Kapitel 31

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Ich erzählte Mel jedes Detail. Und sie hörte geduldig zu. Sie unterbrach mich nicht und machte dann das, was Mel am besten konnte – mir den Kopf waschen. Denn das machte richtige Freundinnen aus: Sie sagten einem, das was man hören musste und nicht das, was man hören wollte.
„Du spinnst ja", sagte sie und ich war kurz baff von unserem Beziehungsumschwung. Von Streit zurück zu brutaler Ehrlichkeit.
„Hey", beschwerte ich mich schwach. Sie sah mich noch immer tadelnd an. „Aber mal eins nach dem anderen. Wie fühlst du dich jetzt nach der Sache mit Henry? Seid ihr zwei jetzt wieder ein Thema oder war das ein Ausrutscher?".
Gute Frage. Keine Ahnung. Es war viel zu früh, um darüber etwas sagen zu können. Ich überlegte, ob ich einfach sagen sollte, dass es einfach nur ein Ausrutscher gewesen sei, obwohl meine Gefühle widersprechen würden.
Ich zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich weiß gar nichts mehr. Können wir nicht einfach über dich reden?".
Mel schnaubte halb belustigt, halb gehässig. „Wenn in meinem Leben so viel Drama abgehen würde".
Ich verzog mein Gesicht kurz zu einem falschen Lächeln. „Ha ha". Mel machte einen Luftkuss.
Der junge Barista kam zu uns an den Tisch und fragte, ob noch alles in Ordnung sei. Ich entschied noch eine Weile mit Mel hier sitzen bleiben zu wollen, also bestellte ich mir ein Stück Kuchen und Mel eine Zimtschnecke.
„Was war das für ein Typ, den du auf der Tanzfläche abgeknutscht hast?", fragte ich sie, um das Gesprächsthema endlich endgültig von mir wegzuschieben und weil es mich natürlich auch interessierte.
Es schlich sich ein schelmisches Grinsen auf Mels Lippen. Aha. Jetzt interessierte es mich noch mehr.
„Erzähl!".
„Skara", begann sie schwärmerisch, „ich weiß nicht, wann ich zuletzt so guten Sex hatte, wie mit diesem Kerl".
Ich klatschte verzückt in die Hände. „Hört, hört!". Dann löcherte ich sie mit Fragen: „Wie heißt er, was macht er, trefft ihr euch wieder? Hast du seine Nummer?". Mel lachte. „Er heißt Farid, ist Ende Zwanzig und arbeitet irgendwas Technisches. Ob wir uns wieder treffen?". Sie dachte kurz nach. „Keine Ahnung. Ich will eigentlich schon, aber er hat bisher noch nicht geschrieben und ich habe seine Nummer nicht".
Wir unterhielten uns über dies und das. Mel erzählte, dass sie endlich nicht mehr Ferdi vermisste und ich war überrascht, da sie mir nie erzählt hatte, dass sie es überhaupt getan hat. Mel sagte auch, dass ich die Beziehung zu Henry nicht kaputt machen sollte, denn so etwas wie wir hätten, wäre etwas Besonderes. Das gab mir zu denken und nach einer Weile bezahlten wir und verließen das Café.

Ich fuhr zu meinen Eltern nach Zehlendorf, denn mein Bruder und Charlotte waren zum Mittagessen zu Besuch.
Als ich ankam, saßen alle bereits im Esszimmer. Ich begrüßte sie mit einerUmarmung und merkte, wie sehr mir insbesondere mein Bruder gefehlt hatte. Toni nahmmich fest in den Arm und hielt mich ein bisschen länger als sonst fest. Ich warmir sicher, dass er spürte, dass bei mir gerade viel los war.
„Skara, wie schön, dich endlich mal wieder zu sehen", meinte Charlotte. Sie war hochschwanger und sah ein wenig müde aus, doch sie lächelte ehrlich.
„Ich freu mich auch", ich setzte mich auf den Platz neben meinem Bruder, dahatte ich als Kind schon immer gesessen. „Wie geht es dir Charlotte? Und wie geht es Projekt X da drinnen?". Da mein Bruder und Charlotte sich weigerten irgendjemandem zu erzählen, ob es nun ein Mädchen oder Junge werden würde und ein seltsames Geheimnis daraus machten, hieß der Knirps für mich seit Anfang an, Projekt X. Ich freute mich unglaublich auf die Geburt und darauf Tante zu werden, aber gleichzeitig fühlte ich mich immer wieder damit konfrontiert, mich selbst zu fragen, ob so auch meine Zukunft aussehen würde.
Charlotte erzählte, dass sie es mittlerweile satt hatte schwanger zu sein und den Geburtstermin herbeisehnte. Toni sagte, dass er sobald er daran dachte, den Angstschweiß auf der Stirn hatte. Meine Eltern lachten, ich klopfte meinem Bruderaufmunternd auf die Schulter. Mein Vater stellte ein großen Topf Linsen Dal auf den Tisch und ich hatte irgendwie keinen Appetit. Ich aß trotzdem mit und nachdem Essen ging ich auf die Terrasse eine rauchen, worüber meine Mutter nur den Kopf schüttelte, obwohl sie selbst Jahre lang geraucht hatte. Mein Bruderbegleitete mich.
„Was ist bei dir los?", fragte er, als wir fröstelnd im Nieselregen standen. Er nahm mir kurz die Zigarette ab und rauchte schnell zwei Züge. Er hatte eigentlich aufgehört. Zumindest erzählte er das Charlotte.
Ich seufzte. Ich teilte mit Toni eigentlich gerne meine Gedanken, doch ich hatte keine Lust schon wieder über alles zu reden. Also zuckte ich nur mit den Schultern.
„Kerle", sagte ich dann nur, als wäre mit dieser Antwort alles klar und Toni nickte wissend. 

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