Zurück in der Wg, setzte ich mich in die Abendsonne auf den Balkon.
Das goldene Licht ließ mich wohlig seufzend in den Himmel schauen und die angestrahlten Hausfassaden bewundern.
Ich war ganz schön müde und mittlerweile auch gar nicht mehr so traurig darüber, dass Mel mich nicht eingeladen hatte.
Henry kam auf den Balkon, reichte mir eine dünne Decke und ein Weinglas mit orangener, sprudelnder Flüssigkeit.
Ich sah ihn neugierig an, während ich mir die Decke über den Schoß ausbreitete und meine Beine über Henrys Beine legte, nachdem er sich zu mir gesetzt hatte.
"Ich hab dir alkoholfreien Aperol Spritz gekauft", sagte er und nahm einen Schluck Bier.
Ich sah ihn an und hätte schon wieder heulen können.
"Danke", hauchte ich und griff nach seiner Hand, um einen Kuss auf ihren Rücken zu geben.
"Ich weiß doch wie dir das gerade in solchen Momenten fehlt. Du hast deinen Drink auf dem Balkon geliebt und so viele andere Dinge, auf die du gerade verzichten musst. Ich wollte dir ein bisschen Normalität geben".
Ich hob meine Hand an seine Wange und strich liebevoll darüber. "Du bist echt der Beste", murmelte ich. Das war eine Floskel, aber ich meinte es so, so ernst.Henry lächelte, ich nahm einen genüsslichen Schluck Aperol.
Wir schwiegen kurz zufrieden, dann sah er mich nachdenklich an und sagte:
"Ich will's doch einfach leichter machen für dich. Ich kann dir einfach das Schwerste nicht abnehmen, aber bei allem anderen werde ich dir helfen", er platzierte seine Hände auf meinen Schienbeinen, die auf seinen Oberschenkeln lagen.
Er sah mich ernst an.
"Aber dafür muss ich hier sein, Skara. Ich hab da nochmal drüber nachgedacht. Ich kann nicht gehen, während du hier bleibst und schwanger bist. Vorallem während der letzten Monate und am Ende schaffe ich es nicht rechtzeitig heim für die Geburt. Und dann musst du es alleine großziehen und ich bin meistens in Wien und nur ab und zu mal bei euch. Ich will für dich da sein, ich will für unser Kind da sein und ich will wirklich ganz egoistisch gesehen auch einfach dabei sein".
Er atmete tief durch. "Ich werd den Platz absagen, ich geh nicht nach Wien".Ich sah ihn an und er meinte es komplett ernst.
Ich schüttelte den Kopf. Erst zaghaft, dann vehement.
"Du gehst. Keine Widerrede", sagte ich und mein Ton war strenger, als beabsichtigt.
Henry schmunzelte. "Du klingst wie eine Mutter".
"Lenk nicht ab!".
Er warf mir einen Luftkuss zu.
"Henry, ich mein das ernst. Du gehst, wir hatten das besprochen. Ich kann mir das nicht verzeihen, wenn du hier bleibst. Irgendwann wirst du es mir vorwerfen".
Er verdrehte die Augen und atmete hörbar aus. "Skara bitte! Glaubst du das wirklich?"
Ich nickte. Er sah mich enttäuscht an.
"Am Ende ist es nicht deine Entscheidung", meinte er dann leise.
Und dann sagte ich: "Dann komm ich eben mit"."Was?", fragte er und sah mich komplett entgeistert an.
Ich zuckte mit den Schultern, nippte darauf an meinem Weinglas.
"Dann komm ich mit. So abwegig ist die Möglichkeit ja nicht. Da hast du doch sicher auch schon drüber nachgedacht".
Henry nickte langsam.
"Natürlich, aber ich habe es sofort wieder verworfen".
Ich atmete tief ein und aus.
Bis eben war das auch für mich keine Option gewesen. Ich liebte Berlin, es war mein Zuhause. Meine Familie war ihr und dadurch auch eine wichtige Unterstützung, ich studierte noch und ich arbeitete hier. Henrys Eltern waren hier und Leo und natürlich war Mel hier und Raphi und Gianna und alle anderen Menschen, die ich lieb hatte, die uns unterstützen könnten.
In Wien da wären wir allein, ganz auf uns gestellt. Henry würde studieren und ich würde mit abgebrochenem Studium zuhause sitzen. Mit Kind und ohne Perspektive.
Selbstredend also, dass es keine Option gewesen war, dass ich mitgehen würde.
Aber dass Henry seinen Traum aufgab, das war noch viel weniger eine Option.
Vielleicht konnte ich meine letzten Veranstaltungen online absolvieren und dann müsste ich nur noch meine Abschlussarbeit schreiben, das konnte ich ohnehin von überall.Auch in Henrys Kopf schien es zu arbeiten.
"Meinst du das ernst?", fragte er.
Ich nickte.
"Mir fällt keine andere Lösung ein", ich lächelte ein wenig resigniert.
Er fuhr sich über die kurzen Haare.
"Ich kann das nicht von dir verlangen", murmelte er.
"Ich biete es aber an".
"Skara -", mein Handy klingelte und unterbrach ihn.
Ich wollte den Anruf wegdrücken, doch Charlottes Name auf dem Display ließ mich nervös abheben. Sie rief mich nie an. War etwas mit Toni? Mit Ella? Mit meinen Eltern?
"Hi Skara", begrüßte sie mich und ihre Stimme nahm mir direkt etwas Aufregung. Man hörte ihr freundliches Lächeln heraus.
"Ich hoffe ich störe dich nicht, aber ich wollte dich anrufen, weil mir etwas keine Ruhe lässt", begann sie und ich horchte irritiert auf.
"Ne, ne du störst nicht", sagte ich, obwohl sie uns eindeutig unterbrochen hatte. Henry sah mich neugierig an und ich bedeutete ihm, dass ich keine Ahnung hatte. "Um was geht es denn?".
"Ich möchte wirklich keine Grenze überschreiten", begann sie, schien kurz mit sich zu hadern, sprach dann aber weiter: "Aber ich wollte dir sagen, dass du immer mit mir sprechen kannst und ich auch, nur weil dein Bruder und ich zusammen sind, auch ein Geheimnis für mich behalten kann". Mein Herz klopfte schneller und ich schluckte.
"Du hast mich heute ein bisschen an mich erinnert", sie stockte. "Als ich mit Ella schwanger war
DU LIEST GERADE
Trifolium
General FictionSkara sucht Abwechselung und findet Jelto. Die beiden verbringen einen gemeinsamen Sommer. Doch auch dieser Sommer endet irgendwann und mit ihm die gemeinsame Zeit. Schnell stellt Skara fest, dass sie eigentlich viel mehr braucht als einen Flirt, u...