Kapitel 39

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Ich fiel todmüde ins Bett. Der Tag war anstrengend gewesen und ich freute mich auf einen erholsamen Schlaf. Es war kuschlig warm unter der Decke und mein Kopf lag sanft auf den weichen Kopfkissen. Ich schlief direkt ein.

Als ich aufwachte, schien mir die zarte Wintersonne ins Gesicht. Ich drehte mich noch ein paar Mal im Bett hin und her und wagte es dann die warme Decke zurückzuschlagen und aufzustehen. Es war kalt und ich zog mir eilig einen Pullover und Wollsocken an. Die Wohnung war noch still, ich tapste in die Küche und kochte mir einen Kaffee, um dann auf den Balkon zu treten. Die Luft war schneidend kalt, Reif bedeckte die Dächer Berlins. Ich ließ meinen Blick kurz durch die Nachbarschaft gleiten und ging dann wieder nach drinnen. Während ich in der Küche meinen Kaffee trank, las ich seit langem mal wieder aus reiner Freude in einem Buch. Nicht für eins meiner Seminare oder für eine Hausarbeit, einfach für mich. Ich merkte, wie meine Gedanken anfingen sich immer tiefer in die Geschichte zu verkriechen. So bald würde ich sie nicht mehr dort hinaus bekommen. Im Radio lief ganz leise Driving Home for Christmas. Ich hatte die Kerzen angemacht, die auf unserem Tisch standen und mir ein paar Plätzchen geschnappt, die Evy uns gestern mitgegeben hatte – es fühlte sich weihnachtlich an. Es fühlte sich friedlich an. Ruhig. Sanft. Mein Herz schien seit langem mal wieder in meinem eigenen Takt zu klopfen.

Es dauerte noch eine ganze Weile, bis Henry und Raphi aus ihren Zimmern kamen, doch die Zeit flog, denn ich las.
Müde setzten sie sich zu mir in die Küche. Henry spielte mit den Flammen, der weit herunter gebrannten Kerzen. Ich sah von meinem Buch auf, als Raphi sagte, dass er immer noch nicht in Weihnachtsstimmung war und dringend einen Tapetenwechsel bräuchte. Wegfahren wäre schön, dachte ich. Henry hielt seinen Finger ein wenig zu lange in die Flamme, zuckte zusammen und zog ihn hastig wieder heraus. Ich grinste, Idiot.
„Wir könnten zu meiner Tante fahren. Ein paar Tage nimmt sie uns sicher auf", sagte er dann und rieb sich seinen verbrannten Finger. Raphis Augen begannen zu leuchten und auch ich war begeistert.
Henrys Tante Vera wohnte auf einem alten Hof in Brandenburg, wo sie ihr eigenes  Gemüse anbaute und ein paar Hühner sowie ein Volk Bienen hielt. In ihrer ausgebautenScheune betrieb sie einen kleinen Buchladen, der vermutlich nur aus reinster Willenskraft noch nicht pleite war, denn in dem kleinen verstaubten Örtchen waren kaum noch Einwohner übrig, die Veras Laden besuchten.
Ich war ewig nicht dort gewesen und hätte am liebsten sofort meine Koffergepackt. Vielleicht schneite es ja in Brandenburg!
„Ja lass uns zu Vera fahren!", rief ich also begeistert und Henry lachte. Er rief sie direkt an und natürlich sagte sie, dass wir jederzeit kommen könnten.
Wir entschieden am nächsten Morgen los zu fahren.
Ich freute mich endlich etwas mit Raphi und Henry zu dritt zu unternehmen, das hatten wir zu lange nicht gemacht. Kurz war ich etwas nervös, dass es komisch werden könnte – zwischen Henry und mir, doch ich schüttelte den Gedanken ab.
Raus aus der Stadt kommen, war schon lange überfällig.

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