Kapitel 19

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Ich lag im Bett und fühlte mich mies. Meine Glieder schmerzten, mein Kopf dröhnte und ich wurde seit Tagen von einer lähmenden Müdigkeit heimgesucht, der ich nun endlich nachgegeben hatte. Es klopfte an meiner Tür und kurz darauf streckte Henry seinen Kopf ins Zimmer. „Und?", fragte er. „Wie geht's dir?". Ich zuckte mit den Schultern, was man kaum erkennen konnte, denn ich hatte meine Bettdecke bis zum Kinn hochgezogen. „Es geht so", antwortete ich also noch und zog langsam einen Arm unter der Decke hervor, um damit neben mich aufs Bett zu klopfen. Henry folgte der Aufforderung, trat ein und ließ sich neben mich fallen. „Erzähl mir von deinem Tag", forderte ich ihn auf und er tat es dann, doch ich hörte kaum zu. Ich musterte Henry und dachte über all die Jahre nach, die wir uns nun schon kannten. Es klopfte erneut an der Tür und Raphi kam herein. Er hatte eine Tasse Tee in der Hand und stellte sie auf meinem Nachttisch ab. Henry stoppte seine Erzählung. „Habt ihr Lust Pizza zu bestellen?", fragte Raphael und ich nickte eifrig. „Das hört sich ziemlich gut an. Wollen wir dann auch einen Filmeabend machen, so wie früher?". Ich sah die zwei hoffnungsvoll an, denn ich wollte nicht allein den Abend in meinem Bett verbringen und meine Gedanken wieder und wieder zu Jelto wandern lassen. Sie stimmten zu, was mich ziemlich erleichterte und Raphi entschied, dass wir Herr der Ringe schauen würden. Niemand hatte etwas dagegen und ich freute mich insgeheim sehr, denn es hörte sich verdächtig so an, als würden Teil 2 und 3 die nächsten Tage ebenfalls in Form eine Filmeabends folgen. Das hieß: weniger Zeit deprimiert in meinem Bett. Wir lagen also zusammengekuschelt in meinem Bett und ich fühlte mich unglaublich geborgen. Raphi kommentierte unaufhörlich den Film, den wir alle auswendig kannten, so wie er es immer schon getan hatte. Henry und ich stritten darüber, ob nun Legolas oder Aragorn der attraktivere Mann waren, bis sich endlich Raphi auf meine Seite schlug. Alles war so herrlich vertraut und ich merkte, dass ich die beiden den Sommer über hatte zu kurz kommen lassen und wie gut mir ihre Gesellschaft tat. Als der Film zu Ende und ich schon im Halbschlaf war, kletterten Henry und Raphi leise aus meinem Bett, machten den Fernseher aus und verließen mein Zimmer. Wie gerne hätte ich gehabt, dass sie geblieben wären. 

Am nächsten Morgen wachte ich auf und fühlte mich schon etwas besser. Ich schlug die Decke zurück und stand auf, um das Fenster zu öffnen, denn ich sehnte mich nach frischer Luft. Es war ein freundlicher Herbsttag. Die Sonne schien, der Himmel war babyblau und alles in allem lud das Wetter zu einem Spaziergang ein. Ich machte mich auf den Weg in die Küche, um nachzusehen, ob die Jungs bereits wach und zuhause waren, doch die Wohnung war leer. Ich war enttäuscht, erinnerte mich aber daran, dass nur weil ich mich gerade einsam fühlte, das Leben der beiden nicht still stand. Außerdem hatte das neue Semester begonnen und die beiden waren sicherlich in der Uni. Ich hatte nur nachmittags eine Veranstaltung und überlegte, ob Mel vielleicht Lust hatte davor mit mir durch den Kiez zu schlendern. Ich wählte ihre Nummer und machte mir dabei einen Tee, denn nach Kaffee fühlte ich mich so gar nicht. Mel ging nicht ran und ich entschied trotzdem nach draußen zu gehen, denn ein wenig Sonne würde mir sicher gut tun. Die kühle Luft und warme Sonne zauberten mir ein Lächeln aufs Gesicht. Ich holte mir beim Bäcker gegenüber ein Croissant und musste an Jelto denken. Das letzte mal hatten wir diese Croissants gemeinsam im Bett gegessen und wir waren noch beieinander gewesen. Als ich abbiss kamen mir die Tränen, sodass ich kaum schlucken konnte. Ich war wütend auf mich. Jetzt ließ ich mir schon Gebäck von einem Typen verderben, doch ich konnte es nicht ändern. Mein Herz schmerzte. Ich schob die Sonnenbrille aus meinem Haar auf die Nase, denn man sollte nicht sehen, dass ich zu weinen begann. Als würde sonst alle Welt sehen können, dass ich Liebeskummer hatte. Ja Liebeskummer. Vielleicht war ich doch (noch) in ihn verliebt.

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