♦ Benjamin ♦
„Bist du dir sicher, dass du noch immer nicht reden willst?" Meine Augenbrauen wandern herausfordernd nach oben und ich fixiere das Stück Scheiße vor mir, das tief Luft holt und mit zusammengekniffenen Augen den Kopf schüttelt. Ich drücke die Klinge an seinem linken Daumen tiefer. Langsam und doch mit genug Druck, dass sie Stück für Stück durch sein Fleisch schneidet. Der Bastard schreit laut auf, der Schweiß auf seiner Stirn verwandelt sich zu einem Fluss, der über seine Stirn nach unten rinnt und in seine offene Wunden am Oberkörper tropft. Ich vermute, dass es brennt. Da mir bei seinem Gebrüll fast das Trommelfell platzt und ich sowieso bereits am Knochen angekommen bin, ziehe ich das Messer raus, hole aus, und hacke ihm mit einem gezielten Schlag den gesamten Daumen ab. Für wenige Sekunden schreit er noch lauter, ehe er verstummt und erschöpft den Kopf hängen lässt. Eigentlich habe ich vermutet, dass er eher einknickt und sich nicht erst sämtliche Gliedmaßen abtrennen lässt, bevor er mir erzählt wo genau mein Geld geblieben ist. Im Allgemeinen ist es mir ein Rätsel, weshalb manche meiner Arbeiter noch immer denken sie könnten mich über den Tisch ziehen. Ich kriege es immer raus und immer müssen die Typen mit ihrem Leben dafür bezahlen. Also wieso lernen die nicht mal daraus, dass mit mir einfach nicht zu spaßen ist? Ich gebe keine zweiten Chancen und jedem der mich kennt, ist das auch bewusst.
Auch nicht dem jämmerlichen Mistkerl, der seit geschlagenen vier Stunden vor mir auf einem Stuhl angebunden sitzt und nun anfängt nach seiner Mami zu heulen. Nicht nur, dass ich sowieso übermüdet bin und echt keinen Bock auf Fesselspiele mit dicken Kolumbianern habe, die mir ein paar hunderttausend Dollar gestohlen haben, hat er mich um mein Gespräch mit Emily gebracht. Das macht mich doppelt sauer. Endlich hatte ich sie soweit und dann muss der Lutscher meine Lieferung am Hafen unterschlagen, die Kohle an sich nehmen und denken, sich verpissen zu können. Er hatte wohl vergessen, dass ich grundsätzlich einen meiner loyalsten Männer mitschicke, der das ganze überwacht und ihn sich sofort cashed, wenn er Mist baut. Pech für ihn, denn er wird den nächsten Sonnenaufgang nicht mehr überleben.
Seufzend wische ich das blutverschmierte Messer an seiner dreckigen Jeans ab, bevor ich es mit Schwung in seinen Oberschenkel ramme. Zumindest jault er jetzt nur noch, was ihm mein Trommelfell eindeutig dankt. Genervt beuge ich mich zu ihm hinunter, fixiere seine hässliche Visage und grinse ihn an. „Sagst du mir jetzt wo mein Geld ist, oder wollen wir mit deinen Zehen anfangen?", frage ich. Er atmet schwer und ich wette, er ist kurz davor in Ohnmacht zu fallen, was auch nicht das erste Mal in den letzten Stunden gewesen wäre. Dafür habe ich einen Elektroschocker. Der funktioniert ganz gut. „Fick dich", zischt er und bringt es tatsächlich noch fertig mich anspucken zu wollen. Ich kann gerade noch ausweichen, rolle mit den Augen und nicke mit dem Kopf zu meinen Männern, die sofort reagieren, seinen Fuß packen, ihn aus seinem Schuh schälen und einen Tisch heranschieben, auf dem sie ihn fixieren. Mit einem leisen Raunen ziehe ich das Messer wieder aus seinem Oberschenkel und entferne ihm in einer fließenden Bewegung seinen kleinen Zeh. Mein Jagdmesser lässt mich einfach nie im Stich. In Gedanken mache ich mir eine Notiz, dass ich Joe mal wieder eine Dankeskarte zukommen lassen muss, da er mir grundsätzlich das beste Werkzeug liefert und wende mich wieder der flennenden Memme zu.
Er wirkt mir ein wenig geschockt darüber, dass ich ohne Vorwarnung begonnen habe zu schnippeln, aber meine Geduld schwindet mit jeder Minute mehr. Normalerweise überlasse ich Carlos die Drecksarbeit und halte mich eher im Hintergrund. Der Kerl ist ein kranker Sadist und ich persönlich bin der Meinung, dass er auf das ganze Blut, die Kotze und den Schweiß steht. Irgendwie geilt es ihn auf Menschen zu zerstückeln. Mich ekelt die Sauerei grundsätzlich an. Alleine der Geruch, der in der weitläufigen Lagerhalle problemlos aufzuschnappen ist, widert mich nur noch an. Ganz zu schweigen von den feinen Blutspritzern auf meinem schweineteuren Hemd, die ich sicherlich nicht mehr rauskriegen werde. Doch heute hatte ich mal wieder Lust darauf. Im Gegensatz zu meinem Henker macht es mir Spaß die Angst in den Augen zu sehen. Das unterwürfige Flehen und die Panik, die immer greifbarer zu sein scheint, mit jedem Schnitt, jeder Drohung. Letztlich bin ich also ein genauso kranker Mistkerl wie Carlos, nur eben mit Ordnungsfimmel. Leider kriegt man die Menschen mit unblutigen Methoden aber eher selten zum Reden. Noch dazu muss ich gestehen, dass es mir gerade heute durchaus guttut, meine Wut an einem hinterlistigen Dieb rauszulassen. Nach dem Gespräch mit meinem gefangenen blonden Engel fühle ich mich unausgeglichen und habe das Bedürfnis auf etwas einzuschlagen. Oder eben Zehen und Finger abzuhacken. Das kommt doch ungefähr auf das Gleiche raus, oder?
Mein Nacken beginnt zu Kribbeln, als ich mich auf meinen nächsten Zug vorbereite und mein Herz pocht angenehm schnell in meiner Brust. Verdammt, das ist eins der besten Gefühle der Welt. Vergleichbar mit dem Moment, kurz bevor man einen Orgasmus bekommt. Man lechzt nach der Befriedigung, vergisst alles um sich herum und kann nur noch gerade aussehen. Der Kopf ist leer, reagiert nur noch auf die Eindrücke, die einen von außen empfänglich machen und man kann den Höhepunkt kaum mehr erwarten. Man fühlt sich so verflucht lebendig. Das Messer sitzt auf der Haut, ich drücke leicht zu, bis der erste Streifen Blut erscheint und...
„Stopp!", hält mich der Arsch von meinem nächsten Höhepunkt fern. „Stopp. Das Geld ist auf einem Offshore Konto. Die Daten sind daheim in meinem Schreibtisch in der obersten Schublade. Die Schlüssel dafür sind in meiner Jackentasche. Bitte, bitte Stopp! Aber tut meiner Frau nichts, bitte, bitte, bitte." Jetzt fängt er erst richtig an zu heulen. Auch wenn ich mich zügeln muss, um ihn nicht doch noch den Zeh abzuschneiden, weil das so ewig gedauert hat, lasse ich stöhnend von ihm ab und bitte einen meiner Männer in seiner Jacke nach dem Schlüssel zu suchen. Tatsächlich hält Elias kurz darauf einen klirrenden Bund nach oben, der beweist, dass er die Wahrheit gesagt hat. Zumindest ist das für ihn zu hoffen. Sonst kann er die Bitte mit seiner Frau vergessen und ich vermute, dass er das auch weiß. „Wenn ich die Daten dort nicht finde, dann werden meine Männer mal austesten, worauf du so stehst", erinnere ich ihn dennoch daran, zwinkere ihm zu und will gerade nach meiner Waffe greifen, die ich etwas entfernt auf einem Tisch platziert habe, als Carlos mit ernster Miene auf mich zukommt. Erst jetzt fällt mir wieder ein, dass er vorhin einen Anruf entgegengenommen und aus dem Raum gegangen ist. Das Töten ist echt wie ein Rausch. Gedanklich nehme ich mir vor, das wieder öfters zu machen und gehe mit meiner rechten Hand ein paar Meter von den anderen weg. Ich weiß, dass es etwas Wichtiges sein muss. Sonst hätte er mich sicherlich nicht gestört.
„Boss, es gibt ein Problem auf dem Anwesen", flüstert er mir zu, hält sein Handy noch immer griffbereit und ich deute ihm an fortzufahren. Brauchen heute alle eine extra Einladung? „Diego hat mich angerufen und mir mitgeteilt, dass Emily nicht mehr auf ihrem Zimmer ist. Er hat die Jungs schon zusammengetrommelt. Sie suchen nach ihr, aber bis jetzt ist sie nirgends aufzufinden." Zum Ende hin nuschelt er so leise, dass ich ihn kaum mehr verstehe. Doch das tue ich trotzdem. Verdammte Scheiße aber auch! Die ganze Entspannung der letzten Stunden ist dahin.
Hastig gehe ich auf den Tisch zu, schnappe mir meine Heckler und Koch, verpasse dem illoyalen Bastard einen Kopfschuss und schnappe mir mein Jackett. „Räumt hier auf", weise ich die anderen an, wische mir meine Hände mit einem Taschentuch ab und renne förmlich zum Wagen. Carlos folgt mir Kommentarlos, setzt sich auf den Beifahrersitz und tippt ein paar SMS, während ich wie ein gestörter vom Lagergelände rase. In meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken, mein Puls rauscht durch meine Venen und mein Herz klopft so kräftig, dass ich kurzzeitig glaube, es würde meine Rippen durchbrechen. Das ist kein angenehmer Puls, sondern ein echt bedrohlicher. Es kommt mir keine plausible Erklärung in den Kopf, wie sie abhauen hätte können. Die Tür war verriegelt, als ich ging, und Maria musste ihr für heute nichts mehr zum Essen bringen.
Es gibt also nur zwei Optionen. Entweder jemand hatte die Tür aufgeschlossen um ihr zur Flucht zu verhelfen, oder jemand hat aus ganz anderen Gründen meine Abwesenheit genutzt. Allerdings fallen mir auf Anhieb nur drei Leute ein, die wissen, dass ich wahrscheinlich länger unterwegs bin. Und diese Liste beunruhigt mich noch mehr, als die eigentliche Tatsache, dass sie weg ist. Denn wenn es genauso ist, wie ich es mir gerade ausmale, werde ich höchstwahrscheinlich zu spät kommen und ich hätte einen weiteren Mann zum Zerstückeln. Jeder auf meinem Anwesen weiß, dass Emily kein Freiwild ist. Sie gehört mir, solange ich es möchte und keiner hat sie anzufassen. Keiner!
Mein Fuß drückt fester gegen das Gaspedal, Schweißperlen treten auf meine Stirn und meine Finger schließen sich so fest um das Lenkrad, dass die Knöchel weiß hervortreten. Der Weg zum Haus dauert in etwa eine Stunde und ich hoffe sehr, dass ich noch rechtzeitig dort ankommen werde.
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Hey ihr lieben :)
Ben unser kleiner, psychopatischer Sadist xD Auf jeden Fall denke ich, dass man jetzt so langsam etwas mehr über seinen Charakter erfährt.
Also, es war kein Auftrag von ihm. Und er ahnt schon etwas... wird er es rechtzeitig schaffen sie zu retten? Und was dann? Schließlich war er bisher auch nicht gerade liebevoll zu Emily.
Ich habe mich übrigens sehr über die Rückmeldungen zum letzten Kapitel gefreut :-*
Einen schönen Tag noch euch allen.
Liebe Grüße,
Eure Lary<3
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Afraid of you
Mystery / ThrillerKolumbien. Gefangen bei einem der einflussreichsten Männer des Landes. Und es gibt kein Entkommen. "Auch er sieht mir direkt in die Augen. Er verzieht keine Miene. Kalt, wie die Farbe seiner Augen. Hart, wie die Muskeln an seinem Körper...