Kapitel 89

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  "Was machst du heute Abend?", tippte ich ins Handy und schickte die Nachricht an Mel.
Sie war online und antwortete direkt.
  „Konzert und danach Kneipe mit Ferdi, Raphi und Farid".
Ich stutzte und steckte mein Telefon wieder in die Tasche.
„Was ist los?", fragte Charlotte und ich sah sie überrascht an. Ich hatte kurzzeitig beinahe vergessen, dass ich noch bei meinen Eltern am Tisch saß.
„Ach", ich stockte und spürte plötzlich einen dicken Kloß im Hals. So einen, den man bekommt, kurz bevor Tränen fließen.
„Mel hat was mit Freunden vor und hat mich nicht eingeladen".
Ich zwang mir ein Grinsen auf die Lippen, doch spürte dass ich kurz davor stand zu weinen.
Ach du meine Güte. Das war wohl etwas übertrieben. Aber ich fühlte mich plötzlich ausgeschlossen und allein.
Charlotte schenkte mir ein mitfühlendes Lächeln. „Das hört sich nicht sehr nett an".
Das reichte schon und ich spürte Tränen in den Augen. Eilig stand ich auf und lief in die Küche.

„Skara?", rief mir Charlotte hinterher und ich hörte wie ein Stuhl zurück geschoben wurde.
Bitte nicht, dachte ich. Bitte komm mir nicht hinterher.
Dann betrat Henry die Küche und ich atmete erleichtert aus.
„Was ist los?", fragte er, doch da hatte ich mich schon an seine Brust geworfen und weinte in sein schönes Hemd.
„Mel will mich nicht mitnehmen", schluchzte ich und kam mir dabei so doof vor, dass ich noch mehr weinen musste.
Henry verstand gar nichts.
„Was?".
„Mel geht heute Abend mit Ferdi, Raphi und Farid aus und hat mich nicht gefragt".
„Okay... und?", antwortete er gedehnt und ich löste mich von ihm.
„Ich fühl mich so ausgeschlossen, Henry", erklärte ich und wischte mir unter den geröteten Augen entlang.
„Schatz, ich bin nicht sicher, ob du überhaupt mitgehen könntest. Ich meine Mel weiß ja", begann er vorsichtig, doch ich unterbrach ihn unwirsch: „Ich könnte mit! Ich kann alles machen, alles wie sonst auch. Das ist meine Entscheidung. Niemand hat das für mich zu entscheiden. Ich bin ja schließlich" - „Alles okay?". Charlotte war in die Küche gekommen und sah nun etwas zerknirscht aus, als sie mich verheult vor Henry wild gestikulieren sah. Er hatte weiterhin zärtlich seine Hände an meinen Hüften liegen und sah mich mit grenzenlosem Verständnis an.

„Ja sorry", ich räusperte mich und trat einen Schritt zurück, Henry ließ seine Hände sinken. „Ich...", ja was denn nun? Nicht mal erklären konnte ich mich. „Ich glaub ich bekomm einfach meine Tage oder so", sagte ich dann.
Henry sah mich an und ich konnte sehen, dass er das gleiche dachte. An den Abend, als ich es das erste mal vermutete, es eigentlich schon fast wusste, dass das kein Pms war, dass etwas anders war, ganz anders, dass etwas ab jetzt alles ändern würde.
Charlotte lächelte mich an und irgendwie hatte ich kurz Angst, dass sie die Gedanken zwischen Henry und mir ebenfalls gehört hatte.

„Henry was macht eigentlich dein Studium? Hast du demnächst mal wieder eine Ausstellung?", fragte mein Bruder freundlich und er löste beinahe widerwillig seinen Blick von mir mit der leise brabbelnden Ella auf dem Schoß und lächelte Toni zu.
Ich hatte mich zusammengerissen und aufgehört zu heulen und vorallem hatte ich mich mich zusammengerissen und meine Nichte in den Arm genommen.
„Tatsächlich stelle ich im Rahmen einer Uni Veranstaltung nächsten Monat in einem coolen Space in Alt-Treptow aus. Es gibt natürlich auch eine Vernissage. Kommt doch gern vorbei?", er richtete das Wort nun auch an meine Eltern. „Es ist eine interessante Sammlung an Abschlussarbeiten. Lohnt sich sehr".
Alle nickten höflich und sagten zu, doch mein Vater blickte etwas irritiert. „Abschlussarbeiten? Bist du denn fertig?".
Oh, ja richtig. Das wussten sie ja auch noch nicht.
Henry blickte plötzlich unsicher zu mir.
Es wurde seltsame still am Tisch.
Ich hielt seinen Blick nicht stand und senkte ihn wieder auf Ella, die mit ihren kleinen Händen unermüdlich nach meinem Finger griff.
Dann erklärte Henry, fast hörte man das Sträuben in seiner Stimme:
„Nein, nicht wirklich, aber ... Ich werde ab Sommer nach Wien gehen".

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