"Manchmal ist dein Feind ehrlicher,
als dein Freund.
Denn er steht mit dem Messer vor dir
und nicht hinter dir."Am nächsten Morgen erwachte Chrystal davon, dass eine Eule sich neben ihrem Kopf auf einem der Bettpfosten niederließ. Es war nicht ihr Waldkauz, sondern eine ziemlich edle, graue, zugegeben hübsche Eule mit großen bernsteinfarbenen Augen, die Chrystal nie zuvor gesehen hatte. Sie war wohl durch das offene Fenster hineingeflogen. Das Mädchen warf einen Blick nach draußen. Es war noch dunkel und Ginny schien tief und fest zu schlafen. An das linke Bein der Eule war ein Brief gebunden. Chrystal löste ihn. Der Vogel flog durch das Fenster wieder davon und verschwand in der Dunkelheit. Er schien nicht zu erwarten eine Antwort zurückbringen zu müssen. Sie besah sich den Umschlag. Er war silbern und mit einem Siegel verschlossen. Sie konnte es im Dunkeln nicht genau erkennen, doch es schien das Wappen der Malfoys zu sein. Hatte Draco ihr geschrieben? Nein. Er hätte wohl kaum sein Familienwappen auf den Umschlag gedruckt. Er wusste schließlich, dass Chrystal nur Schwierigkeiten bekommen würde, wenn irgendjemand aus dem Orden von dieser Beziehung erfahren würde. Und überhaupt war sie ja jetzt Eliza Lane… Das wusste Draco zwar nicht, doch es war noch ein Grund mehr, um keinen Kontakt zu Draco Malfoy haben zu dürfen. Ihre Finger zitterten, als sie den Brief so leise wie möglich öffnete.
„Lumos“, murmelte sie und zog ein Papier hervor, dass mit einer ungewöhnlich spitzen Handschrift beschrieben war.
Sehr geehrte Ms Potter,mein Sohn Draco hat mir und auf seinen Wunsch hin auch dem dunklen Lord viel von ihnen erzählt. Der dunkle Lord weiß nun, wo sie sich aufhalten und wo Dumbledore sie die ganze Zeit versteckt gehalten hat. Er hat mich beauftragt ihnen dies zu schreiben. Er wünscht sich sie näher kennenzulernen und möchte, dass sie zum Malfoy Manor kommen und ein Gespräch mit ihm führen. Er meinte, dass er wichtige Informationen für sie habe und ich kann ihnen kaum empfehlen diese Bitte auszuschlagen. Ich habe bemerkt, wieviel Draco an ihnen liegt und kann ihnen deshalb nur ans Herz legen, dass sie dem dunklen Lord Folge leisten. Es bringt ihnen nichts zu fliehen. Er wird sie finden. Ich erwarte sie heute abend gegen sechs Uhr oben auf dem Hügel vor dem Fuchsbau der Weasleys. Ich denke Sie wissen, wo das ist. Kommen sie und ich werde mit ihnen zu unserem Landhaus apparieren. Es kann ihnen nichts passieren.
Mit freundlichen Grüße
Narzissa Malfoy
Chrystal ließ den Brief sinken. Voldemort wusste also schon alles. Wenigstens hatte Draco sein Versprechen eingehalten und sich nicht in Gefahr gebracht. Doch was nun? Chrystal war sich dessen bewusst gewesen, dass früher oder später so etwas Ähnliches kommen würde, doch sie hatte nicht ganz so bald damit gerechnet. Der dunkle Lord wollte sie also sprechen. Wieso? Um sie umzubringen? Um sie auszuquetschen? Um sie auf seine Seite zu ziehen? Sie wusste es nicht. Sollte sie hingehen? Sollte sie heute Abend auf den Hügel hinaufsteigen, um mit Dracos Mutter zum Malfoy Manor zu apparieren? Eigentlich sollte sie es nicht. Doch was, wenn der dunkle Lord Draco etwas antun würde, wenn sie nicht kam? Das wäre schrecklich. Das würde sie sich nie verzeihen können. Doch wieso sollte er das tun? Schließlich schien er nichts von der Beziehung zwischen ihr und ihm zu wissen. Aber die Todesser könnten hierherkommen. Zum Fuchsbau, um sie zu holen. Vielleicht würden sie dabei andere töten. Vielleicht würden die Weasleys dabei umkommen. Doch woher wusste Voldemort eigentlich, dass sie hier war? Sie hatte Draco doch absichtlich nichts davon erzählt. War die Wahl des Ortes Hügel vor dem Fuchsbau reiner Zufall gewesen? Vielleicht. Hoffentlich. Nein. Das konnte nicht sein. Sicherlich war das Haus auf Dumbledores Wunsch hin vom Ministerium mit einigen starken Schutzzaubern versehen worden. Und Voldemort hatte mit großer Wahrscheinlichkeit auch im Ministerium schon Spitzel, die ihm das mitteilen konnten. Sicherlich hatte er mindestens die starke Vermutung, dass sie hier war. Chrystal atmete einmal tief ein und aus. Dann faltete sie den Brief zusammen und steckte ihn zurück in den Umschlag. Sie verstaute ihn gerade ganz unten in ihrem Koffer, als sie bemerkte, wie Ginny sich bewegte.
„Eliza?“, murmelte das Mädchen und Chrystal brauchte eine Weile, bis sie realisiert hatte, dass sie gemeint war.
„Ja? Habe ich dich geweckt?“
„Allerdings. Wieso bist du schon wach?“
„Ich weiß nicht… Ich konnte einfach nicht mehr schlafen“, erwiderte sie. Schweigen trat ein und eine Weile sagte niemand mehr was.
„Ginny…“
„Ja?“
„Ich… Ach egal.“
„Nein. Definitiv nicht egal. Was ist los?“ Chrystal seufzte leise. Na da hatte sie sich ja mal wieder was Schönes eingebrockt.
„Stell dir mal vor du würdest einen Brief von einem Freund deines größten Feindes bekommen. Dieser Freund deines größten Feindes bittet dich darin darum ein Gespräch mit deinem größten Feind zu führen, da dieser es so wünscht…“ Ach was redete sie da überhaupt.
„Ja… Und?“
„Dieser Freund deines größten Feindes ist auch Freund deines besten Freundes und meint, dass es deinen besten Freund zerstören würde, wenn du nicht hingehen würdest und deshalb eventuell bestraft werden würdest. Außerdem hat dein größter Feind auch noch wichtige Informationen für dich. Du weißt aber, dass es gefährlich ist dorthinzugehen und du vielleicht nie mehr zurückkehren wirst. Würdest du hingehen?“ Sie sah zu Ginny hinüber, doch sie erkannte nur ihre Umrisse.
„Ich denke nicht. Erstens wieso sollte mir auch mein größter Feind wichtige Informationen geben wollen? Und zweitens wie soll er dich bestrafen, wenn er nicht weiß, wo du bist? Es wäre sicherlich nur eine Falle.“ Ginny hielt kurz inne. „Warum willst du das wissen?“, fragte sie dann misstrauisch. Chrystal zögerte kurz.
„Ach… Nur so. Ist nicht wichtig.“
„Ich glaube es ist wohl wichtig, aber du wirst es mir ohnehin nicht sagen, oder?“ Sie spürte den scharfen Blick der Gryffindor auf sich ruhen.
„Nein. Das werde ich wohl tatsächlich nicht“, seuzte sie und schwang sich aus ihrem Bett. Die Sonne ging jetzt langsam auf und sie musste ihre Zauber nochmal festigen. Außerdem hatte sie soeben eine Entscheidung getroffen. Sie würde heute abend nicht auf den Hügel hinaufgehen. Schließlich war eigentlich noch keiner in wirklich offensichtlicher Gefahr, wenn sie es nicht tat und sie hatte Draco versprochen, dass ihr nichts passieren würde. Naja. Sie hatte es ihm nicht direkt versprochen, doch sie hatte gesagt, dass sie es versuchen würde. Denn in dieser Hinsicht konnte sie ihm kein Versprechen geben. Sie versprach ungern Dinge, die sie nicht mit Sicherheit halten konnte. Und überhaupt… Einfach so zu Voldemort zu spazieren… Das war wohl der beste Weg, um gleich Selbstmord zu begehen. Sie schloss sich im Bad ein und begann mit den Zaubern. Heute würde sie hierbleiben. Sie würde abwarten, was geschehen würde und sich dann weiter Gedanken darübermachen. Jetzt hieß es erstmal sich wieder richtig in die Rolle von Eliza Lane einzufinden. Denn das war ihr bisher noch nicht so ganz gelungen.
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Bild: Narzissas silberner Brief
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Chrystals Story (Wenn nur noch Liebe zählt...) (DM/OC) (Harry Potter FF)
FanfictionDie Prophezeiung über Chrystal Lily Potter, Harrys jüngere Schwester besagt Schreckliches und Albus Dumbledore will verhindern, dass sie sich bewahrheitet, indem er versucht das Mädchen von Harry und Voldemort fern zu halten. Doch eine Prophezeiung...