I already know

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"Frech?
Ich nenne das verbal überlegen."

Chrystal ließ ihre Schultasche an ihrem Platz stehen und machte sich mit ruhigem, festem Schritt auf den Weg nach vorne zum Lehrerpult, wo Snape stand und irgendwelche Blätter sortierte. Zumindest sah es so aus. Er hob seinen Blick, als er sie kommen hörte. Gerade verließ der letzte Schüler den Raum und die Tür fiel hinter ihm ins Schloss. Der Lehrer zog seinen Zauberstab hervor und verschloss die Tür magisch. Okay… Sollte sie sich jetzt irgendwie eingesperrt fühlen? Und was wollte er überhaupt?                                 
„Ms Potter. Ich habe von ihrer Entscheidung gehört.“ Sie musterte ihn prüfend. Er hatte sie in den Ferien irgendwann mal angefangen zu duzen, doch in der Schule schien er das wohl für unangemessen zu halten.                                               
„Ach ja?“ Chrystal hob eine Augenbraue.                                 
„Sie sollten wissen, dass ich bereits mit Dumbledore darüber gesprochen habe.“ Aha… „Und Sie sollten ebenfalls wissen, dass Dumbledore ihre Freundschaft zu Ms Weasley durchaus billigt.“ Was sollte das jetzt heißen? Dumbledore hatte keine ihrer Entscheidungen mehr zu billigen oder nicht zu billigen. Ihre Wege hatten sich getrennt. Sie konnte jetzt ihre eigenen Beschlüsse treffen, oder nicht? „Doch Sie sollten wissen, dass keiner der anderen Todesser, geschweige denn der dunkle Lord persönlich von ihrer Freundschaft erfahren sollte. Er würde sie mit Sicherheit nicht für gut befinden und außerdem könnte er Sie so erpressen. Und das wollen Sie ja wohl nicht oder?“ Er musterte sie forschend und Chrystal hielt seinem Blick stand.
„Was denken Sie, über was Ginny und ich uns soeben unterhalten haben, Sir?“ Snape sah sie scheinbar amüsiert an.                                 
„Nun denn Ms Potter. Sie wissen von Dumbledores Erkrankung, die durch einen Fluch hervorgerufen wurde?“ Sie musterte ihn gleichgültig. „Er wird wohl nicht mehr länger, als bis zum Ende des Schuljahres zu leben haben. Also überstürzt nichts. Ich habe außerdem vom dunklen Lord gesagt bekommen, dass er dich und Draco heute abend um sechs Uhr im Malfoy Manor erwartet, wobei ich vermute, dass Draco dich darüber bereits informiert hat.“ Sie nickte nur. Jetzt war er wieder beim Du. Verwirrend. „Ich soll dir nur noch einmal gut zureden, dass es sehr wichtig ist und dass der dunkle Lord sonst Draco dafür bezahlen lassen wird.“ Snape schürzte die Lippen und Chrystal verdrehte die Augen. Dachte der dunkle Lord… Verdammt. Dachte Voldemort wirklich, dass sie nicht kommen würde? Dass sie solche Angst vor ihm hatte? Wenn ja dann lag er wohl ziemlich falsch.                     
„Ich habe mich bereits dazu entschlossen heute abend dorthin zu gehen, wie ihr euch vielleicht denken könnt. Sie können dem dunklen Lord ausrichten, dass ich auch ohne diese sämtlichen Drohungen gekommen wäre.“ Sie machte eine kurze Pause und als Snape nichts sagte beschloss sie ihm noch eine letzte Frage zu stellen, die ihr schon die ganze Zeit über auf der Zunge gebrannt hatte. „Was denken Sie will der dunkle Lord von mir, Sir?“                               
„Wenn ich ehrlich bin, dann weiß ich es nicht sicher. Er hat nicht mit mir darüber geredet. Doch ich kann Ihnen nur eines empfehlen, Ms Potter.“ Jetzt siezte er sie wieder. „Fügen Sie sich ihm. Dann sind Sie auf der sicheren Seite und er wird Ihnen mit ziemlich guten Chancen nichts tun. Sie haben sich letztes Mal wohl ihm gegenüber recht frech verhalten. Er duldet so etwas normalerweise nicht. Daran werden Sie sich gewöhnen müssen.“ Snape sah sie ernst an.                   
„Sir. Ich erinnere mich gut an den Tag, an dem ich schon einmal bei ihm war. Ich war keineswegs frech. Ich habe nur meine Meinung gesagt. Wenn ich jetzt so daran zurückdenke… Dann war ich wohl ziemlich unvorsichtig. Doch ich bereue es nicht und er hat mir ja auch nichts getan. Er hätte mich foltern oder töten können, doch er hat nichts getan. Wieso, Sir?“ Tief in ihrem Inneren wusste sie warum. Weil sie seine Tochter war. Seine verdammte Tochter. Doch überraschenderweise hatte Snape auch eine Erklärung, die ihm wohl ziemlich plausibel zu sein schien.                                               
„Das liegt, denke ich, an deiner Prophezeiung, Chrystal und ich würde mich nicht darauf verlassen, dass der dunkle Lord das nicht nachholt. Er ist äußerst nachtragend.“ Jetzt war er wieder beim Du. Das war ja echt total verwirrend.           
„Sir…“, begann sie zögerlich. „Wissen Sie… Nun ja hatte der dunkle Lord jemals ein Kind?“ Okay… Hoffentlich hörte sich das jetzt nicht zu offensichtlich an.                         
„Nicht, dass ich wüsste. Es gibt Gerüchte. Zu viele, um sie dir alle aufzuzählen. Doch Gerüchte sind und bleiben Gerüchte und ich persönlich schenke ihnen nicht viel Glauben.“ Chrystal sah zu Boden. Also entweder er tat nur so oder er wusste nichts davon, dass sie Voldemorts Tochter war. Vielleicht war sie aber auch gar nicht Voldemorts Tochter… Hoffentlich. Aber es war unwahrscheinlich. Nein. Es war beinahe unmöglich. Nicht nach allem, was sie gehört hatte. Sie sprach Parsel und war sozusagen hochbegabt auch, wenn sie das niemals von sich selbst sagen würde. Naja… Harry sprach auch Parsel. Aber erstens war er nicht hochbegabt und zweitens hatte der die Narbe.                                       
„Sir… Darf ich jetzt gehen? Der Unterricht beginnt in zwei Minuten.“ Sie sah zu dem blassen Mann mit den fettigen schwarzen Haaren auf.     
„Ja. Ich denke wir sind fertig Ms Potter.“ Sie nickte ihm noch einmal kurz zu und verschwand dann mit ihren Sachen durch die Tür nach draußen. Okay… Irgendwie war das Gespräch sinnlos gewesen. Sie hatte ohnehin schon fast alles gewusst.
Mit schnellen Schritten machte sie sich auf den Weg nach draußen zu Kräuterkunde in die Gewächshäuser. Professor Sprout bedachte sie kurz mit einem tadelnden Blick, bevor sie mit dem Unterricht begann. Sie hatten Kräuterkunde und dann, nach dem Mittagessen, auch Zauberkunst zusammen mit den Ravenclaws. Als der Unterricht nach einer halben Ewigkeit endlich zu Ende war brachte Chrystal schnell ihr Schulzeug, das sie für die Hausaufgaben nicht unbedingt brauchte, auf ihr Zimmer und lief dann die Treppen nach oben zum Gryffindorturm. Sie hatte den Gemeinschaftsraum ehrlich gesagt bisher noch nie betreten. Aber vermutlich hatte ihn ohnehin noch nie irgendeine Slytherin betreten.
Als sie gerade angekommen war trat Ginny durch ein Portrait nach draußen, um sie einzulassen.       
„Das Passwort darf ich dir nicht sagen, aber komm einfach mit rein.“ Chrystal folgte Ginny. Der Raum war gemütlich. Wie der der Slytherins mit Kaminfeuern ausgestattet aber trotzdem irgendwie häuslicher. Gemütlicher eben. Naja. Die Slytherins mussten ja auch im Kerker wohnen. Was sollte man da schon groß erwarten? Einige Gryffindors musterten sie etwas misstrauisch. Irgendwie fühlte sie sich beobachtet. Ginny setzte sich auf ein Sofa und Chrystal ließ sich neben ihr nieder. Dann packten die beiden ihr Pergament und ihre Federn aus und begannen einen Aufsatz für Verteidigung gegen die dunklen Künste zu schreiben, als ihr etwas einfiel, was sie Ginny dringend noch sagen musste.                           
„Ich denke, du hast Dumbledores Hand beim ersten Festessen in diesem Jahr gesehen“, meinte sie leise und Ginny nickte.                               
„Ja. Was ist damit?“                     
„Es ist sehr wichtig, dass du das niemandem sagst. Ich dachte, das solltest du noch wissen. Es ist wohl ein Fluch gewesen, der das verursacht hat. Dumbledore hat nicht mehr länger, als bis zum Ende des Schuljahres zu leben. Das ist einer der Gründe, weshalb er all das von mir wollte.“ Ginny sah sie ungläubig an. „Ginny. Ich will, dass du weißt, dass du, falls du mir all das nicht glauben kannst, auch nicht musst. Es hört sich nicht ganz…“ Ginny schüttelte den Kopf.                                                     
„Es hört sich ganz nach Dumbledore an. Das kannst du mir glauben.“ Chrystal schüttelte grinsend den Kopf.                                               
„Gut. Dann lass uns jetzt mit Verteidigung gegen die dunklen Künste anfangen.“                         
Das war das Schwierigste und deshalb hatten sie beschlossen damit beginnen. Danach mussten beide noch etwas für Verwandlung üben, Ginny musste noch einen Aufsatz für Geschichte der Zauberei schreiben und Chrystal musste noch die Beschreibung eines Zaubers für Zauberkunst zu Papier bringen. Das würde dauern.
Sie waren gerade fertig, als Ron den Gemeinschaftsraum betrat und ein ziemlich dummes Gesicht machte, als er Chrystal erblickte. Spöttisch grinste sie ihn an. Ron sah zwischen ihr und seiner Schwester hin und her und schien nicht so richtig zu wissen, was er jetzt davon halten sollte. Eine Gryffindor lässt eine Slytherin in den Gemeinschaftsraum. Und dann auch noch Draco Malfoys Freundin. Das musste dezent komisch auf ihn wirken.
„Ginny Weasley. Was hat das hier zu bedeuten?“ Er deutete auf Chrystal.
„Sie ist meine Freundin. Ein Problem damit?“, fauchte Ginny ihren Bruder an und schien nicht besonders gut auf ihn zu sprechen zu sein.                 
„Ja“, zischte der zurück.               
„Und das wäre?“ Ginny sah ihn herausfordernd an.               
„Sie ist mit Malfoy zusammen und sie ist in Slytherin. Das ist mein Problem.“                                       
„Na und? Sie ist meine Freundin und nicht deine. Und ich habe kein Problem damit. Also? Lass mich doch einfach befreundet sein mit wem ich will, okay?“ Ihre Stimme war zum Ende hin immer aufgebrachter und lauter geworden und so ziemlich alle Schüler in diesem Raum starrten sie jetzt an, wenn sie es nicht zuvor schon getan hatten.                 
„Ist ja gut Schwesterherz.“ Ron hob abwehrend die Hände. Hermine stand jetzt hinter ihm und musterte Chrystal ebenfalls misstrauisch. Doch sie war nicht gleich so abweisend wie Ron.             
„Hey“, sagte sie nur und Ron, der ihr Kommen scheinbar nicht bemerkt hatte schnellte erschrocken herum. Chrystal konnte sich nur mit Mühe ein lautes Auflachen verkneifen. Das hatte gerade einfach zu lustig ausgesehen.                                   
„Hey“, erwiderte sie und Hermine setzte sich ihnen gegenüber. „Du kannst dich auch gleich neben Ginny setzen. Ich muss jetzt ohnehin gehen. Und ich denke Ronald Weasley ist das auch lieber so. Nicht wahr?“ Sie warf ihm einen kalten Blick zu und Ron schluckte, doch er sagte nichts. Naja. Er hatte ja recht. Wenn er wüsste, wo sie noch heute abend apparieren würde und was sie am Ende des Schuljahres würde tun müssem, würde er sie mit Sicherheit… Naja. Was auch immer… Sie wollte jetzt auf jeden Fall einfach weg von den ganzen gaffenden Gryffindors. Sie sah, wie Hermines Blick auf ihr linkes Handgelenk fiel, als sie sich gerade erhob. Dort trug sie seit dem Morgen, an dem sie abgereist war das silberne Armband, das ihr Draco zum Geburtstag geschenkt hatte. Sie musste ein klein wenig lächeln, als sie daran dachte. Sie fand es noch immer wunderschön. Hermine sah zu ihr auf und Chrystal setzte wieder eine ernste Miene auf, als wenn nichts gewesen wäre.                                   
„Hübsches Armband hast du da“, meinte die Gryffindor nur und lächelte.                                   
„Danke.“ Chrystal sah zu Ginny. „Tschüss Gin. Bis morgen.“ Dann verschwand sie durch das Portrait nach draußen. Was hatte Hermine nur mit dem Armband gehabt? Sie wusste es nicht. Wahrscheinlich interpretierte sie nur wieder irgendwo irgendetwas rein, wo eigentlich nichts war. Jetzt hatte sie aber erstmal Wichtigeres, worüber sie nachdenken musste.

Bild: Hermine Granger

Chrystals Story (Wenn nur noch Liebe zählt...) (DM/OC) (Harry Potter FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt