Six. Loyalty

30.4K 1K 95
                                        

♦ Emily ♦


Das Wasser hat mir gut getan. Auf der einen Seite. Auf der anderen nicht. Meine Blase platzt gleich und ich gebe mir ganz sicher nicht die Schmach, hier einfach locker zu lassen. Die Tatsache, dass ich nun aufrecht sitze, erleichtert mir das Ganze ein wenig. Aber mein geschwächter Körper hält meine Zappeleien kaum mehr raus, die ich seitdem Diego weg ist, hier veranstalte. Die Muskeln an meinen Beinen sind weiterhin schlaff und meine Hände bitzeln ununterbrochen. Ganz zu schweigen davon, dass ich einfach nur noch meine Augen zumachen und schlafen möchte. Doch stattdessen starre ich auf die kahle Wand vor mir. Besser, als auf Jesus lebloses Gesicht, aber dennoch nicht sehr amüsant. Wenn ich noch einmal dieses beschissene Tropfen höre, dann drehe ich nun vollends durch! Das begünstigt verdammt nochmal auch nicht gerade meine Blase sich am lösen zu hindern! Tropf.

Aus meinen vertrockneten Lippen dringt ein lautes Grummeln und ich spüre zu allem Überfluss, wie sich wieder Tränen in meinen Augen sammeln. Das ist dann wohl der Nachteil daran, dass ich nicht mehr dehydriere. Blinzelnd lege ich meinen Kopf in den Nacken, schniefe und beiße mir auf meine bebende Unterlippe.

Erschrocken schrecke ich zusammen, als sich mit einem Mal die Tür lautquietschend öffnet und ich drehe mich zur Seite, sehe direkt zu Diego, der mit einem milden Lächeln auf mich zukommt. „Hier, Guapita. Noch etwas Wasser." Er geht vor mir in die Hocke, sieht meine Tränen, die nun meine Wangen entlang laufen und presst seine Lippen zusammen. „Ich muss aufs Klo", schluchze ich und er sieht mir einen Moment lang in die Augen, ehe er sich hektisch umsieht und sich durch die Haare geht. „Wenn er erfährt, dass ich hier unten war..." „Bitte", unterbreche ich ihn wimmernd und er scheint angestrengt nachzudenken, nickt aber schließlich. Er rutscht auf seinen Knien um den Stuhl herum, seine Hände zittern, als er mir die Fesseln löst und ich seufze erleichtert, als ich spüre, dass er mir ebenso die Handschellen geöffnet hat. „Aber du darfst keine Probleme machen. Sonst sind wir beide dran", flüstert er und ich nicke wild. Wenn die Versuchung auch noch so groß ist zu fliehen, bezweifle ich, dass ich auch nur ein paar Meter weit kommen werde.

Leise zische ich, als ich meine Hände hervorhole. Tiefe Striemen zieren meine Handgelenke. Die Wunden beißen fürchterlich und ich rolle mit schmerzverzerrtem Gesicht meine Schultern. Diego sprintet zur Tür, öffnet sie einen Spalt und guckt links und rechts, bevor er mich mit der Hand zu sich winkt. Meine Augen sind fest auf ihn gerichtet, weg von den beiden Leichen und ich stemme mich auf dem Stuhl hoch, angele mich auf meine Füße, die sofort einknicken und ich mich wimmernd an dem Tisch neben mir festhalten muss, um nicht zu Boden zu gehen. Der kleine Kolumbianer kommt sofort auf mich zu, legt seinen Arm um meine Taille und lächelt mich mitleidig an. Ich kann nicht sagen, wieso ich ihm traue. Wieso ich nicht davon ausgehe, dass er mich vergewaltigt und um die Ecke bringt. Vielleicht sind es seine Augen, die so viel Wärme widerspiegeln. Vielleicht aber auch nur der Aspekt, dass er der einzige Mensch seit vielen Stunden ist, mit dem ich in Kontakt trete.

Langsam lege ich meinen tauben Arm um seine Schultern, lasse mich von ihm führen und ich kann kaum sehen, als wir in den langen Gang treten. Neonröhren sind an beiden Seiten der Decke angebracht, lassen den Beton hell erleuchten und ich werde in meiner Vermutung bestätigt, dass wir hier in irgendeinem Kellerloch sein müssen. Jeder Schritt tut weh und ich muss meine Zähne fest aufeinanderbeißen, um nicht laut aufzuschreien. Mir ist nicht auszumalen, was das hier für Konsequenzen hätte.

Diego öffnet eine Tür links von sich, weiterhin geblendet, erkenne ich ein kleines Bad und schlucke, als er mich hineinführt. Er bringt mich bis zur Toilette, ich stütze mich am Waschbecken daneben ab und er geht zurück zur Tür. Allerdings schließt er sie und bleibt im Raum stehen, was mir doch mehr als zuwider ist. Doch meine drückende Blase lässt wohl meine Hemmschwelle sinken. „Ich werde nicht gucken, versprochen", sagt er leise und ich glaube ihm, öffne meine Shorts. Schniefend wische ich mir meine Tränen weg, finde auch in diesem Raum keine Fenster und beiße mir fest auf meine Lippen, als ein stechender Schmerz durch mein Unterleib rauscht. Es drückt unheimlich und ich stelle fest, dass es meiner Blase anscheinend nicht gefällt, wenn ich stundenlang aushalte. War ja eher unfreiwillig. Ich hoffe nur, dass ich keine Blasenentzündung davontrage und muss im gleichen Augenblick über meine Gedanken schmunzeln. Das ist glaube ich momentan echt mein kleinstes Problem. Vor allem weil die Frage im Raum steht, ob ich überhaupt noch so lange überlebe, bis meine Blase Faxen machen kann. Diego, der mit dem Gesicht zur Tür steht und immer unruhiger gegen das Eisen klopft, scheint mit jeder verstreichenden Sekunde die wir uns hier drinnen befinden, nervöser zu werden und ich versuche meinen Körper anzutreiben, dass er schneller macht.

Afraid of youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt