Lost in confusion

79 1 0
                                    

I'm faded
I'm faded
So lost, I'm faded
I'm faded
So lost, I'm faded"
Faded, Alan Walker

Das Malfoy Manor lag vor ihnen. Kalt, einsam und bedrohlich, wie eh und je. Chrystal spürte die Tränen auf ihren Wangen kaum. Sie war wie betäubt. Sie wollte nicht mehr. Sie konnte nicht mehr. Nein. Sie ließ seine Hand los und ließ sich auf den grasbewachsenen Boden zu ihren Füßen sinken. Es war alles zu spät. Alles vorbei. Verloren. Sie fuhr mit ihrer Hand durch die vom nächtlichen Tau nassen Grashalme und riss ein Büschel von ihnen aus, um ihn gleich darauf wieder fallen zu lassen und mit der flachen Hand frustriert auf den Erdboden zu schlagen. Sie spürte, wie Draco seine Arme unter ihren Rücken schob und sie hochhob. Gerne hätte sie sich gewehrt. Gerne hätte sie um sich geschlagen und gebissen, wie ein Kind, das nicht zu Bett gehen möchte, doch sie hatte keine Kraft dazu. Sie hatte alle Kraft verloren. Sie ließ die Tränen weiter fließen und ließ sich von ihm in Richtung des Hauses tragen. Durch die Tür. Nach oben auf ihr Zimmer, wo er sie in ihr Bett legte. Er zog ihr die Schuhe aus und deckte sie sanft zu. Sie hätte gerne etwas gesagt. Irgendetwas. Danke oder so... Aber sie fühlte sich nicht in der Lage dazu. Sie hatte die Augen geschlossen. Weinen konnte sie inzwischen schon nicht mehr. Vermutlich hatte sie schon all die Flüssigkeit, die sie jemals in sich gehabt hatte allein durch die Tränen dieser Nacht verloren. Sie fühlte sich ausgetrocknet und leer. Sie spürte, wie Draco ihr zärtlich die Stirn küsste und überwand sich sogar noch einmal dazu die Augen zu öffnen. Doch ihr Blick war leer und glich dem einer Toten. Auch er sah fertig aus. Er war blass und er hatte tiefe Ringe unter den leicht geröteten Augen. Hatte auch er geweint? Sie wusste es nicht. Es war auch für ihn nicht leicht gewesen. Und trotzdem brachte er sie jetzt zu Bett. Trotzdem war er jetzt für sie da. Trotzdem war er stark für sie. Vielleicht war das unfair, doch das war ihr in dem Moment gleichgültig. Sie schloss ihre Augen wieder. Sie konnte ihn nicht länger ansehen. Sie konnte ihn nicht länger leiden sehen. Heute hatte sie schon genug vom Leid dieser zerstörten, falschen Welt mitbekommen. Mehr konnte sie nicht ertragen. Sie hörte, wie er aufstand und das Zimmer verließ. Er schloss die Tür leise, doch trotzdem zuckte sie bei dem Geräusch, das sie verursachte, als sie ins Schloss fiel erschrocken zusammen. Es war wie ein Stromschlag, der sie ruckartig durchlief. Chrystal lag noch lange wach. Doch sie dachte nicht nach. Irgendwie dachte sie schon nach, doch eher in ihrem Unterbewusstsein. Ihr richtiges Bewusstsein war still und teilnahmslos geworden. Es wollte nicht schlafen und hatte auch weder Hunger noch Durst. Lange lag sie einfach so da. Wie erstarrt. Die Augen geöffnet und leer auf die Decke des Himmelbetts über sich gerichtet. Die Lippen fest zusammengepresst und die Hände steif rechts und links neben ihrem Körper. Irgendwann am Frühen morgen schlief sie schließlich genauso ein.
Sie musste ihm folgen. Sie musste Harry folgen. Das war also ihre Bestimmung. Sie war nicht geschockt. Irgendwie hatte sie das erwartet. Sie hatte erwartet, dass sie soetwas tun musste. Doch konnte sie das? Sie sah Harry gerade in den dunklen Wald vor sich verschwinden. Konnte sie all die zurücklassen, die sie kannte und die sie wirklich liebte, nur um ihrem Bruder zu folgen? Ihrem Bruder, den sie weder kannte noch, so leid es ihr tat, bewusst liebte? Machte es überhaupt Sinn so etwas zu tun, wenn man die Person, für die man es tut nicht wahrhaftig liebt? Hatte Dumbledore...
Sie öffnete schwer atmend und von Schweiß überströmt die Augen. Bei Dumbledore konnte sie nicht weiter. Dumbledore war momentan ein Tabuthema für ihr Gehirn. Es tat zu sehr weh darüber nachzudenken. Sie fühlte sich leer, als sie sich mit der Hand über die nasse Stirn wischte und sich die verklebten Haare aus dem Gesicht wischte. Hatte sie gerade geträumt oder war das mal wieder eine Vision gewesen? Sie wusste es nicht und eigentlich war es ihr auch ziemlich egal. Sie interessierte sich nicht mehr für ihr Leben. Sie hatte abgeschaltet. Sie wollte und konnte einfach nicht mehr. Nicht nach all dem, was passiert war. Nach all dem, was das Leben ihr angetan hatte. Was die Welt ihr angetan hatte. Was das Schicksal ihr angetan hatte. Was Voldemort ihr angetan hatte. Was Dumbledore... Nein. Sie wollte ihn nicht verurteilen. Sie wollte nicht an ihn denken. Sie blieb einfach in ihrem Bett liegen. Sie wollte sich nicht mit anderen Menschen unterhalten. Sie wollte alleine sein und ihre Ruhe haben.
Doch das war ihr wohl nicht vergönnt. Sie zuckte zusammen, als ein Hauself mit einem lauten Knall apparierte.
„Der dunkle Lord möchte die Herrin im Salon sprechen", meinte er.
„Danke", murmelte sie. Der Hauself verbeugte sich und verschwand wieder. Sie richtete sich auf und zog sich um. Sie handelte wie eine Maschine. Heute hätte man ihr sagen können, sie solle sich von einem Dach stürzen. Sie hätte es getan. Vielleicht sogar mit Dankbarkeit dafür, dass ihr jemand diese Entscheidung sich aus dem Leben zu verabschieden abgenommen hatte. Sie trat ins Bad und blickte in den Spiegel. An einem anderen Tag zu einer besseren Zeit hätte sie sich vielleicht erschrocken, doch jetzt konnte sie nichts mehr schocken. Sie war bleich wie ein Gespenst und hatte tiefe, dunkle Ringe unter ihren verheulten Augen, die sie ein bisschen wie ein Vampir aussehen ließen. Sie band sich ihre verschwitzten Haare zu einem Dutt nach oben und spritzte sich kurz ein wenig Wasser ins Gesicht. Nicht um besser auszusehen, denn das war ihr vor Voldemort ziemlich egal. Sollte er doch sehen, wie sie litt. Früher hätte sie das nicht gewollt. Früher hatte es ihr etwas bedeutet vor ihm stark zu wirken. Doch jetzt... Sondern um einen etwas klareren Gedankengang zu bekommen und einen mehr oder weniger im wahrsten Sinne des Wortes kühlen Kopf zu bewahren. Teilnahmslos lief sie die Treppen hinab und öffnete die Tür zum Salon. Voldemort war bereits anwesend. Sie warf sich unterwürfig auf die Knie ohne auch nur darüber nachzudenken es nicht zu tun.
„Erhebe dich", drang seine Stimme von weit, weit weg an ihr Ohr. Sie tat, wie ihr geheißen.
„Ihr habt mich gerufen, Mylord." Es klang falsch ihn so zu nennen, doch sie konnte nicht anders. Sie hatte keine Kraft sich gegen irgendwen aufzulehnen und vielleicht war das in dem Moment auch besser so.
„Ja. Das habe ich. Ich denke ich muss dir nicht verschweigen, dass ich nicht gedacht habe, dass ihr diesen Auftrag ohne große Hilfe ausführen könnt, doch ich habe mich wohl getäuscht. Ihr habt eure Aufgabe beinahe gut gemeistert." Sie nickte nur. Den Blick starr zu Boden gerichtet, um ihm nicht in die schrecklich roten Augen sehen zu müssen. „Ihr werdet dieses Schuljahr nicht mehr nach Hogwarts zurückkehren und nächstes Jahr wird dann schon alles anders aussehen." Er lachte. „In einer Woche werde ich ein Treffen einberufen, in dem du in den Rang einer Todesserin erhoben werden wirst." Sie nickte wieder. Sie spürte den kalten Blick des dunklen Lords auf sich ruhen. „Ich denke das ist alles. Du hast die Sommerferien über keine Erlaubnis das Gelände des Malfoy Manors zu verlassen. Außer, wenn ich dir eine ausdrückliche Erlaubnis geben sollte. Geh jetzt wieder." Sie verbeugte sich noch einmal leicht und verschwand dann in Richtung der Tür.
Sie legte sich wieder in ihr Bett. Ihr Kopf schmerzte und sie wurde von starkem Schüttelfrost geplagt. Auf dem Weg nach oben war sie Narzissa begegnet. Sie hatte sie gefragt, ob sie etwas zu essen haben wolle, doch sie hatte dankend abgelehnt. Sie hatte weder Hunger noch Durst.
Sie wusste nicht, wie lange sie schon gelegen hatte und an die Decke gestarrt hatte, als die Tür sich öffnete und jemand den Raum betrat. Es interessierte sie nicht wer es war. Sie wollte mit niemandem sprechen. Stur blickte sie weiter an die Decke.
„Chrys?" Es klang vorsichtig und leise. „Chrystal?" Es war Dracos Stimme eindeutig. Sie spürte, wie er sich auf ihre Bettkante setzte und ihr zärtlich mit einer Hand die Haare aus der Stirn strich, die sich aus ihrem Dutt gelöst zu haben schienen. Sie sah ihn an. Er war noch immer blass und sah kränklich aus, doch das war nichts im Gegensatz zu ihrer aktuellen Verfassung. „Du bist eiskalt", meinte er. Ja. So fühlte sie sich auch. Eiskalt. „Willst du was essen? Oder trinken?" Er sah sie an und sie schüttelte leicht den Kopf.
„Nein. Ich brauche nichts", meinte sie nur.
„Sicher?"
„Ja."
„Wie du meinst. Wenn du doch noch irgendetwas brauchst... Dann ruf einfach einen Hauselfen." Er nahm ihre Hand und drückte sie kurz. Sie nickte. Dann erhob er sich wieder. Kurz vor der Tür blieb er noch einmal stehen. „Und Chrys... Wenn du reden willst. Ich bin für dich da." Mit diesen abschließenden Worten verließ er den Raum.

Die nächsten zwei Tage verstrichen. Chrystal begann sich ein wenig von ihrem Schock zu erholen und auf Anweisung Narzissas aß und trank sie sogar wieder ein wenig, auch wenn sie danach oft alles wieder von sich geben musste. Trotzdem war sie noch schwach und hatte sich bisher nicht fähig gefühlt ihr Zimmer oder geschweige denn das Haus zu verlassen. Voldemort hatte sie nicht mehr gerufen und auch sonst hatte sie zu niemandem außer Draco und seiner Mutter Kontakt gehabt. Sie hatte im Tagespropheten gelesen, dass morgen die Beerdigung Dumbledores in Hogwarts stattfinden würde. Er würde auf dem Schulgelände zur Ruhe gelegt werden. Genau das hätte er sich mit Sicherheit gewünscht. Sie spürte, wie ihre Augen sich bei den Gedanken an den alten Mann wieder mit Tränen füllten. Sie würde der Beerdigung beiwohnen. Voldemort hatte ihr eine Ausgangssperre für die Sommerferien gegeben, doch noch waren keine Sommerferien und von ihm würde sie sich sowieso nichts sagen lassen. Es war, als wenn ein Teil ihres Kampfgeistes zurückgekehrt wäre. Ein ganz kleiner nur, doch immerhin etwas. Immerhin besser, als gar nichts.

Pic: Chrys' mental breakdown

Chrystals Story (Wenn nur noch Liebe zählt...) (DM/OC) (Harry Potter FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt