Kapitel 17

57 6 5
                                    


Das Meer fehlte mir ab dem Moment, als ich ins Auto stieg. Mel drehte die Musik auf und ich kurbelte mein Fenster herunter. Die Luft, die hereingeweht wurde, schmeckte salzig. Ich zündete mir eine Zigarette an und reichte sie ab und zu an Mel. Die Sonne stand bereits tief am Himmel, bald würde sie unter gehen. Es würde spät sein, wenn wir in Berlin ankommen, aber nichtsdestotrotz würde ich direkt zu Jelto fahren. Er freute sich auf mich hatte er gesagt und ich freute mich auf ihn. Mel fuhr lange Zeit über Land, bis das Auffahren auf die Autobahn unumgänglich wurde. Die Landschaft war so schön und das Licht wirkte fast magisch. Mel fing an mitzusingen und ich stimmte direkt mit ein. So fühlte sich Freiheit an.

Jelto öffnete die Tür und ich fiel ihm in die Arme. Er hob mich ein kleines Stück hoch und vergrub sein Gesicht in meiner Halsbeuge. Es fühlte sich an als hätten wir uns eine Ewigkeit nicht gesehen und ich war fast froh, dass er nicht mit an Meer gefahren war, denn sonst hätte ich dieses pure Glück des Wiedersehens nie gespürt.
Wir küssten uns lang und intensiv und am liebsten wäre ich direkt mit ihm in sein Bett gegangen, doch er löste sich zärtlich von mir. „Ich hab dir Essen gekocht", sagte er und strich mir sanft über die Wange. „Ich dachte du hast sicher Hunger".
Ich sah ihn erstaunt an und freute mich dann ziemlich doll. Ich glaube ich hatte noch nie in meinem Leben so leckere Spaghetti al arrabiata gegessen, wie an diesem Abend.

Danach schliefen wir miteinander und danach noch einmal und wir blieben die ganze Nacht wach und redeten und rauchten und küssten und kuschelten. Mein Herz fühlte sich an, als würde es jeden Moment platzen, so glücklich war ich und Jeltos Dauergrinsen zeigte mir, dass es ihm verdammt ähnlich ging.

Am Morgen ging Jelto schnell zum Bäcker gegenüber und dann aßen wir Croissants im Bett, bevor wir total erschöpft einschliefen.
Gegen Nachmittag wurde ich wach und hörte Jelto vor sich hin murmeln. Er strich über mein Haar, doch ehe ich ganz wach war und die Chance bekam zu verstehen,was er sagte, stoppte er. Ich schlug die Augen auf. „Ausgeschlafen?", fragte er und drückte mir einen unschuldigen Kuss auf die Lippen. Ich nickte. „Hast du Lust spazieren zu gehen?". Ich kuschelte mich seufzend noch etwas enger an ihn,nickte aber dann erneut. „Ja, aber nur wenn wir einen Wein mitnehmen", antwortete ich und grinste. Er verdrehte gespielt empört die Augen, schlug energisch die Decke zurück und sagte, während er energiegeladen aus dem Bett stieg, „Selbstverständlich nehmen wir einen Wein mit. Hältst du mich für einen Banausen?". Ich lachte und kletterte ebenfalls aus dem Bett. Wir zogen uns an, schnappten uns eine Flasche Rotwein und begaben uns nach draußen in die noch immer drückende Nachmittagshitze der Großstadt.

Gegen Abend kam etwas Wind auf, er strich über meinen aufgeheizten Körper und durch das leicht im Nacken klebende Haar. Ich hatte einen kleinen Schwips. Wir schlenderten schon eine ganze Weile umher und erzählten uns dies und das. Zu vielen Ecken und Häusern, die wir passierten, hatte ich kleine Anekdoten, die Jelto gerne hörte. „Es ist schon schön, lange in einer Stadt zu leben und so viel von ihr zu kennen", sagte er ein wenig nachdenklich und ich sah ihn überrascht an. Ich dachte immer, das wäre es, das Jelto gar nicht mochte. „Ich dachte es langweilt dich, zu lange an einem Ort zu bleiben?", fragte ich deshalb und sah ihn ein wenig provokativ von der Seite an. Jelto zuckte mit den Schultern und sagte darauf nichts. Ich verdrehte die Augen. „Ich finde es schön eine Verbindung zu Orten in der Stadt zu haben, das ist für mich Zuhause sein". Ich stoppte kurz und dachte nach, dann fügte ich an: „Aber ich würde gerne auch mal weg aus Berlin, Also irgendwann, vielleicht nach dem Bachelor". Ich hing kurz meinen eigenen Worten nach. Ich würde wirklich gerne irgendwann an einem anderen Ort leben, vielleicht im Ausland, aber ich musste mir selbst eingestehen, dass ich mich auch fürchtete. Ich hatte es nicht mal zum Studium aus meiner Heimatstadt rausgeschafft, zu groß war die Angst allein zu sein. Also hatte ich die Idee zum Studium alleine weg zu ziehen, auf nach dem Studium alleine weg zu ziehen verschoben – obwohl ich es dann vermutlich ebenso wenig machen würde. Ich kannte in Berlin viele Leute und meine Familie war hier, wo anders kannte ich vielleicht keine Menschenseele. Alleine neu anfangen - Wollte ich das? Und viel wichtiger, konnte ich das überhaupt?
Jelto hingegen machte seine Ziele von niemandem außer sich selbst abhängig, so würde ich wohl nie sein.

Nach dem Wind kam bald der Regen. Dicke Tropfen landeten auf dem Asphalt. Es roch herrlich. Jelto und ich ließen uns den Wetterumschwung kein bisschen anmerken. Wir schlenderten weiter, während um uns herum die Leute ins Trockene eilten. Jelto blieb stehen und zog mich zu einem Kuss an sich heran, dann legte er mir einen Arm um die Schultern und wir liefen weiter. Der Schauer war bald schon wieder vorüber und wir setzten uns auf eine der schmalen Bänke vor einer Kneipe, in der ich noch nie zuvor gewesen war. Jelto bestellte Nachos mit Peperoni und Käse überbacken, es war himmlisch. Wir schufen neue Erinnerungen in der Stadt, die mein Zuhause war und von denen ich beim nächsten Schlendern durch die Straßen erzählen konnte. 

TrifoliumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt