Kapitel 91

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Loris Sicht

Ich ging zielstrebig zur Salattheke. Vielleicht einfach nur fürs Gewissen, weil man sich ja tendenziell etwas ungesünder im Urlaub ernährte. „Hallo, Lori", sagte Else, die mit ihrem Mann plötzlich neben mir stand. „Hallo ihr zwei", antwortete ich. Sie fragten, wo Steve denn sei, was ich ihnen beantwortete. Dann fragte ich, wo sie saßen und erfuhr, dass sie gefühlt am anderen Ende des Saales einen Platz hatten.
Friedrich ging zu den Fleischgerichten, während wir uns Salat auffüllten. Doch dann sah ich aus dem Augenwinkel, dass Else ihren Teller zu Boden fallen ließ. Dieser zerbrach in viele Einzelteile und das Essen lag vor ihren Füßen. Ihr Gesichtsausdruck war wie erstarrt und erschrocken. Was hatte sie denn? Ich drehte mich um und sah es: Vier Männer betraten den Speisesaal, mit halbautomatischen Waffen und Skimasken. „DAS IST EIN ÜBERFALL!", rief einer von ihnen, der eine tiefe Stimme hatte. „ALLE LEGEN SICH SOFORT AUF DEN BODEN!", schrie ein anderer. Wir waren nicht taub und ich für meinen Teil wollte das auch nicht werden.
Else und ich legten uns hin, sowie alle anderen Menschen hier auch. „Lori, ich habe Angst", flüsterte Else mir zu. Ich streichelte ihren Arm: „Dir und Friedrich wird nichts passieren, das verspreche ich." Dann hob ich meinen Blick, um die Situation einschätzen zu können. Einer bewachte die Eingangstür, die anderen gingen mit gezückten Waffen durch den großen Raum. Warum raubten sie uns nicht aus? Was suchten sie denn? „JEDER STEHT AUF UND GEHT MIT ERHOBENEN HÄNDEN ZU DER FENSTERFRONT!", befahl Nummer drei nach kurzer Zeit. Ich flüsterte Else zu, dass sie nah bei mir bleiben solle. Wir gingen mit erhobenen Händen zu den Fenstern, was sehr strukturiert ablief, da sich jeder einen Bereich des Raumes mit Leuten gewidmet hatte. Nummer eins begleitete uns zu den Fenstern. Ich war gänzlich unbewaffnet, die Waffe im Geheimfach meines Koffers hätte ich bestimmt gebrauchen können... Die Stimmung der Gäste hatte sich geändert: Kinder wimmerten, ältere Herrschaften sahen am schockiertesten von allen aus. Noch befolgten alle die Anweisungen, hoffentlich würde keiner den Helden spielen... „RUHE, KEINER REDET!", sagte Nummer vier. Und so wurde es schlagartig totenstill, man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Oder auch leere Patronenhülsen...

Die Bösewichte fackelten nicht lange und zogen Beutel aus den Taschen ihrer schwarzen Jacken. „HANDYS, GELD, SCHMUCK UND ALLE ANDEREN WERTSACHEN WERDEN ABGEGEBEN!", hallte die Stimme von Nummer eins, der wohl der Anführer war, durch den Saal. Die Beutel wurden vor jede Person gehalten, sodass sie die Sachen reinwerfen konnten. Auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes sah ich etwas, was mir fast den Atem raubte. Steve. Er schlich sich hinter Theken und Tischen zum Ausgang. Das war sehr riskant, weil er sich hätte im Fenster spiegeln können. Doch andererseits musste er die Chance nutzen, da die Tür jetzt nicht mehr bewacht wurde und die Männer damit beschäftigt waren, unsere Sachen einzusammeln. Steve wurde nicht entdeckt, würde ich mal sagen. Sie hätten ihn ja wohl nicht freiwillig gehen lassen.
Zurück zum Geschehen: Ich versuchte, mir die Geiselnehmer genauer anzusehen. Da gab es nicht viel. Sie stachen mit ihren schwarzen Outfits in dem Raum mit nur hellen beziehungsweise weißen Elementen deutlich heraus. Unter der Skimaske, am Nacken genauer gesagt, von Nummer drei schaute eine braune Haarsträhne heraus. Er musste mittellange Haare haben. Des Weiteren hatten drei und vier eine eher gebräunte Haut, während eins und zwei ziemlich käsig wirkten. Am linken Handgelenk von Nummer eins, was nicht vom Handschuh oder dem Jackenärmel bedeckt war, erkannte ich Umrisse eines Tattoos. Das Motiv konnte ich aber nicht bestimmen, weil er zu weit weg stand. Doch dann kam er genau auf mich zu mit seinem Beutel: „WERTSACHEN HER!" Aus meiner Handtasche holte ich mein Handy und Portemonnaie, was ich beides abgab. „WILLST DU MICH VERARSCHEN? UHR, OHRRINGE, KETTE UND RING WILL ICH AUCH!" Seine raue Stimme und diese Lautstärke machten mich passiv aggressiv. Die Uhr und die Ohrringe landeten zuerst im Beutel. Bei der Kette und dem Ring fiel es mir schon schwerer, sie abzulegen, aber auch sie kamen in den Beutel. Nummer eins fischte den Ring wieder heraus und betrachtete ihn. „Der ist hübsch, bist du verlobt?" „Ja", antwortete ich knapp und mit ruhiger Stimme. „Wo ist der Glückliche denn?" Neben mir standen nämlich zwei Frauen. Ich sah ihm in die grauen Augen: „Er ist vor zwei Jahren bei einem schweren Verkehrsunfall ums Leben gekommen." Diese Lüge erklärte, warum Steve nicht im Raum war. „Dann bist du ja wieder frei", grinste er pervers und ließ den Ring wieder im Beutel verschwinden. Er trat Else gegenüber, die ihm brav ihre Sachen aushändigte, und wendete seinen Blick nicht von mir ab. Ich hielt seinem Blick stand und hoffte sehr, dass er meine Geschichte nicht noch im Nachhinein anzweifeln würde.

Nachdem sie vier volle Säcke hatten, setzten sie sich an einen Tisch und schienen wohl jedes Handy auszuschalten. Das hätten wir ja eigentlich auch selber machen können. Die schlauste Anweisung war das nicht gewesen. Wir sollten uns alle auf den Boden setzen und schweigen. Ich betete innerlich, dass sie keine Information über meine wahre Identität auf meinem Handy finden würden. Nummer eins sah immer mal wieder zu mir herüber, er hatte wohl Gefallen an mir gefunden. Ekelhaft. Außerdem sortierten die Typen alle Wertsachen nach Kategorien, warum auch immer. Sie schienen wohl keinen Zeitdruck zu haben.
Doch die Ruhe und der ‚friedliche Ablauf' waren wie weggeblasen, als ich rechts von mir, ziemlich nah an der Wand, komische Geräusche hörte. Ich reckte meinen Kopf in die entsprechende Richtung und sah etwas Schreckliches...

Unsere erste Begegnung veränderte alles - Hawaii Five-O ❤️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt