Kapitel 36

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Mit schnellen Schritten ging es Richtung Feiertage und heute Abend würde die Weihnachtsfeier des Theaters stattfinden. Ich kam gegen Mittag in die Küche, nachdem ich vor meinem Kleiderschrank auf Outfitsuche verzweifelt war. Raphi und Henry kochten und Henry erzählte von seinen Abendplänen. In meinem Kopf äffte ich ihn nach, da er schon wieder etwas mit Dana und Pia vorhatte. Ich konnte das beklemmende Gefühl nicht abstellen, welches sich immer in meiner Brust breit machte, wenn er von Pia sprach. Ich fand mich deswegen albern.
„Was geht bei dir heute, Skara?", fragte Raphi und drehte sich vom Herd zu mir um. Ich hatte mich an den Tisch gesetzt und meine Füße auf jenem abgelegt. „Weihnachtsfeier vom Theater. Ich bin noch auf Outfitsuche, ich muss richtig heiß aussehen", erzählte ich. „Wieso denn das?", fragte Henry, der mir bis eben den Rücken zugewandt hatte, hörte auf Gemüse zu schneiden und drehte sich zu mir um. Er zog dabei eine Augenbraue hoch, eine Fähigkeit, um die ich ihn zutiefst beneidete. Ich grinste. Natürlich hatte ich das mit Absicht gesagt. „Ich möchte unter den Schauspielern und Schauspielerinnen auffallen. Das ist gar nicht so leicht, die sind alle unglaublich sexy". Raphi lachte, während Henry zwinkerte und grinsend sagte: „Du bist auch sexy".
Ich hasse es das zuzugeben, aber mein Herz hüpfte kurz.
Die Jungs kochten fertig und wir aßen gemeinsam. Dabei erzählten wir dies und das. Danach zeigte ich ihnen meine Outfits, die zur Debatte standen und holte mir ihr Feedback ein. Sie waren allerdings keine große Hilfe. Raphi war von jedem Outfit begeistert und Henry sagte bei jedem, dass das viel zu kalt sei, wir hätten schließlich Minusgrade. Am Ende war ich so schlau, wie vorher und etwas enttäuscht.

Als ich am frühen Abend in einem kurzen, schwarzen Kleid und einem Kunstpelzmantel darüber in die Küche kam, klatschte Raphi begeistert in die Hände. „Skara, das ises. Du siehst super aus". Ich schenkte ihm ein Lächeln. Henry und ich verließen gemeinsam die Wohnung, da er zu seinem Treffen mit Pia und Dana in eine ähnliche Richtung musste. „Was habt ihr so vor?", fragte ich ihn, obwohl ich eigentlich gar keine Lust hatte, etwas über Pia zu hören. „Wir treffen uns bei Pia, sie wollte, dass ich ihr ein bisschen was zu ihrer neuen Kamera erkläre und dann mal schauen", er zuckte mit den Schultern und drehte dabei seine analoge Kamera, die er um den Hals hängen hatte, in den Händen. Wir liefen schweigend weiter, ich kämpfte gegen den Drang an, ihn zu fragen, ob da denn nun was zwischen ihm und Pia lief. Ich wollte es nicht wissen, aber gleichzeitig fraß mich die Neugier auf. Henry blieb plötzlich stehen. „Lass mich ein Bild von dir machen".
Ich liebte es, wenn er mich fotografierte. Ich liebte es, wenn er mich durch die Kamera sah. Ich liebte es, wenn er in mir etwas sah, dass es lohnte festzuhalten.
Henry machte ein Foto.
Wir verabschiedeten uns, als sich unsere Wege trennten. Er zog mich in eine Umarmung, dabei flüsterte er mir ins Ohr: „Du siehst schön aus. Und sexy. Du wirst allen auffallen". Dann drückte er mir einen Kuss auf die Wange, drehte sich um und ging.
Eine Gänsehaut breitet sich über meinen gesamten Körper aus.
Warum ging er dann denn immer zu ihr?

Es wurden Unmengen an Wein und Sekt getrunken und es gab ein herrliches Buffet. Ich unterhielt mich anfangs hauptsächlich mit Estefania, ich war zu schüchtern das Gespräch mit anderen zu suchen, da ich kaum jemanden kannte. Doch der Sekt lockerte meine Zunge und nun schwätzte ich mal hier, mal dort.
Lothar kam auf mich zu, natürlich war er auch hier. „Skara meine Liebe. Hast du einen schönen Abend?", fragte er, begrüßte mich mit einem Kuss auf die Wange und trank dann einen Schluck Rotwein.
Ich nickte lächelnd. Wir unterhielten uns übers Theater und wie es privat so lief. „Wie geht es meinem Sohn?", fragte er dann. „Henry meldet sich so selten bei uns. Leo meinte, es gäbe da ein Mädchen?".
Also doch. Also war da doch etwas zwischen ihm und Pia.
Ich überspielte das Stechen in meiner Brust mit einem lächelnden Schulterzucken. „Leo muss es ja wissen, aber ich habe da leider keine Informationen für dich". Ich leerte mein Sektglas. Lothar nickte. „Ist alles okay bei euch?", fragte er dann, er war ja nicht blöd. „Ja voll, total. Wir sind nur irgendwie alle sehr beschäftigt momentan", erklärte ich dann und Lothar glaubte mir kein Wort. Er nickte aber verständnisvoll und wir beendeten das Gespräch.

Danach trank ich schnell noch ein Glas Sekt. Und dann suchte ich mir Ablenkung. Ich fand sie in einem der sexy Schauspieler namens Jakob. Wir knutschten in den leeren Umkleiden des Theaters rum, ehe wir zu ihm verschwanden.
Wir verbrachten die Nacht miteinander und morgens ging ich bevor er wach wurde. So etwas hatte ich noch nie getan. Nie war mir One-Night-Stands sogleich gültig, dass ich nicht mal mit ihm frühstückte. Ich kam in der Wg an und Henry war nicht da. Er hatte die Nacht offensichtlich bei Pia verbracht. Ich nahm es nüchtern zur Kenntnis. Raphi stand auf dem Balkon, er hatte seinen Mantel über den Schlafanzug gezogen und rauchte zum Kaffee eine Zigarette.
Ich gesellte mich zu ihm und er wackelte mit den Augenbrauen. „Na, wo hast du die Nacht gesteckt?", fragte er und ich stibitzte mir seine Zigarette. Ich nahmeinen tiefen Zug, ignorierte meinen Kopfschmerz und nahm noch einen Zug. „Bei einem dieser sexy Schauspieler", sagte ich nur und fuhr mir mit der Hand übers Gesicht. Raphi nickte und nahm mir seine Zigarette wieder ab. „Also ist da doch nicht wieder was zwischen Henry und dir?", fragte er dann und sah mich prüfend an. Überrascht sah ihm ins Gesicht. Er hatte bisher kein Wort über dieses Themaverloren. Ich schüttelte zögernd den Kopf und dachte an Lothars Worte am vergangenen Abend und an Pia. „Nein", sagte ich dann, „da ist nichts".

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