"We're already gone, but still in this together
like a dragon to his gold
we're still holding on."
Ghost, Jamie-Lee KriewitzEs war heilig Abend, als Chrystal per Eule ein Brief erreichte. Sie hatte Voldemort seit dem gestrigen Ereignis nicht mehr zu Gesicht bekommen und laut Narzissa war er nicht im Hause. Vermutlich hätte er sonst ihre Post kontrolliert und so etwas hätte er mit Sicherheit nicht durchkommen lassen. Er konnte ja nicht zulassen, dass seine „Tochter“ mal ein bisschen Spaß hatte. Sie laß den Brief nun bereits zum dritten Mal, so sehr freute sie sich über das, was darin geschrieben stand.
Liebe Chrystal,
wir wissen, dass es jetzt ziemlich kurzfristig kommt, aber vielleicht hast du ja trotzdem Lust zu kommen. Wir treffen uns morgen am ersten Weihnachtsfeiertag um 18:00Uhr abends in dem kleinen Lokal bei Julia um die Ecke. Sie meinte, dass das ganz nett ist und du weißt, welches wir meinen. Also wenn du da irgendwie hinkommst würden wir uns total freuen dich mal wieder zu sehen. Es ist einfach schon alles viel zu lang her.
Lass uns kurz wissen, ob du kommst.Deine
Anna, Carolin, Julia, Marco und Nils
Erneut huschte ein glückliches Lächeln über ihr Gesicht. Langsam wurde sie wohl tatsächlich verrückt. Es gab einfach zu wenige schöne Dinge in ihrem Leben, sodass sie sich über so etwas sofort freute, wie ein Honigkuchenpferd. Naja. Es war wirklich toll ihre alten Freunde mal wieder zu sehen. Wann hatte sie sich von ihnen verabschiedet? Vor 2 ½ Jahren? Es war auf jeden Fall viel zu lang her. Sie hatte sich seitdem verändert. Dessen war sie sich sicher und sie fragte sich manchmal, ob sie ihre Freunde überhaupt wiedererkennen würde.
Es war 17:00Uhr am ersten Weihnachtsfeiertag. Chrystal hatte mit Draco gesprochen, dass sie diesen Abend nicht da sein würde und auch Narzissa wusste es. Sie war dagegen gewesen, doch letzten Endes hatte sie es Chrystal erlaubt und dafür war das Mädchen ihr sehr dankbar. Auch Draco war nicht übermäßig begeistert gewesen, dass sie alleine wegging, doch auch er hatte sie schließlich doch gelassen. Jetzt war Chrystal fertig. Der dunkle Lord war noch immer nicht wiederaufgetaucht und er hatte dem Mädchen an sich keine Ausgangssperre erteilt. Da sie ihn eben, weil er nicht da war, auch nicht um Erlaubnis bitten konnte würde sie einfach ohne ein weiter schlechtes Gewissen gehen. Sie verstieß schließlich gegen keine seiner Vorschriften. Und wo kein schlechtes Gewissen, da auch keine Strafe. Narzissa schloss sie in die Arme, als wenn sie sie jetzt für immer verlassen würde.
„Pass auf dich auf und sei vor 21:00Uhr zurück. Danach werden wir das Tor wieder verschließen, sodass nur Todesser durchkommen“, meinte sie.
„Mach ich“, erwiderte Chrystal und löste sich wieder von der blonden Frau. Draco trat jetzt zu ihr und legte ihr die Hände auf die Taille.
„Viel Spaß“, meinte er und lächelte eines seiner in letzter Zeit so seltenen, ehrlichen Lächelns. Sie erwiderte sein Lächeln und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen.
„Danke. Werde ich haben“, erwiderte sie und wandte sich von Draco und seiner Mutter ab, um in Richtung des eisernen Tores zu gehen. Der Schnee knirschte unter ihren Schuhen, während sie sich immer weiter ihren Weg weg vom Malfoy Manor bahnte. Als sie das Tor schließlich erreicht hatte drehte sie sich noch einmal zu den beiden um. Narzissa hatte ihren Sohn in die Arme geschlossen. Die beiden bemerkten ihren Blick nicht und Chrystal seufzte leise. Das war eine Geste von so viel Zärtlichkeit und Liebe und sie dankte Dracos Mutter innerlich dafür, dass sie eine solch tolle Frau war. Dass sie immer für ihn da war. Ihn zu beschützen und trösten versuchte, wo sie nur konnte. Sie hatte nie eine solche Mutter gehabt. Sie hatte Mary gehabt. Doch sie waren immer etwas distanzierter gewesen, als eine Tochter von ihrer wahrhaftigen Mutter. Sie wandte ihren Blick von den beiden ab und öffnete das Tor. Sie trat hindurch, schloss es wieder und apparierte, ohne noch einmal zurückzusehen, auf der Stelle.
Chrystal stand in dem Dorf, in dem sie aufgewachsen war. Das Dorf, in dem sie zur Schule gegangen war, als sie noch nicht alt genug für Hogwarts oder die Cyrenius Schule gewesen war. Ein spontanes, über alle Maßen glückliches Lächeln zauberte sich auf ihre Lippen. Sie war nicht immer gerne hier gewesen. Sie hatte es hier nicht immer leicht gehabt, doch alles in allem war es doch schön gewesen. So unbeschwert und leicht. Sie hatte Sorgen gehabt, die es jetzt gar nicht mehr wert waren auch nur bedacht zu werden. Sie war extra früher gekommen, um, bevor sie sich auf zu dem kleinen Lokal machte, noch einige Orte zu besuchen, die ihr wichtig waren. Zuerst lief sie die Straße hoch, die zu Marys und Marks ehemaligem Haus führte. Das Haus, in dem sie ihre Kindheit verbracht hatte. Sie wusste nicht, was nach dem Tod der beiden damit passiert war und wenn sie ehrlich war, dann hatte es sie auch nie wirklich interessiert. Vermutlich war es verkauft worden. An jemanden, der genug Geld hatte um sich ein solch villaähnliches Gebäude leisten zu können. Sie wollte es trotzdem noch einmal sehen. Wollte noch einmal richtig Abschied davon nehmen. Der hölzerne Gartenzaun stand noch immer dort und schien nicht erneuert worden zu sein. Nur dort, an der Stelle, wo das kleine Loch gewesen war, durch das Chrystal früher immer geklettert war, wenn sie eigentlich nicht auf die Straße durfte und die Amongs das offizielle Gartentor abgesperrt hatten, waren die kaputten Zaunlatten durch neue ersetzt worden, die sich durch ihre noch hellere Farbe stark von den Anderen abhoben. Sie ließ ihre Finger über das Holz streifen und lief die Straße weiter nach oben. Es war bereits so gut wie dunkel und in dem Haus brannte schon Licht. Es war also bewohnt und irgendwie beruhigte Chrystal das. Es lag kein Schnee hier in Deutschland. An Weihnachten lag hier ohnehin so gut wie nie Schnee, doch trotzdem war es eisig kalt. Chrystal warf durch die erleuchteten Fenster einen Blick ins Innere des Hauses. Da stand ein geschmückter Weihnachtsbaum in einem Zimmer. Das Zimmer, das auch früher schon das Wohnzimmer gewesen war und in dem der Kamin gestanden hatte, der ans Flohnetzwerk angeschlossen gewesen war. Unter dem Baum saßen zwei kleine Jungs. Vielleicht zwei Jahre alt, die gerade so laufen konnten. Beide trugen dieselbe blaue Latzhose und den weißen Pulli darunter. Vermutlich waren sie Zwillinge. Sie saßen vor einer Eisenbahn und beobachteten fasziniert, wie ihr Vater, ein hochgewachsener Mann Ende zwanzig, die Züge darauf herumfahren ließ. Chrystal lächelte. Dann kam die Mutter und setzte sich zu den dreien auf den Boden. Sie lachten viel. Einer der Jungs klatschte begeistert in die Hände, als der Zug wieder an ihm vorbeirauschte. Das war so wahnsinnig süß. Chrystal hatte fast vergessen, wie sehr sie Weihnachten immer geliebt hatte. Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Viertel nach fünf. Sie musste weiter, wenn sie noch alles besuchen wollte, was sie sich vorgenommen hatte. Sie warf einen letzten Blick auf die glückliche, lachende Familie, die dort unter dem Baum saß, wünschte ihnen im Stillen, dass sie immer so bleiben würden und wandte sich dann ab. Das Haus war in guten Händen. Es hatte gut getan es noch einmal zu sehen. Jetzt lief sie die Straße hinab. Als nächstes wollte sie noch ein letztes Mal ihren Weg zur Grundschule abgehen. Sie hatte die Grundschule gehasst, doch vielleicht war gerade das der Grund, weshalb sie dort noch einmal hinwollte. Um sie noch einmal mit anderen Augen zu sehen. Mit Augen, die schon mehr Schmerz und Leid gesehen hatte und die glücklich wären noch einmal in die Grundschulzeit zurück zu können. Sie lief die Straße von ihrem Haus hinab. Vorbei an der großen Linde, in die sämtliche Liebespärchen ihre Namen geschnitzt hatten, weiter zu Hauptstraße. Hier hatte sie immer aufpassen sollen, dass sie nicht überfahren wurde. Sie hatte eine Leuchtweste getragen, wenn es im Winter morgens noch dunkel war. Jetzt fuhr hier kaum ein Auto. An Weihnachten waren eben nunmal alle lieber zu Hause. Sie überquerte ungestört die Straße und lief dahinter weiter. An dem Kindergarten vorbei, den sie nie besucht hatte. Alle anderen Kinder waren zum Kindergarten gegangen. Sie nicht. Und sie war immer froh darüber gewesen zu Hause bleiben zu dürfen. Dort war es einfach am schönsten gewesen. Hinter dem Kindergarten kam die Grundschule. Ein grauer, recht farbloser Klotz. Nur die von den Kindern gemalten Weihnachtsbilder schmückten jetzt die Fenster und ließen alles etwas freundlicher wirken. Sicherlich hatte hier vor kurzem das alljährliche Krippenspiel stattgefunden. Das wurde immer von den dritten Klassen aufgeführt. Chrystal hatte damals die Maria gespielt. Warum wusste sie nicht mehr. Sicherlich hatte ihre Lehrerin das gewollt, denn sie hätte sich sicherlich nicht freiwillig so in den Mittelpunkt gestellt. Das war nicht ihre Art gewesen. Sie legte ihre Hand auf die Türklinke des großen Tors, das in den Pausenhof führte. Es war nicht verschlossen. Komisch. Sie trat auf den Hof. Eigentlich war alles wie früher. Nur eine zweite Kletterwand und ein Basketballkorb waren neu hinzugekommen. Die Schaukeln wippten im sachten Wind hin und her und verursachten dabei knarzende Quietschgeräusche. Chrystal trat näher an das Gebäude und stellte sich an das Fenster, hinter dem ihr erstes Klassenzimmer gelegen hatte. Sie hauchte dagegen, denn die Scheibe war angeschlagen. Ein Loch entstand und sie konnte einen Blick in das dunkle Gebäude erhaschen. Es war alles wie immer. Tische, Stühle, eine Tafel und vorne das Lehrerpult. Die Tafel war nicht gewischt. Das würde Ärger geben. Chrystal holte ihren Zauberstab hervor und säuberte sie mit einem Schlenker. Dann ließ sie ihre Hand ein letztes Mal über die graue Mauer des Schulgebäudes streifen und lief den Weg, den sie gekommen war zurück, um anschließend in Richtung Friedhof zu gehen. Das war ihre letzte Station, die sie noch einmal sehen wollte. Das Grab von Mary und Mark. Sie lief durch die Dunkelheit. Wissend, dass sie diesen Weg auch im Schlaf finden würde. Sie war jeden Sonntag mit Mark hier zur Kirche gegangen und wenn es so etwas gab, dann wäre Mark mit Sicherheit in den Himmel gekommen, denn er war wirklich der gläubigste Christ, den sie je kennenlernen durfte. Ein Lächeln huschte über ihre Lippen, als sie daran dachte, wie Mark auch jeden Abend mit ihr zum lieben Gott gebetet hatte. Sie hatte diese Religion gemocht, auch wenn sie nie getauft worden war. Der liebe Gott war irgendwie immer so liebend und tröstend gewesen. Langsam stieg sie die Steintreppen nach oben und trat durch das kleine, schwarze Eisentor, das ihr gerademal bis zur Hüfte reichte. Sie trat hindurch und lief über den knirschenden Kies. An vielen Gräbern brannten kleine Lichter und einige waren mit Tannengrün und weihnachtlichem Schmuck dekoriert worden. Wie wohl das Grab der Amongs aussah? Schon von weitem erkannte sie den Grabstein aus dunklem Marmor. Das ganze Grab schien irgendwie dunkel. Niemand hatte sich die Mühe gemacht es zu schmücken, wie die anderen Gräber. Es lag da. Stillschweigend. Ohne sich zu beklagen. Und trotzdem auf irgendeine Art und Weise traurig. Chrystal ließ sich davor auf die Knie fallen. In dem Moment war sie froh, dass sie sich gegen das hauchdünne Kleid und für die schwarzen Leggins entschieden hatte. Sie ließ ihre Finger über das glatte Marmor streifen. Es war kalt. Alles war kalt. Dann zog sie ihren Zauberstab hervor und zauberte mit einem leichten Schlenker ein Licht in das leere Gehäuse, in dem auf allen anderen Gräbern bereits eine Kerze stand. Und plötzlich tat es ihr leid, dass sie die letzten Weihnachten nicht hier gewesen war, um ein Licht zu entzünden. Dass sie Mary und Mark alleine gelassen hatte. Am ersten Weihnachten nach ihrem Tod war vielleicht noch jemand hier gewesen, der um sie getrauert hatte. Doch am zweiten Weihnachten? Da waren sie gewiss schon in Vergessenheit geraten gewesen. Menschen waren so wahnsinnig auf sich selbst fixiert, dass sie solche Kleinigkeiten schnell verwarfen. Sie belasteten sie und ließen sie schwach werden. Deshalb ließen sie sie zurück. Vielleicht war es tatsächlich schlau so, doch Chrystal konnte das nicht. Sie hatte das noch nie gekonnt. Vielleicht war das eine ihrer Schwächen. Vielleicht war es feige die Vergangenheit nicht hinter sich zurücklassen zu können. Doch heute war sie hierhergekommen, um genau das zu tun. Sie würde die Vergangenheit hinter sich zurücklassen. Sie wollte sie hinter sich zurücklassen. Denn sie wusste, dass es eines Tages zu spät dafür sein konnte. Heiße Tränen rannen ihr die Wangen hinab und weiße Schneeflocken begannen vom Himmel zu fallen und sich auf dem gefrorenen Erdboden niederzulassen. Bald würde hier alles weiß sein. Dann würde es niemandem mehr auffallen, dass das Grab der Amongs weniger geschmückt war, als das der anderen Begrabenen. Und wenn die Menschen am nächsten Morgen zum Gottesdienst laufen würden, dann würden sie Fußstapfen im Schnee hinterlassen. Vielleicht würde es einem von ihnen auffallen, dass ein Licht auf dem Grab der Amongs brannte. Vielleicht würde es jemandem auffallen, doch Chrystal glaubte nicht wirklich daran. Sie erhob sich langsam vom kalten Boden und griff nach ihrem Zauberstab. Sie erhob ihn und zauberte einen Kranz auf das Grab. Einen, der einem Adventskranz oder einem weihnachtlichen Türkranz glich. Aus Tannenzweigen. Verziert mit Buchs und Hagebutten. Ganz natürlich. Ohne große rote Schleifen. Genauso, wie Mary und Mark es gewollt hätten. Sie wischte sich mit dem Ärmel ihres Umhangs die Tränen vom Gesicht und verwandelte mit einem letzten Zauber an diesem Ort das kleine Licht in ein ewiges Licht, das ab morgen Abend nur noch für Zauberer sichtbar sein würde. Es war wie ein Andenken. Ein Andenken an die Pflegetochter der Amongs. Ein Andenken an Chrystal Lily Among, die ihnen unendlich dankbar für alles war, was sie für sie getan hatten und die bald nicht mehr existieren würde. Die bald von dieser Welt verschwinden würde, wie es Eliza Lane bereits getan hatte und die nur zwei weitere Persönlichkeiten zurücklassen würde. Chrystal Lily Potter und Chrystal Lily Riddle.
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Bild: Anna, Carolin, Nils, Marco, Julia damals
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Chrystals Story (Wenn nur noch Liebe zählt...) (DM/OC) (Harry Potter FF)
FanfictionDie Prophezeiung über Chrystal Lily Potter, Harrys jüngere Schwester besagt Schreckliches und Albus Dumbledore will verhindern, dass sie sich bewahrheitet, indem er versucht das Mädchen von Harry und Voldemort fern zu halten. Doch eine Prophezeiung...