Can I trust you?

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"Die größte Ehre,
die man einem Menschen geben kann,
ist zu vertrauen."

Sie landete auf dem Hügel vor dem Fuchsbau. Es war ein warmer, schwüler Nachmittag. Mit Sicherheit würde es heute Nacht gewittern. Wenn nicht sogar schon heute abend. Entnervt erschlug Chrystal eine Mücke, die sich auf ihre Wange gesetzt hatte, während sie mit zielstrebigen Schritten zum Haus hinab lief. Sie zitterte, obwohl das bei der Hitze nicht nötig gewesen wäre. Sie fühlte sich schwach und verletzlich.
Chrystal trat vor die Haustür und klingelte. Es war Ginny, die öffnete. Auf ihrem Gesicht lag der Ausdruck von überraschtem, entsetztem Wissen und Chrystal erschrak, als sie bemerkte, was das Mädchen ihr gegenüber so verwirrte. Sie war nicht Eliza Lane. Sie hatte ihre Tarnung in dem Rausch des Spinnengiftes, das wohl noch immer durch ihre Adern floss vollkommen vergessen. Sie atmete tief durch. Das machte ihren Plan, ihre Entscheidung, ja einfach alles noch schwieriger, als es ohnehin schon war.        
„Ich erklär dir alles, wenn du mich möglichst ungesehen auf dein Zimmer bringst.“ Die Rothaarige lächelte ein wenig. Was gab es denn da bitte zu grinsen. Chrystal warf ihr einen vernichtenden Blick zu.               
„Das dürfte kein Problem werden“, sagte Ginny, während sie zur Seite trat, um Chrystal einzulassen und dann unbekümmert die Treppe nach oben lief. Wie naiv sie doch war die Slytherin einzulassen. Sie könnte eine Todesserin oder sonstwas sein. Aber halt mal… Vielleicht hatte Ginny es auch schon geahnt. Vielleicht wusste sie es bereits eine zeitlang. Oder hatte es zumindest vermutet. Aber wie sollte sie zu dieser Vermutung gekommen sein? „Mum ist im Gemüsegarten, Dad ist in der Arbeit, Charlie ist nicht zu Hause, Bill ist gerade Fleur abholen und Ron spielt mit Fred und George draußen Quidditch. Die beiden haben sich heute frei genommen.“
Die Gryffindor öffnete jetzt die Tür zu ihrem Zimmer. Chrystal trat ein und setzte sich erschöpft auf ihr Bett. Sie schloss für einen Moment die Augen und atmete tief ein.
„Also… Chrystal Among. Ich höre“, sagte Ginny und hob eine Augenbraue.
„Also zuerst einmal mein richtiger Name ist Chrystal Lily Potter.“ Ginny sah sie erstaunt an.                    
„Ich wusste, dass irgendwas mit dir nicht stimmt. Als ich es mal Hermine erzählt habe, hat sie mich für verrückt erklärt, aber ich hatte wohl Recht.“ Sie lächelte und Chrystal verdrehte leicht genervt die Augen. Schön für Ginny.
„Nun ja. Ich bin bei der Cousine von James Potter aufgewachsen und die und ihr Mann hießen mit Nachname Among. Ich bin zwei Jahre lang auf eine Zaubererschule in Deutschland gegangen, wo meine Zieheltern gelebt haben bis sie am Anfang meines dritten Schuljahres von Todessern ermordet wurden. Dumbledore hat mich nach Hogwarts geholt. Ich sollte mich nicht zu erkennen geben, damit Voldemort nicht in Harrys Geist eindringt und mich findet. Deshalb die ganze Tarnungssache.“ Sie legte sich auf ihr Bett und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. War das alles gewesen? Naja. So ziemlich. Und von der Prophzeiung, von der Vermutung, dass Voldemort ihr Vater sein könnte und von Draco und so musste sie ja nicht unbedingt wissen. Wobei Chrystal darauf schwören würde, dass sie von Draco ohnehin schon wusste. Egal. Sie spürte den forschenden Blick des Mädchens auf sich ruhen.
„Harry darf immer noch nichts davon wissen?“                                                
„Nein.“ Sie setzte sich wieder auf. Ginny wollte noch irgendetwas wissen. Das spürte sie.                
„Weiß Malfoy davon? Ihr seid doch zusammen, oder?“ Chrystal schloss für einen Moment die Augen und seufzte. Diese Frage hatte sie erwartet. Jeden anderen würde sie jetzt anlügen. Und vermutlich hätte sie es, wenn sie nicht in dem Moment so verdammt fix und fertig und schwach gewesen wäre, auch Ginny nicht erzählt.                                                 
„Er weiß es. Aber du darfst das alles niemandem erzählen. Hast du das verstanden? Das würde alles vollkommen durcheinander bringen.“                                                   
„Aber… Wenn… Nun ja… Wenn Malfoy es weiß…“ Chrystal wusste, worauf das Mädchen hinauswollte.
„Bitte nenn ihn Draco. Und ja. Du hast ja vollkommen Recht.“ Sie stöhnte. „Voldemort weiß auch davon. Er weiß, wer ich bin und wo ich bin. Wahrscheinlich weiß inzwischen auch Dumbledore, dass er es weiß und Snape ja sowieso.“                                                  
„Wieso müssen wir es dann jetzt noch geheim halten? Die ganze Tarnungssache wurde doch nun ohnehin aufgedeckt.“ Sie musterten sich gegenseitig.                                
„Ich habe bisher noch mit niemandem darüber gesprochen und das möchte ich, bevor ich mit Harry darüber spreche. Vielleicht hat der Plan sich verändert. Ich denke du verstehst das.“ Sie würde nie mit Harry darüber sprechen. Egal, ob der Plan sich nun geändert hatte oder nicht. Und ja. Ihr Plan hatte sich ja bereits geändert. Harry würde ihre Entscheidung nicht verstehen. Es würde ihn nur verwirren und unglücklich machen. Und das hatte er nun wirklich nicht nötig. Ginny nickte.
„Harry hätte es so verdient eine Schwester zu haben“, murmelte sie und lächelte. „Wo warst du? Man hat uns nur erzählt, dass du bei deiner Mission mit Dumbledore verunglückt bist und dich jetzt woanders aufhalten wirst bis du vollkommen gesundet bist. Doch Dumbledore hat frühestens in einer Woche mit deiner Rückkehr gerechnet.“ Die Rothaarige sah sie auffordernd an.                   
„Ich war bei Snape.“ Ginny schnappte teils erschrocken, teils amüsiert nach Luft. „Und scheinbar sollte ich da auch noch eine Woche bleiben, doch ich habe mich sozusagen ein wenig verselbstständigt.“                              
„Das musst du mir jetzt aber genauer erzählen“, sagte Ginny überaus amüsiert grinsend.                          
„Da gibt’s nichts groß zu erzählen. Ich bin aufgestanden und habe mich aus meinem Zimmer herausbegeben. In einem anderen Zimmer bin ich auf Snape getroffen. Er war nicht allein. Wurmschwanz und Draco waren bei ihm. Sie haben geredet und… Naja. Ich… Ich habe mich plötzlich komisch gefühlt. Es war einfach alles zu viel. Ich bin rausgegangen und hierher appariert.“ Sie schwieg.
„Du bist appariert?“ Die Gryffindor schien erstaunt.
„Ja. Ich hätte selbst nicht gedacht, dass es schon so gut klappt. Aber… Naja. Ich bin noch ganz.“ Sie sah an sich herab und versuchte ein wenig zu lächeln. Ihre Sicht wurde plötzlich verschwommen und ihr Kopf schmerzte. Sie fuhr mit der Hand über ihre Stirn. Sie war eiskalt.
„Alles okay?“, drang Ginnys Stimme von weit her an ihr Ohr. Chrystal merkte, dass sie sich auf ihr Bett gelegt hatte und laut und schnell atmete.                                             
„Ich… Ich wurde von einer Spinne gebissen. Ich denke, das Gift ist noch nicht ganz aus meinem Körper raus. Aber es geht schon.“ Ihr Atem wurde wieder ruhiger, doch sie fühlte sich noch immer schlecht. Als wenn sie von innen heraus nach und nach erfrieren würde.            
„Ich denke wir sollten Professor Snape benachrichtigen. Du brauchst sicherlich irgendeinen Trank dagegen. Dumbledore hat dich vermutlich nicht ohne Grund zu ihm gebracht.“ Ginny wirkte jetzt ernsthaft besorgt.
„Nein. Ginny, bitte nicht Snape.“ Chrystal verzog das Gesicht.
„Es tut mir leid, aber das muss sein. Ich versuche ihm einen Patronus zu schicken.“                                               
„Du kannst doch noch nicht einmal einen erzeugen“, meinte sie spöttisch.
„Oh doch.“ Ginny grinste stolz. „Wozu habe ich denn Dumbledores Armee besucht.“ Sie holte ihren Zauberstab hervor und… Wow. Sie schaffte es tatsächlich einen gestaltlichen Patronus hervorzubringen und was noch viel erstaunlicher war… Sie schaffte es ihn mit einer Nachricht zu Snape zu schicken. Chrystal musste ein wenig lächeln.
„Na? Was sagst du jetzt.“       
„Wow“, murmelte Chrystal und fasste sich wieder an ihren Kopf, den soeben erneut ein stechender Schmerz durchzuckte. Keine Minute später kam ein Patronus zurück. Eine Hirschkuh.                                       
„Ich bin gleich da“, sagte die Stimme knapp. Es war Snapes Stimme. Chrystal seufzte. Eine kurze Zeit lang hatte sie gehofft, es hätte nicht funktioniert, doch jetzt waren all ihre Hoffnungen zunichtegemacht worden. Snape würde kommen und es gab kein Entrinnen mehr. Vielleicht war es besser so.
Es begann in dicken Tropfen gegen die Scheiben zu regnen. Aus einem vereinzelten Tröpfeln wurde ein durchgehendes Trommeln. Blitze zuckten auf. Chrystal zählte die Sekunden. Eins. Zwei. Drei. Vier. Fünf. Sechs. Sieben. Acht. Neun. Zehn. Dann donnerte es. Die untergehende Sonne war jetzt endgültig verschwunden. Sei es wegen der dichten Wolken oder wegen der hereinbrechenden Nacht. Es donnerte wieder. Ginny saß unbewegt auf ihrem Bett und Chrystal lag noch immer etwas schwer atmend auf dem ihren. Beide schwiegen und hingen ihren eigenen Gedanken nach. Es war keine beunruhigende oder bedrückende Stille. Sondern eher eine beruhigende, entspannende. Ginnys Anwesenheit tat gut. Sie war… Chrystal wusste nicht, ob sie es schon so nennen konnte, doch sie war definitiv schon fast wie eine Freundin und das war schlecht. Das würde ihr alles um einiges schwerer machen. Aber jetzt, wo sie Ginny ohnehin so gut wie alles erzählt hatte gab es beinahe kein Zurück mehr, als sie zu einer Vertrauten zu machen. Chrystal musste ein wenig lächeln. Sie hatte lange mit niemandem mehr so offen geredet, wie gerade mit Ginny, doch auf eine komische Art und Weise hatte sie auch ein verdammt schlechtes Gewissen. Aber was sollte es… Es half auch nichts sich jetzt unendliche Gedanken darüber zu machen. Das würde an der Sache nicht ändern. Sie schloss langsam die Augen und fiel in einen entspannenden, leichten Halbschlaf.

Bild: Ginnys Patronus
Handlung parallel zu The Guardians Story Kapitel 4+5 (The Undergroundsociety + It's not your decision)

Chrystals Story (Wenn nur noch Liebe zählt...) (DM/OC) (Harry Potter FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt