Kapitel 77

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Steves Sicht

Den nächsten Anruf nach Chin hatte Danny angenommen. Ich hatte ihn förmlich aus meinem Büro geschubst und er ist fluchend zum Telefon gelaufen. Danny war vor Eric da. Schon das zweite Mal, dass ihm ein Anruf vor der Nase weggeschnappt wurde. Ich konnte mich mit Danny nicht beschweren: Wir waren ein gutes Team. Doch mit Lori wäre es bestimmt auch cool gewesen...
Jedenfalls schnappte ich mir meine Schlüssel und verließ das Gebäude. Lori schaute mich an, als ich an ihrem Büro vorbeiging. Ich zuckte mit den Schultern, woraufhin sie die Augen zusammenkniff und mich anfunkelte. Dabei konnte ich mir gut vorstellen, wie sie sich fühlte: Eric war jetzt auch nicht so mein bevorzugter Partner (ich hatte ihn zwar noch nie, aber er war ja „nur" ein Kriminaltechniker). Lori hatte Kampfgeist und ärgerte sich, dass alle anderen Paare an einem Fall arbeiteten.

Danny und ich fuhren zu einem Haus, das schon von Weitem auffiel. Es wurde mit Graffiti besprüht. Die neongrünen Buchstaben formten die Worte „Now we have the salad!" Klopapier war um das Haus gewickelt, das wohl der Salat sein sollte. Dieses Englisch entlockte mir einen Seufzer und ein Kopfschütteln. Ich hielt vor dem Haus und wir stiegen aus. Im Vorgarten wurde ein Teenager von einem Mann festgehalten. Vandalismus und Sachbeschädigung kamen an Halloween oft vor, leider zu oft für meinen Geschmack. „Da sind Sie ja endlich! Ich habe diesen Rüpel entdeckt, als eine Rolle Klopapier an meinem Fenster vorbeigeflogen ist!" Danny musste sich ein Lachen verkneifen, während wir uns näherten. „Lassen Sie mich endlich los! Ich habe nichts gemacht", der Teenager versuchte sich aus den Fängen des Mannes zu befreien. Ich zog meine Handschuhe an und hob einen Rucksack vom Rasen auf: „Wirklich nicht? Gehört der nicht dir?" „Nein, das ist nicht meiner." Ich öffnete den Reißverschluss und fand eine Sprühdose sowie Klopapier. Danny krempelte die Ärmel seines Hemdes hoch und sah den Jungen an: „Es ist verboten, die Polizei anzulügen. Das weißt du, oder? Da sind bestimmt überall deine Fingerabdrücke drauf, wenn ich das untersuchen lasse." Den Blicken von drei Männern hielt er nicht mehr stand und knickte ein: „Ja, gut. Ich war das, zufrieden? Ein tolles Meisterwerk, wenn man bedenkt, dass ich das alleine gemacht habe." „War das heute dein erstes Haus?", ich tütete den eher kleineren Rucksack nebenbei ein. „Ja, Sir." Danny nahm den Teenager, der sich aber wehrte, weshalb er ihm Handschellen verpasste. „Du solltest mal lieber in die Schule gehen, das würde deinem späteren Leben und deinem Englisch weiterhelfen", sagte ich. Der Mann sah nicht mehr grimmig aus und lachte los. Dann fragte Danny: „Wie kommt man auf so einen Scheiß?" „Mir war langweilig", er zuckte mit den Schultern. Ich tastete den Jungen ab und fand einen Ausweis in der Hosentasche. „Führ ihn ab, Danno." „Gib es zu, das hast du vermisst", grinste er und ging zum Auto. Ich schmunzelte kurz und wandte mich an den Hausbesitzer, wir besprachen noch kurz das weitere Vorgehen. Daraufhin machte ich einige Fotos und suchte noch nach Spuren. Ich hatte lange nicht mehr so viel an einem Tatort gemacht: Die Spurensicherung würde aber eine Weile brauchen, bis sie hier eintreffen würde. So konnten wir uns diese Zeit bei so einem eindeutigen Sachverhalt sparen.

Im Hauptquartier angekommen, verschaffte ich mir einen kurzen Überblick. Kono machte gerade den zweiten Strich bei der Strichliste: Warum waren die so schnell?! Chin und Jerry waren nicht da, darüber hinaus waren Lori und Eric nicht zu sehen. Sie hatten wohl einen Fall. Danny brachte den Jungen, der laut Ausweis Travis hieß, in den Verhörraum, während ich Fotos und Rucksack Fong überreichte. Travis' Eltern waren bereits auf dem Weg. Doch so eine Art Fall hatte immer einen bitteren Nachgeschmack: Zeitintensiver Papierkram und das nicht gerade wenig.

Danny saß mit an meinem Schreibtisch, sodass wir den Papierkram zusammen machen konnten, nachdem das Verhör erfolgreich waren. Travis' Eltern konnten nicht glauben, was ihr doch sonst so lieber Sohn fabriziert hatte. Des Weiteren waren sie kooperativ und wollten für die Schäden aufkommen, genauer gesagt musste Travis das. Gleich morgen sollte er das Haus eigenhändig reinigen. Das gestaltete den Papierkram ein wenig leichter. Als ich das nächste Mal von meinen Formularen aufschaute, gingen Lori und Eric über den Flur. Meine Freundin grinste breit: Hatte sie einen erfolgreichen Fall? Das musste ich irgendwie in Erfahrung bringen.

„Steve, ich habe Hunger. Es wäre schon längst Zeit fürs Mittagessen", maulte Danny. Ich blickte auf meine Uhr und musste schockiert feststellen, dass es schon 15 Uhr war und wir einige Stunden hier gesessen hatten. Hatten wir Anrufe verpasst? Das hatte ich nicht mitbekommen, weil ich so vertieft gearbeitet hatte. „Wir können später essen", antwortete ich, obwohl mein Magen auch langsam knurrte. „Soll ich verhungern?", motzte er. Ich seufzte und klappte meine Akte zu: „Wehe, wir verpassen deshalb einen potentiellen Fall." Danny stand explosionsartig auf: „Zehn Minuten sind ja wohl noch in Ordnung. Lass uns zu Kamekona, Eddie ist ja auch bei ihm." Ich nahm meine Schlüssel und verließ mein Büro: „Nur weil du deinen Willen durchsetzen musst." „Was soll das denn heißen?! Auf leeren Magen kann ich nicht denken und bin nur halb so produktiv." Ich verdrehte die Augen: „Ach, das erklärt ja auch, warum du mit deinen Formularen noch nicht fertig bist." Wir gingen über den Flur Richtung Ausgang. Lori beobachtete uns und grinste, während Danny und ich uns stritten. Oder vielleicht auch, weil wir wegen Danny die Arbeit pausieren mussten und sie so wieder etwas Hoffnung hatte.

Unsere erste Begegnung veränderte alles - Hawaii Five-O ❤️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt