ertrinkende, die endlich ihren Rettungsanker gefunden hat. Meine Lippe kribbelt, als er mit seiner Zunge über meine Unterlippe fährt und sich Einlass zu meinem Mund gewährt. Er spielt mit mir, küsst, knabbert, neckt. Jede meiner Nervenzelle ist in Aufruhr, mein Herzschlag hat ungesunde Ausmaße angenommen.

Bens Hände lösen sich von der Wand, legen sich auf meinen Rücken und pressen mich so fest an sich, dass ich keuchen muss. Es tut gut zu wissen, dass es ihm anscheinend ähnlich geht wie mir und er nicht genug von diesem Moment bekommen kann.

Seine eine Hand wandert in meinen Nacken, die andere mein Rückgrat hinab, bis sie meinen Hintern umfasst. Ich kann spüren wie erregt er ist und trotz der erneuten Hitze in meinen Wangen, breitet sich ebenso ein Feuer in meinem Bauch aus, das meine Mitte pochen lässt.

Abrupt lösen sich seine Finger von meinem Hals, gehen den gleichen Weg nach unten wie seine andere und legen sich auf meine Pobacke. Ruckartig hebt er mich auf seine Hüften ohne den Kuss zu unterbrechen und setzt sich in Bewegung. Ich weiß nicht wohin er geht, will es auch gar nicht wissen. In meiner Seele existiert augenblicklich nur der Mann, den ich begehre und dem ich vertraue – so gefährlich das auch ist. Ein intelligenter, humorvoller und selbstbewusster Mann. Kein Mafiaboss, auch nicht mein Entführer.

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*Hust* Ben öffnet sich?! *Hust* Zumindest erfahren wir nun mehr über seine Vergangenheit ... und Emily die gute Seele glaubt wohl weiterhin an das Gute in ihm. Ob das so klug ist?

Und wo genau gehen sie denn hin? x)

Eein Kapitel wird wohl noch kommen, Leute! Dann falle ich wohl tot ins Bett 😂

Afraid of youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt