Kapitel 3

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Die Wg-Küche sah aus wie sonst was. Ich räumte einen Haufen an benutzten Tellern und Gläsern aus der Spüle, um irgendwie den Wasserkocher befüllen zu können. Während das Wasser kochte lehnte ich gedankenverloren an der Arbeitsplatte. Der Tag fühlte sich schwer an. Draußen regnete es und von der warmen Julisonne war heute nicht viel zu sehen.
Seit Mels Einweihungsparty waren 12 Tage vergangen und Jelto und ich hatten uns vermutlich 10 davon gesehen. Er hatte einen so plötzlichen und doch so selbstverständlichen Platz in meinem Leben eingenommen, dass er nicht mehr weg zu denken war, doch genau das war das Problem. Jelto war nur den Sommer über in Berlin. Danach würde er weiterziehen, irgendwo anders arbeiten und dann in ein paar Monaten, falls er „die Muße" haben würde, sein Studium fortsetzen. 4 Semester lang hatte er in Hannover Botanik studiert und seine unbändige Leidenschaft dafür hatte mich ziemlich beeindruckt. Doch aus einer Laune heraus hatte er vor fast zwei Jahren das Studium geschmissen und angefangen mal hier mal da zu jobben und zu wohnen. Das war eine der Eigenschaften an ihm, die ich zu tiefst beneidete. Wie er leichtfertig Pläne machte, sie änderte und dabei keinerlei Verpflichtungen oder Rechtfertigung irgendjemand gegenüber zu ließ.
Ich studierte zwar auch alles andere als ehrgeizig, aber ich wusste, dass ich dabei bleiben würde, dass ich es meinen Eltern irgendwie schuldig war. Jelto hätte mich ausgelacht.
Das Wasser hatte gekocht und ich goss mir einen Kräutertee auf. Jelto hatte ihn mir geschenkt, nachdem er bei unserem nächtlichen Einbruch in den Botanischen Garten ein paar Kräuter hatte mitgehen lassen. Ich stand noch immer an die Arbeitsplatte gelehnt und schaute aus dem gekippten Küchenfenster, während ich an meinem Tee nippte. Der Regen war fein, aber stetig. Die Straßen waren leer, als würde der Sommer Pause machen. Ich überlegte, was ich mit dem heutigen Tag so anfangen könnte und ermahnte mich zum bestimmt fünften Mal heute selbst, dass ich nicht Jelto anrufen würde. Ein paar Tage ohne einander waren gut, waren richtig. Ich durfte mich da nicht so hineinfallen lassen – ach was erzählte ich mir da selbst, das war doch längst schon passiert. Ich stöhnte.
Mein Handy klingelte. Raphis Name blinkte auf dem Display. Als ich ran ging, begann er direkt los zu plappern. „Ich steh hier bei Rewe, Skara. Sag mal heute Abend gemeinsam kochen wäre doch schick, oder? Ich hab auch schon mit Mel und Ferdi gesprochen, die kommen vorbei. Auf was hast du Lust? Wie stehst du persönlich so zu grünem Spargel? Is Henry zuhause? Falls nicht kannst du ihn dann bitte anrufen und ihm sagen, dass wir um sieben kochen?" – „Um sieben?", war alles was ich etwas überrumpelt antwortete und schaute auf die Küchenuhr. „Man Raphi, es ist halb sieben!". Ich hörte ihn lachen, dann sagte er irgendwas davon, dass er nun, wenn ich nicht protestierte, grünen Spargel kaufen würde und legte auf. Ich verdrehte die Augen und begann die Küche aufzuräumen und zu spülen, damit wir auch saubere Töpfe und Teller hatten. Ich widerstand dem Drang Jelto einzuladen und rief stattdessen nach Henry, der in seinem Zimmer Gitarre spielte und nun Abtrocknen helfen durfte. Ich berichtete ihm von Raphis Plan und Henry freute sich, dass sein Tag wenigstens noch etwas Leben bekam und ich fragte mich, ob er sich vor allem freute, weil Mel vorbeikommen würde. Seit einiger Zeit beobachtete ich schon, wie Henry sich in Mels Gegenwart benahm und war ziemlich sicher, dass er ein bisschen verschossen war. Doch Mel hatte Ferdi (zumindest meistens) und Henry war normalerweise nicht der Typ mit ernsten Absichten. Ich überlegte, ob ich ihn darauf ansprechen sollte, doch er kam mir zuvor: „Kommt Jelto auch?".
Ich sah ihn gequält an und er grinste über meinen doofen Gesichtsausdruck. „Was ist? Hast dus schon wieder versemmelt?", ich schnickte ihm empört etwas Spülwasser ins Gesicht und er lachte. „Im Ernst Skara, du bist so happy mit ihm, mach das bitte nicht kaputt, nur weil du Schiss hast. Gerade nach der Sache mit –", ich schnitt ihm genervt das Wort ab: „Da gibts nichts, was ich kaputt machen kann, weil da nichts ist und außerdem warne ich dich, dieser Name ist in dieser Wohnung tabu und das weißt du!". Henry hob abwehrend die Hände, als ich ihm mit erhobenem Zeigefinger drohte. Kurz darauf musste ich über mich selbst lachen. Ein Lachen gespickt mit Verzweiflung wegen der ausweglosen Situation mit Jelto.
Henry und ich waren fertig mit spülen. Er ließ sich auf einen der Küchenstühle fallen und ich rief Jelto an. Natürlich rief ich ihn an und lud ihn für heute Abend ein, wem wollte ich was vormachen. Klar würde es mir gut tun mich nicht allzu sehr an ihn zu gewöhnen, klar war da vielleicht nichts Richtiges zwischen uns, aber das war mir komplett und wirklich eindeutig egal - ich hatte mich in der letzte halbe Stunde doch mal wieder nur selbst verarscht.

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Huch, schon das dritte Kapitel. Leider nur ein Zwischenkapitel mit nicht allzu viel Handlung. Bald wird es wieder bisschen interessanter!

Liebe Grüüüße

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