Despair

101 4 0
                                    

"The story of my life I give her hope
I spend her love until she's broke inside
The story of my life (the story of, the story of)"
Story of my life, One Direction

Sie spürte, dass sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Es war fester Untergrund. Eine Straße. Vielleicht ein Gehweg. Sie war alleine. Wenn sie mit Dumbledore Erinnerungen angesehen hatte, so war er immer mit ihr gekommen, doch Voldemort schien das nicht wirklich für nötig zu halten. Es war zwar Tag, doch es herrschte eine düstere Stimmung in dieser Stadt. Nur wenige Menschen trieben sich hier draußen herum, am Himmel hingen düstere Wolken und es sah aus, als wenn es gleich zu regnen beginnen würde. Chrystal sah eine noch recht junge rothaarige Frau auf sich zukommen. Das musste ihre Mutter sein. Lily Potter. Sie sah ziemlich fertig aus. Warum? Sie wusste es nicht. Als sie ganz dicht an ihr vorbeilief sah sie die Tränen, die ihr Gesicht hinabrannen. Chrystal hätte sie gerne angesprochen, ihr Mut und Trost zugesprochen, doch sie wusste, dass ihre Mutter sie in der Erinnerung ohnehin nicht sehen konnte, denn zu dieser Zeit existierte sie eben nun mal noch nicht. Zu dieser Zeit war sie noch nicht Teil dieser Welt gewesen. Deshalb folgte sie ihr nur. Aus einer Seitenstraße kam ein Mann hervorgetreten. Er war wohl etwas älter, als ihre Mutter und das erste, was Chrystal auffiel war der ausgezehrte, gestresste Ausdruck in seinem sonst hübschen, ebenmäßigen Gesicht. Er war blass, das Haar und die Augen dunkel. Die Augen. Chrystal konnte nur einen kurzen Blick auf sie werfen, doch in ihnen schien ein wahnsinniger Ausdruck zu liegen. Und in dem Moment wusste sie, wer das war. Tom Vorlost Riddle. Er zog sich seine Kapuze tiefer ins Gesicht und folgte Lily. Die Frau schien es eilig zu haben, denn sie lief hastig durch die Gassen und warf immer wieder nervöse Blicke über ihre Schulter. Es war beinahe ein Wunder, dass sie Voldemort nicht erkannte und wegrannte. An einen sicheren Ort. Doch schon bald stellte sich heraus, dass Lily kein wirkliches Ziel hatte, denn sie passierten dieselbe Stelle nun schon zum dritten Mal. Es schien, als wenn sie einfach nur verzweifelt umherirrte. Auf der Suche nach Heil. Nach Trost. Voldemort folgte ihr die ganze Zeit über und holte sie schließlich an einer Ampel ein. Er legte seine bleiche, knochige Hand auf ihre Schulter und sie fuhr erschrocken herum.                 
„Was willst du?“, fragte sie scharf und Chrystal war sich nicht sicher, ob sie erkannte, wer er war und was seine Absichten sein könnten.         
„Ich möchte dir helfen.“   
„Wieso solltest ausgerechnet DU mir helfen wollen“, fauchte sie unter weiteren Schluchzern. Sie schien ihn also erkannt zu haben und doch begann sie weder zu kämpfen, noch floh sie.                                       
„Wieso sollte ich dir nicht helfen wollen?“                                   
„Weil ich muggelstämmig bin.“ Sie klang verbittert.                       
„Ich verstehe, dass du am Boden zerstört bist. Jeder wäre das in deiner Situation.“ Die Frau wandte den Blick zu Boden.                                   
„Was weißt du schon davon? Was weißt du schon davon, wie es ist, wenn man dir einige Monate nach der Geburt deines Kindes erzählt, dass es Zwillinge hätten werden können, aber nur eines überleben konnte. Was weißt du schon davon, wie es ist, wenn Menschen dir sagen, du hättest dich für den Jungen entschieden, du dich aber nicht mehr daran erinnern kannst, wie du es überhaupt über dich gebracht hast eine solche Entscheidung zu fällen. Sie haben mir einen Teil meiner Erinnerung genommen. Damit ich mir nicht den Kopf darüber zerbreche haben sie gesagt. Na und? Dann hätte ich mir halt damals den Kopf darüber zerbrochen. Jetzt muss ich es sowieso tun. Es war alles meine Schuld. Sie haben das Mädchen umgebracht.“ Lily sah ihm in die dunklen Augen. „Ach wieso erzähle ich dir das überhaupt? Eigentlich sollte ich mich jetzt verteidigen. Versuchen dich zu töten. Aber ich muss sagen, dass ich momentan eher mit dem Gedanken spiele dasselbe mit mir zu tun.“ Chrystal sah ein abgedrehtes Lächeln über die Lippen ihrer Mutter huschen, das sofort wieder unsäglicher Traurigkeit und Verzweiflung wich. Sie war nicht mehr ganz bei Sinnen. Sie war nicht mehr sie selbst.                         
„Nichts davon ist deine Schuld. Du hast es nicht verhindern können.“ 
„Natürlich ist es meine Schuld. Ich hätte es verhindern können. Die… die dritte Option wäre gewesen mich sterben zu lassen. Ich wäre gestorben. Ich bin mir sicher, dass ich gestorben wäre. Für meine Kinder hätte ich alles getan. Doch ich kann mich nicht erinnern, was mich geritten hat es nicht zu tun. Der arme Harry hat so eine unfähige Mutter nicht verdient. Eine, die die Schuld dafür trägt, dass seine Schwester nicht leben darf.“ Voldemort legte Lily eine Hand auf die Schulter und Chrystal hoffte inständig sie würde ihn einfach abschütteln. 
„Aber Lily. Ich kann dir helfen. Ich besitze die Macht den Tod zu besiegen. Du willst sie doch zurück. Deine Tochter. Also lass uns sie zurückholen.“ Er nahm ihre Hand und sie disapparierten augenblicklich. Chrystal verschwand, ohne etwas dafür tun zu müssen, mit ihnen. Sie kamen vor einem ziemlich großen Anwesen wieder raus. Es war dem Malfoy Manor ziemlich ähnlich, jedoch noch um einiges prunkvoller, größer und vor allem düsterer. Sie traten durch das schwarze, eiserne Eingangstor und betraten dann den riesigen Park. Hier lebte also Lord Voldemort. Nicht der größte, aber in jedem Fall der dunkelste Zauberer dieser Zeit. Lily schien schwach. Sie war nur noch ein langsam verblassender Schatten ihrer selbst. All ihre Kräfte schienen ihrem Körper entschwunden zu sein. Voldemort führte sie mit sich. Er schien, wenn das überhaupt möglich war, beinahe sanft und zärtlich mit ihr umzugehen. Sie traten in das große, finstere Gebäude und stiegen die Treppenstufen nach oben. Voldemort stieß die quietschende Tür eines Zimmers auf und sie traten ein. Er nahm ihr ihren Mantel ab und hängte ihn auf.                                     
„Willst du deine Tochter zurück?“, fragte er.                                   
„Ja. Mehr als alles andere auf dieser Welt“, erwiderte Lily schwächlich. 
„Gut. Dann lass jetzt alles, was ich mache zu und sie wird bald wieder bei dir sein.“ Ein Lächeln huschte über seine Lippen. Dann nahm er ihr Gesicht zwischen seine Hände und begann sie zu küssen. Erst vosichtig und dann immer heftiger und verlangender. Sie ließ alles geschehen. Sie ließ alles zu. War wie eine Puppe, die sich langsam immer weiter entkleiden ließ. Chrystal wandte verstört den Blick ab. Sie hatte genug gesehen. Sie wollte weg von hier. Weg von dieser Szene, die sich dort vor ihren Augen abspielte. Weg von diesem Ort. Weg von Voldemort und ihrer wehrlosen Mutter. Sie wollte nach Hause und da fiel ihr ein, dass sie je gar kein zu Hause mehr hatte. Also riss sie einfach die Tür hinter sich auf und rannte los nach draußen. Durch das offenstehende Tor hindurch auf die freie Ebene, die dahinterlag. Einfach immer immer weiter. Nur weg von ihren Eltern. Weg, weg, weg… Irgendwann stolperte sie, stürzte, doch es kam kein Boden. Sie fiel weiter und weiter in eine unendliche Tiefe, bis sich alles zu drehen begann und ihr schwarz vor Augen wurde.
Als sie die Augen ruckartig wieder aufschlug fand sie sich auf dem Boden des Raumes wieder, in dem Voldemort sie zu ihrem Treffen erwartet hatte. Sie war froh wieder in der Realität zu sein. So beängstigend diese auch sein mochte. Das, was sie gerade gesehen hatte war schlimmer gewesen. Sie richtete sich auf und bemerkte erst jetzt, dass sie weinte. Ihr ganzes Gesicht war tränenüberströmt und ihr Herz klopfte noch immer viel, viel zu schnell.                                                 
„Du hast es also gesehen“, kam eine kalte Stimme vom anderen Ende des Raumes. „Sie wollte es. Und ich muss sagen, dass ich sie eigentlich nicht weiter betrogen habe. Ich war selbstverständlich nicht fähig die Seele ihrer verstorbenen Tochter gänzlich zurückzuholen. Niemand ist fähig zu so etwas. Doch ich habe ihr eine Tochter geschenkt und ob es nun die Seele der verstorbenen war oder nicht, das konnte sie ja nicht wissen. Ich wusste, dass sie gut auf dich achtgeben würde. Ich wusste, dass meine Erbin in den Händen einer Muggel Frau am sichersten war. Doch sie hat begonnen zu behaupten ich hätte sie vergewaltigt. Das war eine verdammte Lüge. Ich habe ihr lediglich das gegeben, wonach sie sich sehnte. Dann kam die Prophezeiung über den Jungen, der eine Waffe hat, die ich nicht kenne und ich habe mich umentschieden. Es hat mich gestört dich bei ihr zu sehen. Ich hatte Angst, dass sie auch dir Lügen über mich erzählen würde. Und so entschloss ich mich Harry zu töten und dich zu holen. Dumbledore hat immer versucht die Lüge zu verbreiten, dass Lily dich hat abtreiben lassen, damit ich denke, dass du nicht mehr leben würdest, doch ich habe gespürt, dass du gelebt hast. Nachdem ich einmal gefallen bin und wieder zurückkehrte habe ich lange nach dir gesucht und irgendwann kam dann Wurmschwanz zu mir. Er erzählte mir von deiner Prophezeiung und verriet mir den Ort in Deutschland, wo du dich vermutlich aufhältst.“ Ein Hauch von Verbitterung hatte sich wieder in seine kalte Stimme eingeschlichen. „Ich habe den jungen Crouch damals dorthin geschickt, um dich zu holen, doch er hat versagt. Alles Weitere weißt du ja selbst.“
„Du sagtest sie wollte es.“ Ihre Stimme klang eiskalt. „Aber das ist eine Lüge. Sie wollte es nie. Sie hat es vermutlich ihr Leben lang bereut. In diesem Moment war sie einzig und allein zu schwach, um sich zu wehren. Du kannst doch nicht allen ernstens glauben Lily Potter hätte ein Kind von einem wie dir gewollt. Du hast keine Ahnung von sowas. Du hast keine Ahnung davon, dass man sich Liebe weder erzwingen noch erkaufen kann.“ Sie spuckte ihm die Worte gerade so vor die Füße, als wenn er etwas Abscheuliches wäre und es fiel ihr dabei gar nicht auf, dass sie anfing ihn zu duzen und keine Angst oder Ehrfurcht mehr vor ihm hatte. Sie hasste ihn einfach nur. Hasste diesen Menschen. Er war noch nicht einmal mehr ein Mensch. Er war weniger als ein Tier. Gefühlskalt. Wie eine Maschine. Und dann geschah etwas Erstaunliches. Sie hätte alles erwartet. Lachen, Geschrei, Folter, den Tod. Doch das, was Voldemort jetzt tat, ließ ihn mit einem Mal tatsächlich auf eine ganz geringe Art und Weise menschlich wirken. Sie hätte sich nie gewagt vorzustellen, dass das überhaupt möglich war. Er trat einen Schritt zurück und sah sie fassungslos an. Dann starrte er auf seien Hände. Ließ seinen Blick an seinem Körper hinabwandern und als er wieder aufblickte war sein Gesicht weniger schlangenartig, seine Augen nicht mehr rot, sondern dunkelbraun. Ob ihm auch Haare gewachsen waren konnte sie aufgrund von der Kapuze nicht erkennen. All das geschah innerhalb von Sekundenbruchteilen, bevor der dunkle Lord sich abwandte und aus der Tür hinaus nach draußen stürmte. Es war das erste, letzte und einzige Mal, dass Chrystal ihn so sah. Sie wusste schon in dem Moment, dass sie das hier niemals jemandem erzählen konnte. Erstens würde es ihr sowieso niemand glauben und zweitens war das eine Sache zwischen ihr und Voldemort. Es ging niemanden wirklich etwas an. Wenn sie daran dachte, dann fühlte es sich so unrealistisch und wie in einem Traum an, doch tief in sich drinnen wusste sie immer, dass es wahr gewesen war.

Bild: Lily Potter

Chrystals Story (Wenn nur noch Liebe zählt...) (DM/OC) (Harry Potter FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt