Kapitel 16

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Als wir am Meer ankamen war es bereits Abend. Die Eltern von dem Freund von Mels Schwester hatten eine Wohnung in einem kleinen Ort an der Ostsee, welche wir für ein paar Tage beziehen konnten.
Wir warfen unsere Reisetaschen schnell in das etwas kitschige Schlafzimmer ohne uns groß um zu sehen und joggten zu dem winzigen und einzigen Supermarkt in der Nähe, um fünf Minuten vor Ladenschluss noch schnell zwei Falschen Wein zu kaufen. Dann setzten wir uns an den Strand. Die Luft war frisch und salzig und sie erfüllte mich mit einer seltsamen Mischung aus Sehnsucht und Ankommen. Die Sonne warf goldenes Licht, auf die zarten Wellen. 

Es waren nur Mel und ich. Jelto hatte abgesagt und es hatte mir ein klein bisschen das Herz gebrochen. Mel hatte bisher kein Wort darüber verloren und dafür war ich ihr echt dankbar, doch jetzt brach es aus mir heraus.
„Ich kann nicht glauben, dass er echt nicht mitgekommen ist. Bin ich ihm denn nicht wichtig?", sagte ich und schaffte es beiläufig zu klingen, doch meine Stimme spiegelte nicht annähernd meine Gefühle wider. Innerlich fochten, seit wir uns auf den Weg gemacht hatten, zwei Gedankengänge miteinander. Der eine, durchzogen von Selbstmitleid, sagte mir immer wieder, dass ich viel mehr in Jelto sah, als er in mir. Der andere versuchte mich rational dazu zu bringen, nicht jedes verfluchte Wort und nicht jede verfluchte Tat von ihm, auf die Goldwaage zu legen und zu überinterpretieren. 

Mel sah mich an, nahm einen großen Schluck aus der Weinflasche und seufzte dann. „Skara, vergiss es einfach. Nichts, was andere Menschen tun, hat etwas mit dir zu tun. Es hat nur etwas mit ihnen selbst zu tun".
Darüber musste ich erst einmal nachdenken.
Mel hatte nicht unrecht und ich wünschte mir irgendwie, dass sie es hätte. Denn wenn ich Einfluss darauf besäße, was Jelto tat, dann könnte ich, wenn ich mich ganz arg anstrengen würde, vielleicht dafür sorgen, dass er bleiben würde.

Ich sah aufs Meer hinaus und nahm auch einen Schluck aus der Flasche. Der Wein schmeckte scheußlich, doch der Moment war wunderschön. Ich lehnte meinen Kopf an Mels Schulter. Wir sagten eine ganze Weile gar nichts und ich dachte darüber nach, wie mein jüngeres Ich in diesem Moment, mit all den Fragen und Gefühlen wegen Jelto, die schwer auf der Brust lagen, niemals solch ein Glück verspürt haben könnte. Und ich war etwas stolz auf mich, denn ich hatte begonnen zu lernen, dass das eigene Glück niemals von jemand anderem abhängig sein sollte.
Ich sagte Mel wie froh ich war, dass ich sie hatte und Mel hielt mir eine gedrehte Zigarette hin und sagte mir das gleiche dadurch auch irgendwie.

Am nächsten Morgen wurde ich vom Klingeln meines Handys wach. Jelto war dran. Er fragte, ob ich gut angekommen sei und wie der Abend gewesen war. Er fragte nach Bildern vom Meer und ob es mir gut ging. Es war ein Gespräch von höchstens zwanzig Minuten, doch es reichte aus, um der Stimme, die mich dazu brachte, permanent an Jeltos Gefühlen zu zweifeln, fürs erste den Garaus zu machen. 

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