♦ Benjamin ♦
„Der Köter?!" Ein ungläubiges Lachen dringt aus meiner Kehle und ich fahre mir übers Gesicht, während sich in meinen Gedanken die Frage auftut, ob neuerdings alle in meinem Umfeld glauben sie könnten sich benehmen wie bescheuerte Affen. „Ihr holt mich hier her wegen des verdammten Köters?!" Meine Stimme überschlägt sich und bevor ich realisiere, was ich eigentlich tue, habe ich den Kerl der mich aus dem Büro geholt hat, am Kragen gepackt. Jede einzelne Wunde an meinem Körper meldet sich und will mir klarmachen, dass all die Anstrengung zu viel ist. Ich ignoriere es.
„Bei allem was um euch herum passiert, denkt ihr, es würde mich interessieren, dass ein Hund in meinem Garten nach ein paar Mäusen gräbt?", knirsche ich und packe ihn noch fester. Meine Muskeln sind zum Zerreißen gespannt, Adrenalin pumpt durch meine Venen und instinktiv will meine freie Hand nach der Waffe in meinem Hosenbund greifen. Die schwule Armschlinge hindert mich daran und bringt mich dazu den Typen loszulassen. Blitzschnell zeigt der Lauf meiner Knarre direkt zwischen seine zusammengekniffenen Augen. Meine Geduld ist offiziell zu Ende.
„Sir!" Carlos erscheint in meinem Blickfeld und sein massiger Oberkörper schiebt sich direkt zwischen meine Waffe, mich und den hirnlosen, fast toten Idioten. Hätte Carlos eine Sekunde länger gewartet, hätte ich abgedrückt und seine Brust durchlöchert, anstatt den Kopf des Idioten.
Wütend starre ich ihn an, ohne meinen Arm zu senken und damit auf ihn zu zielen. „Was?", belle ich. Um uns herum ist es Muchs Mäuschen still und aus dem Augenwinkel heraus erkenne ich einige Leute aus meiner Wache, die gespannt und mit angehaltenem Atem die Szene beobachten. Wahrscheinlich geht ihnen der Arsch auf Grundeis, weil sie ebenfalls dachten, der Buddelhund könnte mich auf irgendeine Art und Weise interessieren.
„Sehen sie mal ganz genau hin, Boss. Die Männer könnten Recht damit haben, dass es interessant für uns sein könnte." Nur langsam dringen die Worte meines Vertrauten in mein Gehör und brauchen eine halbe Ewigkeit bis sie meinen Verstand erreicht haben. Dank der schwülen Morgenhitze fühle ich mich noch erschöpfter, Schweiß dringt aus meinen Poren und die wenigen Schmerztabletten, die ich mit einem Glas Whiskey eingenommen habe, vernebeln mir zusätzlich das Gehirn.
Dennoch schaffe ich es irgendwie auf Carlos zu hören und wende meine Aufmerksamkeit auf den beschäftigten Köter links hinter den beiden. Peewee gräbt wie ein irrer ein Loch am Zaun, jault und bellt. „Normalerweise kommt er nur mit der Senorita nach draußen. Sir, wir haben versucht ihn zu verscheuchen, aber er lässt sich nicht beirren, er schnappt nicht mal nach uns, wenn wir uns ihm nähern", meldet sich einer der Männer aus der Grenzkontrolle zu Wort und geht gleich einen Schritt zurück, nachdem ich meinen Blick auf ihn gerichtet habe.
Angestrengt lasse ich meine Waffe sinken, wische mir den Schweiß von der Stirn und schließe für einen Moment die Augen. Könnte das wirklich sein? Und wie waghalsig wäre es, auf die Instinkte eines Tieres zu vertrauen? Es wäre verflucht waghalsig, bekloppt und verrückt. Allerdings wäre es eine Spur. Und ich könnte es später auf die Schmerzmittel schieben, würde sie im Sand verlaufen.
Tief ausatmend öffne ich meine Augen und sehe mich um. Alle sehen mich gespannt an, der Typ, dem ich fast den Schädel weggeschossen hätte, ist verschwunden, und Carlos deutet ein leichtes Nicken an. Also ist er genauso dämlich und unzurechnungsfähig wie ich auch. Gut.
„Schickt mir zehn bewaffnete Männer hinterher. Du, du und du, ihr kommt mit", befehle ich und zeige wahllos mit dem Finger auf drei der Kerle um uns herum. „Ich kann das übernehmen, Sir", sagt Carlos und strafft die Schultern. Ohne auf sein Angebot einzugehen, marschiere ich auf die Tür einige Meter neben dem bereits tiefen Loch zu. Sollte der Straßenköter wider Erwarten einen sechsten Sinn besitzen, will ich der Erste sein, der sein Ziel findet.

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Afraid of you
Mystery / ThrillerKolumbien. Gefangen bei einem der einflussreichsten Männer des Landes. Und es gibt kein Entkommen. "Auch er sieht mir direkt in die Augen. Er verzieht keine Miene. Kalt, wie die Farbe seiner Augen. Hart, wie die Muskeln an seinem Körper...