Kapitel 42

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„Ist da wieder was zwischen dir und Skara?", hörte ich Veras gedämpfte Stimme und blieb abrupt stehen. Die Tür zu ihrem Arbeitszimmer war angelehnt und ich verharrte regungslos davor. Ich sollte nicht lauschen, das gehörte sich nicht, rief ich mich selbst zur Ordnung und wollte gerade weiter gehen und Raphi in der Küche beim Kochen helfen, als ich Henry laut ausatmen hörte. „Gute Frage", sagte er leise und ich schluckte. Mein Herz begann nervös zu klopfen. „Ich kann einfach nicht ohne sie", murmelte er weiter, so leise, dass ich ihn fast nicht verstanden hätte. Er klang dabei seltsam niedergeschlagen. War das nun gut oder schlecht? Und konnte ich auch nicht ohne ihn? Es hatte sich wohl immer eindeutig gezeigt...
„Ihr seht euch noch so an wie früher", sagte Vera dann nachdenklich. Henry seufzte. „Es ist aber viel passiert. Ich fühle anders, als früher. Ich - ". „Abendessen ist fertig!", rief Raphi aus der Küche und ich eilte vor der Tür weg. Meine Gedanken überschlugen sich. Was wollte er damit sagen? Er hatte mich vor wenigen Tagen noch so leidenschaftlich geküsst. Ich hatte doch letzte Nacht in seinen Armen gelschlafen. Ja Skara, sagte ich mir dann, das sind alles Dinge, die er tut. Aber was fühlt er? Bei Evy und Lothar in der Wohnung hatte er doch eigentlich nur gesagt, dass er es nicht mochte, wenn ich mit anderen schlief – Kacke, was für ein Chauvi-Macho-Scheiß. Ich wurde plötzlich wütend und blendete aus, dass er auch gesagt hatte, dass er nichts mit anderen haben konnte/wollte. Ich fand mich im Bad wieder, ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich darin verschwunden war. Ich lehnte an der Tür und schloss die Augen. „Skara!", brüllte Raphi und ich musste grinsen. „Essen ist fertig, verdammt nochmal!". Ich schüttelte meinen Kopf und verließ das Bad. „Ich komm ja schon, beruhig dich", sagte ich schmunzelnd und setzte mich an den Tisch.
Henry und Raphi erzählten Vera von unserer Wanderung und wie schön es gewesen war, Vera erzählte von ihrem langweiligen Tag, der aus zu viel Papierkram bestanden hatte und ich erzählte nichts. Henry schenkte mir ein Lächeln, was ich ganz automatisch erwidern musste, bevor mir einfiel, dass ich eigentlich keine Lust hatte ihn anzulächeln.

Nach dem Essen saßen wir noch vorm Kamin beieinander. Das Feuer knisterte gemütlich und ich wurde müder und müder. Die anderen unterhielten sich fröhlich, doch ich blieb sehr still. In meinem Kopf war mal wieder zu viel los. Irgendwann fielen mir fast die Augen zu und ich verabschiedete mich schnell ins Bett.
Es war kalt auf dem Dachboden und ich wickelte mich eng in die Decke ein. Es klopfte an der Tür, Henry kam herein. Ich seufzte. „Hey", sagte er und setzte sich auf die Bettkante. „Was ist los?".
Ich schüttelte den Kopf und murmelte ein „Nichts" vor mich hin. Ich kam mir plötzlich ziemlich dumm vor. Er strich sanft über mein Haar. „Skara", ermahnte er mich zärtlich. „Ich hab gelauscht", beichtete ich dann leise und Henry sah mich verwirrt an, bis ihm dämmerte, was ich meinte. Er setzte zu einer Erklärung an, doch ich unterbrach ihn unwirsch. „Ich will nicht drüber reden".
„Schön", sagte er, da er wusste, dass es keinen Sinn machte, jetzt mit mir zu diskutieren. „Darf ich trotzdem bei dir schlafen?".
Er sah dabei unglaublich niedlich aus. Wie ein trotziges Kind. Ich sagte „natürlich", bevor ich überhaupt fertig hatte denken können.
Er schlüpfte zu mir unter die Decke, ich stecke meine kalten Füße unter seine Beine, um sie zu wärmen. Er zog mich an sich und strich mir übers Haar. Dann küsste er mich. Und ich küsste zurück. Seine Hand fuhr unter mein Shirt und ich seufzte wohlig auf, zog aber plötzlich meinen Kopf zurück. Nein, Stop. Diesmal sollte das hier anders laufen. Langsam, ein Schritt nach dem anderen. Außerdem hatte ich es satt, dass wir erst handelten und dann miteinander sprachen. Henry sollte doch endlich sagen, was er fühlte und mir nicht schon wieder das Höschen ausziehen. Irritiert sah er mich an. „Was ist?", fragte er, seine Stimme war rau und klang so sexy, dass ich direkt dazu bereit war, meine Vorsätze wegzuwerfen. Aber, nein! Ich drehte mich schnell von ihm weg. „Ich bin müde", sagte ich dann und wagte es nicht ihn nochmal anzusehen, bis ich einschlief. 

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