Am Abend trieb mich mein knurrender Magen aus dem Zimmer und in die Küche. Ich machte mir ein Brot. Appetit hatte ich nicht wirklich, aber ich musste etwas essen, denn mir wurde bereits schlecht. Mein Gesicht war verquollen, meine Augen rot und ich hoffte inständig, dass ich gleich wieder unbemerkt in mein Zimmer verschwinden könnte. Doch Raphi betrat die Küche.
„Magst du mir erzählen, was bei euch los ist?", fragte er und ich zuckte zusammen.
Ich sah ihn an und Raphi blickte liebevoll zurück. Er nahm sich ein Glas und füllte es unter dem Wasserhahn der Spüle.
Ich sagte nichts.
„Ist es wegen Wien?".
Ich zuckte mit den Schultern und murmelte: „Zum Teil".
Raphi seufzte, nahm einen Schluck aus seinem Wasserglas und legte mir dann den Arm um die Schultern.
„Henry war wirklich fertig. Er ist zu Leo gefahren".
Das hieß, er war gar nicht zuhause. Das war gut. Dann konnte ich mir in Ruhe überlegen, was ich als nächstes tun würde.
„Ich glaub wir brauchen beide ein bisschen Bedenkzeit", antwortete ich und schluckte.
Raphi nickte.
„Kann ich was für dich tun?", fragte er dann.
Ich verneinte und verließ die Küche.
Als ich gerade in den Flur abbog, sagte Raphi: „Und Skara?", ich drehte mich noch einmal zu ihm um. „Ihr zwei schafft das schon. Habt ihr doch immer".
Ich blinzelte die Tränen weg, die sich in meinen Augen sammelten und nickte.Nach zwei Bissen, legte ich mein Brot lustlos zur Seite. Mit klopfendem Herzen lief ich im Zimmer auf und ab.
Fest in meiner geschlossenen Faust hielt ich den Schwangerschaftstest.
Positiv.
Genau wie der zweite.
Wie hoch wohl die Chance war, dass beide ein falsches Ergebnis zeigten?
Ich schluckte die aufkommende Übelkeit herunter. Die Nervosität sorgte dafür, dass mir kotzübel wurde.
Gleich morgen früh würde ich zum Arzt gehen.
Und dann?
Ich dachte an Charlotte und meinen Bruder mit der kleinen Ella.
Und begann schon wieder zu weinen.„Kann ich dich zurückrufen?", fragte Mel am Telefon. Sie klang gestresst.
Ich antwortete mit einem lauten Schluchzer.
Ich hörte, wie sie stehen blieb.
„Skara?".
Ich versuchte mich zu sammeln, doch brachte kein Wort heraus.
Ich saß auf einer Parkbank um die Ecke meines Gynäkologen.
Ich heulte Rotz und Wasser, einige Passanten hatten mir schon seltsame Blicke zugeworfen.
„Komm bitte her", schaffte ich dann doch endlich zu sagen, nachdem Mel meinen Namen drei mal besorgt wiederholt hatte.
„Schick mir deinen Standort, ich bin unterwegs".
Eine halbe Stunde später war sie da und ich hatte mich keinen Zentimeter bewegt. Es flossen keine Tränen mehr, vermutlich hatte ich mich leergeweint. Ging das?
„Scheiße, was ist denn los?". Sie setzte mich neben mich und nahm vorsichtig meine Hände in ihre. Beinahe ängstlich sah sie mich an.
„Du musst schwören, dass du es niemandem erzählst", sagte ich und starrte auf meine zitternden Finger, die nun in Mels Hand lagen.
Meine Stimme klang wie betäubt.
Ich hob meinen Blick und sah in Mels gespanntes Gesicht.
Wenn ich es jetzt sagte, dann würde alles anders sein. Das war es real.
Aber ich konnte damit nicht alleine fertig werden.
Ich schluckte schwer.
Straffte die Schultern.
„Ich bin schwanger".
Mels Augen weiteten sich, doch sie gab sich alle Mühe, ihre Reaktion zu zügeln.
„Was?". Die Frage schien aus ihrem Mund heraus gepurzelt zu sein, denn sie schüttelte direkt darauf über sich selbst den Kopf.
Dann sagte sie eine Weile nichts.
Was sagte man denn auch darauf?
Scheiße oder Herzlichen Glückwunsch?
Bei mir wohl eher Scheiße, bei meinem Bruder und Charlotte damals Herzlichen Glückwunsch.
„Und jetzt?", fragte Mel dann und ich schnaubte.
„Das ist die Eine-Million-Euro-Frage".
„Komm her". Sie nahm mich fest in den Arm.
Ich ließ mich von ihr halten. Es tat gut, aber ich versteifte mich auch und konnte es nicht annehmen. Ich wollte von Henry in den Arm genommen werden. Bei ihm konnte ich mich fallen lassen.
Mel ließ mich los und fuhr sich übers Gesicht.
Normalerweise würden wir jetzt wohl auf den Schock eine Zigarette rauchen.
„Weiß Henry es schon?", fragte Mel.
Ich atmete tief ein und aus.
„Nein", sagte ich dann bestimmt. „Und er wird es auch nicht erfahren".Ich erzählte Mel von Wien. Ich erzählte ihr davon, dass Henry nicht gehen würde, wenn er es wüsste und dass ich seine Träume nicht kaputt machen würde. Mel hörte zu und zog ihre Augenbrauen verstimmt zusammen.
„Das kannst du nicht machen, Skara".
Sie stand auf und lief nun vor der Bank auf und ab, setzte sich wieder hin.
„Du musst es ihm sagen".
Ich schüttelte entschieden den Kopf „Vielleicht behalte ich es ja nicht, dann wäre es doch eh egal". Während ich das sagte, zog sich mein Herz zusammen.
Könnte ich ohne Henrys Wissen diese Entscheidung treffen? Es war meine, ganz klar. Aber er sollte doch wenigstens die Chance haben, seine Meinung sagen zu können.
„Das könntest du nicht". Mel sah mich mit einer Mischung aus Sorge, Empörung und Fassungslosigkeit an.
„Wie soll ich denn jetzt ein Kind großziehen? Allein!". Meine Stimme klang ganz schrill und ich senkte sie schnell wieder. „Ich hab ja nicht mal nen Abschluss".
Mel winkte ab.
„So meinte ich das nicht. Ich meine, du könntest das nie ohne Henry". Sie sagte das mit so einer Sicherheit, als wäre es ein Fakt. Ein Naturgesetz.
„Egal, für was ich mich entscheide. Ich werde es können müssen. Ob ich es behalte oder nicht, Henry wird nach Wien gehen".
Mel schüttelte den Kopf. „Skara, sei realistisch. Wie willst du es denn vor Henry verbergen? Du arbeitest für seinen Vater, du siehst Leo andauernd, Raphi könnte das nie vor Henry verheimlichen. Und am schlimmsten – Du kannst Henry nicht anlügen. Konntest du noch nie".
Es wurde mir alles zu viel. Ich wusste es nicht. Ich wusste gar nichts. Meine Ohren begannen zu rauschen. Mel schien plötzlich weit weg zu sein. „Keine Ahnung", sagte ich verzweifelt. „Keine Ahnung!". Meine Atmung wurde schneller, hektischer. Ich bekam keine Luft!
„Skara, hey! Alles gut. Atme ruhig ein und aus. Du hyperventilierst". Mels Stimme war mit einem mal ganz klar. Sie stand auf und ging vor mir in die Knie. „Schau mich an. Alles ist in Ordnung. Ich bin da".
Meine Atmung normalisierte sich.
Wir sagten eine Weile nichts.
„Ich würde mir nie verzeihen, wenn er nicht geht", flüsterte ich dann.
Mel gab einen genervten Laut von sich.
„Er trägt die gleiche Verantwortung, wie du".
Ich schüttelte den Kopf.
„Du wirst es ihm nicht sagen".
Mel hob zwei Finger. „Ehrenwort".
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Trifolium
Tiểu Thuyết ChungSkara sucht Abwechselung und findet Jelto. Die beiden verbringen einen gemeinsamen Sommer. Doch auch dieser Sommer endet irgendwann und mit ihm die gemeinsame Zeit. Schnell stellt Skara fest, dass sie eigentlich viel mehr braucht als einen Flirt, u...