Kapitel 56

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Leo hatte das Mischpult gegen seinen Herd eingetauscht und versorgte uns mittlerweile anstatt mit Musik, mit Frühstück. Der Tag hatte längst begonnen und wir waren vor Kurzem hungrig und überdreht bei Malik und Leo eingefallen. Aus überdreht wurde bald müde und ich hatte mich an Henry gelehnt, um nicht vom Küchenstuhl zu fallen.
Er unterhielt sich leise mit seinem Bruder. Malik hatte sich in sein Zimmer verabschiedet.
Ich hatte die Augen geschlossen und versuchte mit aller Kraft nicht einzuschlafen, um das Frühstück nicht zu verpassen. Ich hatte einen riesigen Hunger und mein Magen krampfte sich bereits unangenehm zusammen.
Endlich stellte Leo eine Pfanne Rührei auf den Tisch. Henry legte jedem von uns eine Scheibe Brot auf den Teller und wir begannen zu essen.

Henry und ich hatten es nach dem Frühstück noch irgendwie nach Hause geschafft. Zum Glück wohnten Leo und Malik quasi um die Ecke.
Ich hatte mich zu Henry ins Bett gekuschelt, ganz selbstverständlich hatte er mich an sich ran gezogen und ich war auf seiner Brust eingeschlafen.
Mein Wecker klingelte nur drei Stunden später und ich stöhnte genervt auf.
Ich musste arbeiten. Keine Ahnung, wie ich das heute überstehen sollte.
„Warum?", fragte Henry dramatisch und drehte sich demonstrativ auf den Bauch, um das Gesicht im Kissen zu vergraben.
„Ich muss ins Theater", erklärte ich und drückte ihm einen Kuss aufs Haar, ehe ich aufstand.
Ich hatte Kopfweh und einen schrecklichen Durst. Ich schlurfte in die Küche. Raphi kochte sich gerade ein verspätetes Mittagessen. „Na du", er lächelte mich an. Ich grummelte und füllte mir ein Glas mit Leitungswasser, was ich direkt herunterstürzte.
„Warum bist du wach?", fragte er und ich lehnte mich an die Küchenablage. „Muss arbeiten".
Raphi nickte und warf mir einen halb mitleidigen, halb belustigten Blick zu.
„Willst du dir was von den Nudeln mitnehmen?", fragte er dann fürsorglich und ich drückte ihn von der Seite. „Ach Quatsch, aber danke dir", ich klaute mir eine Nudel aus dem Topf, verbrannte mir den Gaumen und eilte dann in mein Zimmer und ins Bad, um mich wenigstens ein bisschen frisch zu machen.
Als ich fertig angezogen im Flur stand und meine Sachen packte, drückte Raphi mir natürlich trotzdem eine Brotdose mit einer Portion Nudeln in die Hand.
Ich hatte ihn nicht verdient.


Das neue Stück zog eine Menge Menschen an und ich hatte viel zu tun. Das war gut, denn so konnte ich nicht daran denken, wie unglaublich müde ich war.
Ich hatte mir beim Späti noch schnell eine Mate geholt, von der ich mir einredete, dass sie mich wach machte.
Ich stand gerade an der Abendkasse, als plötzlich meine Eltern vor mir auftauchten.
„Huch, was macht ihr denn hier?".
„Skara, wie schön. Wir hatten gehofft, dass du heute arbeitest. Dein Bruder meinte, dass wir unbedingt das Stück sehen müssen", erklärte meine Mutter und mein Vater nickte. „Ich hatte vorhin zwei Karten online reserviert".
Ich checkte das im System und händigte den beiden ihre Tickets aus. Dabei versicherte ich, dass Toni nicht zu viel versprochen hatte und unterdrückte ein Gähnen.
„Du siehst müde aus", stellte meine Mutter fest und musterte mich kritisch. „Ist alles in Ordnung?".
Ich nickte. „Ja alles okay, habe nur nicht so viel geschlafen".
„Hast du Drogen genommen?", fragte sie dann und ich sah sie schockiert an. „Mama!", rief ich und dämpfte meine Stimme direkt wieder. „Ich arbeite hier, geht das leiser? Und nein, hab ich nicht".
Sie zog skeptisch ihre Augenbrauen zusammen. Mein Vater sah sehr überrumpelt aus und schob seine Frau dann in Richtung Garderobe weiter.
Wow.
Ich fuhr mir übers Gesicht.

Ich saß vorm Theater und rauchte. Ich musste noch warten bis das Stück zu Ende war und dann drinnen aufräumen. Die Garderobe übernahm heute Estefania.
Es war dunkel und mein Atem bildete kleine weiße Wölkchen in der kalten Abendluft. Plötzlich entdeckte ich Henry. Er kam lässig auf mich zu geschlendert. „Hi", rief er, noch bevor er mich erreichte. „Ich hab dir ne Zimtschnecke mitgebracht".
Er setzte sich neben mich auf die kalte Steintreppe und drückte mir zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange.
Ich lehnte mich an ihn.
„Du bist ein Engel", sagte ich und brach ein Stück der Zimtschnecke ab. Sie war aus meinem Lieblingscafé.
Henry legte mir einen Arm um die Schultern und dann redeten wir über dies und das.
Er war genau die Gesellschaft, die ich brauchte und er machte mir unglaublich gute Laune.
Bald kamen die Besuchenden aus dem Theater und wir standen auf, um nach Drinnen zu gehen. Wir liefen direkt meinen Eltern in die Arme und ich musste daran denken wie gemein meine Mutter vor Kurzem von Henry gesprochen hatte.
„Oh hallo Henry", sagte meine Mutter überrascht und ich sah sie finster an. Mein Vater nickte zur Begrüßung.
Henry begrüßte meine Eltern höflich.
„Hast du dir das Stück auch angesehen?", fing meine Mutter an Smalltalk zuführen. Henry schüttelte den Kopf. „Nein, ich hole nur Skara ab".
Ich sah ihm an, dass er keine Lust darauf hatte, sich zu unterhalten. Er fragte trotzdem höflich nach, wie meinen Eltern das Stück gefallen hatte und hörte geduldig zu.
Ich mochte, dass an ihm. Dass ich entspannt in seiner Gesellschaft sein konnte, dass ich mich nicht um eine angemessene Konversation bemühen musste, dass ich nicht aufpassen musste, was er vor meinen Eltern sagte.
„Ich geh mal rein und räume etwas auf. War schön euch zu sehen", sagte ich und verabschiedete mich von meinen Eltern, die in eine Diskussion über den Hauptdarsteller geraten waren (Jakob).
„Ich rauch noch eine und warte hier auf dich", meinte Henry und aus einemplötzlichen Impuls heraus, einer klassischen Kurzschlussreaktion, drückte ich ihm einen schnellen Kuss auf die Lippen. So schnell, dass ich nicht sicher war, ob meine, in ihr Gespräch vertieften Eltern, es überhaupt gesehen hatten.
Doch der Blick meiner Mutter sagte eindeutig: Ja.

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