Fifty-One. Senses

19.1K 773 102
                                        

♦ Benjamin ♦

Es ist bereits nach Mitternacht, als ich mich in meinem Stuhl zurücklehne und die bernsteinfarbige Flüssigkeit in meinem Glas schwenke. Ich bin müde und eine geistige Erschöpfung ist über mich hineingebrochen, die ich seit Jahren nicht erlebt habe.

Stunden waren vergangen in denen ich all die Probleme regeln konnte, die durch die Pestizid-sprühenden Flugzeuge der Amerikaner verursacht wurden. Und noch mehr Nerven haben mich die Nachforschungen gekostet, die ich über Santos und den Angriff auf mein Haus vor ein paar Wochen angestellt habe. Noch immer habe ich keine belastenden Beweise gegen ihn, auch wenn ich meinen verdammten Arsch darauf verwette, dass er dahintersteckt. Nur helfen in meiner Welt keine Vermutungen. Ihn anzugreifen ist gefährlich genug, doch ohne stichhaltige Gründe? Damit würde ich mir meinen Ruin selbst auferlegen. Durch Santos Vater stehen noch immer viele Kartelle hinter ihm und schwören ihm die Treue.

Und als würde das alles nicht reichen um meinen Stresspegel in die Höhe zu treiben, muss mir Emily auch noch das Leben schwermachen. Ein schmutziger Köter. In meinem Auto. In meinem Haus. Hoffentlich reicht es auch aus, die Innenausstattung meines Wagens mit einem Dampfdruckgerät zu reinigen. Wer weiß schon, was dieses Viech alles für Krankheiten mit sich herumschleppt. In der abgelegenen Gegend in der mein Anwesen steht, stellte es sich nämlich als äußerst schwierig heraus einen Tierarzt kommen zu lassen. Mehr als mein persönlicher Hausarzt war nicht drinnen, der kopfschüttelnd und erst nach dem Zustecken einer großzügigen Finanzspritze die Wunde des Köters genäht hatte, während Emily ihn von widerlichen Zecken befreit hatte. Bäh!

Danach hatte sie ihn mit teurem, meinem extra eingeflogenen Shampoo im Garten gewaschen und gab ihm einige Stücke von dem saftigen Rinderfilet, das ich mir heute Abend auf den Grill schmeißen wollte. Es kotzt mich an. Und wie. Aber meine Eier sind irgendwo auf dem Weg hierher verloren gegangen – ähnlich wie Carlos', der die nächsten drei Tage als Strafe ein paar Lieferungsübergaben machen darf. Scheiße, ich konnte ihr das nicht antun den Hund da liegen zu lassen. Ich habe es in ihren Augen gesehen, ich habe gesehen, wie sehr sie schon jetzt an dem Flohzirkus hängt. Ab der Sekunde als sie ihn gesehen hat.

Ben die Pussy. So werde ich wahrscheinlich irgendwann mal in die Geschichtsbücher eingehen.

Mich selbst verfluchend trinke ich mein Glas leer, knalle es auf den Schreibtisch und fahre mir durchs Gesicht, ehe ich aufstehe und nach oben gehe. Vom heißen Wasser der Dusche lasse ich mir die Muskeln lockern, versuche meine kreisenden Gedanken und die aufkommenden Erinnerungen zu stoppen und beschließe nachdem ich mich angezogen habe, nochmals nach Emily zu sehen. Seit sie hier ist, habe ich sie noch nie so viel lächeln sehen wie heute. Und dieses Lächeln gefällt mir. Irgendetwas in meinem verkorksten Inneren wünscht sich sogar, dass ich der Grund für ihr Lächeln sein möchte – so lächerlich und sentimental das auch klingt. Zum Beispiel, wenn sie unter mir liegt und kommt, dabei ein seliger und zufriedener Ausdruck auf ihrem Gesicht, das wäre doch was.

Froh darüber, dass ich noch nicht ganz verweichlicht bin, überwinde ich die wenigen Meter zu ihrem Zimmer und öffne leise die Tür. Im Zimmer ist es dunkel, nur das Licht vom Gang und der schwache Schein des Mondes der durch die Fenster hineinscheint, hüllt das Innere in ein angenehmes Licht. Mein Herz setzt einen Schlag aus, als ich sie nicht im Bett liegen sehe. Wut und Adrenalin jagen durch meine Adern, meine Hände verkrampfen sich automatisch, während ich den Raum nach ihr absuche. Bis ich sie am gegenüberliegenden Ende auf dem Boden kauern sehe. Neben ihr leuchten die Augen ihres Köters in der Dunkelheit, mustern mich und scheinen abzuwägen, ob ich eine Gefahr darstelle. Bisher durfte keiner außer der Doc in Emilys Nähe, ohne dass die Bestie abgegangen ist wie auf einer Horrordroge. Eventuell könnte das noch zum Problem werden. Falls er auf mich losgeht, dann scheiße ich auch auf Emilys Gefühle und knalle ihn ab. Das wäre ja noch schöner, wenn ich mich nicht mal mehr in meinem eigenen Haus frei bewegen könnte.

Langsam, ohne den Welpen aus den Augen zu lassen übertrete ich die Schwelle und gehe auf die beiden zu. Er ist weiterhin wachsam, macht jedoch keinerlei Anstalten mich anzugreifen. In Gedanken möchte ich ihn schon braver Peewee nennen, besinne mich aber noch rechtzeitig. Ein wenig Pussy ist schon schlimm genug – man muss es ja nicht noch mehr ausarten lassen. Bescheuert genug, einen so riesigen Hund so zu nennen, klingt dieser Name so verdammt niedlich, dass kein Mann ihn aussprechen sollte, der kein Eunuch ist.

Bevor ich bei ihnen angekommen bin, senkt der Hund seinen Kopf und pennt weiter, als wäre er die Unschuld in Person. Weiterhin darauf bedacht, nicht doch noch ein paar seiner Zähne in meiner Hand stecken zu haben, bewege ich mich vorsichtig, als ich einen Arm unter Emilys Kniekehle lege und den anderen unter ihren Kopf. Sie regt sich leise als ich sie hochhebe, schläft jedoch bei dem ersten Schritt den ich in Richtung Bett gehe wieder ein. Die Haut ihrer nackten Beine ist kühl und am liebsten würde ich sie aufwecken und zusammenscheißen, weshalb sie nur in Shorts und Top bekleidet auf dem Boden schläft. Doch ich bleibe ruhig, begnüge mich damit ihr friedlich schlummerndes Gesicht im Mondschein zu betrachten, der sie noch blasser erscheinen lässt. Ihre langen Wimpern werfen Schatten auf ihre rosigen Wangen und die Mundwinkel an ihren perfekt geformten Lippen sind leicht nach oben gebeugt. Sie ist wunderschön.

Mein Magen grummelt und mir wird urplötzlich so warm, dass ich glaube innerlich zu verglühen. Mein Puls schnellt in die Höhe, pumpt das Blut durch meine Venen und beschleunigt meine Atemzüge. Weg ist die innerliche Unruhe, die Wut, der Hass. Zurück bleibt nur Frieden und vollste Zufriedenheit. Den Blick fest auf ihr hübsches Gesicht gerichtet lege ich sie zaghaft auf dem Bett ab und fröstele in dem Moment, als jeglicher Körperkontakt zu ihr verschwindet. Ein kühler Schauder weht über meinen Nacken, verursacht eine Gänsehaut meinen Rücken entlang. So habe ich mich seit Jahren nicht mehr gefühlt. Nicht mehr, seitdem Carmen tot ist. Diese Erkenntnis frisst sich durch meine Eingeweide, verursacht Übelkeit und erschüttert mich bis ins Mark. Emily erschüttert mich. Sie löst etwas in mir aus, das ich nicht dahaben will. Das ich nicht um mich haben will. Nein, sie macht mich nicht nur zu einer Pussy – sie macht mich zu einem fühlenden Menschen. Etwas, das in meiner Branche völlig deplatziert ist. Es könnte mich den Kopf kosten.

Fieberhaft durchforste ich meine Gedanken, höre in mich hinein und versuche mich vom Gegenteil zu überzeugen, versuche mir einzureden, dass lediglich mein Schwanz sie will. Dass ich nur ein geiler Idiot bin, der sie vögeln möchte. Ich besitze keine Gefühle. Ich brauche keine Gefühle. Alles was mich antreibt sind Hass und Dunkelheit.

„Ben?", reißt mich ihre dünne Stimme von meiner Gedankenkotze los und mein Blick schnellt vom Leeren zu Emily, die auf der Matratze liegt und zu mir auf blinzelt. Ihre Augen leuchten und sofort schlägt mein Herz wieder schneller als sie sich verschlafen über das Gesicht reibt. „Was tust du hier?" Sie gähnt hinter vorgehaltener Hand und richtet sich leicht auf. „Ich wollte nur nach dir sehen. Du bist auf dem Boden eingeschlafen und ich habe dich ins Bett gebracht", sage ich und kann den leicht tadelnden Unterton in meiner Stimme nicht verbergen.

„Danke", flüstert sie. „Ich meine...nicht nur dafür, dass du mich ins Bett gebracht hast. Für heute. Für...danke." Verlegen schlägt sie ihre Augen nieder. Ihre Worte dröhnen in meinen Ohren. Wieder und wieder. Mir wird weiß vor Augen. Ich bekomme plötzlich keine Luft mehr, zu flach geht mein Atem. Keuchend kneife ich die Lider zusammen, stolpere rückwärts und komme irgendwie auf der Bettkante zum Sitzen, während mein Körper erbebt. Emilys Satz wiederholt sich in meinem Kopf und beschwört Erinnerungen herauf, noch mehr Erinnerungen, noch mehr Gefühle, als ich für einen Tag ertragen könnte. Ein dichter Nebel lässt meine Sicht verschwimmen und für wenige Sekunden lasse ich zu, dass der Schmerz mich einholt und noch tiefer in die Dunkelheit hinabzieht, die mich seit Jahren umgibt.

_________

Tach ihr Süßen x)

Alles fit?

Ich bin krank :/ total geil im Sommer und so :o

Nun ja. Was haltet ihr von dem Kapitel? Von Santos, gegen den Ben momentan nichts in der Hand zu haben scheint? Und vor allem von Bens Gefühlschaos, das da in ihm hochsteigt? Wir wissen jetzt zumindest, dass Carmen tot ist - wer auch immer sie ist. Vorschläge?

Ganz liebe Grüße an euch!

Eure Lary<3


.

Afraid of youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt