Kapitel 48

45 5 4
                                    

Es roch nach Schwefel und Rauch. Die Straßenlaternen warfen mattes Licht auf die gut gefüllten Wege. Es war bitterkalt und ich hielt meine Teetasse mit beiden Händen umklammert. Ich seufzte.
Ich dachte an den Abend und musste schmunzeln. Ein absoluter Reinfall. Aber wenigstens würde ich morgen nicht verkatert aufwachen. Im Gegensatz zu Henry.
Ich fragte mich, wie es zu diesem Totalausfall gekommen war. Wo hatte er vor der Party getrunken? Offensichtlich hatte er den Abend ja mit Pia verbracht. Sie schien nicht gut drauf gewesen zu sein, als ich sie traf.
Und was hatte sie mit wenn man Teufel spricht gemeint? Hatten die beiden sich im Bad über mich unterhalten?
Ich stellte die Teetasse auf dem Tisch ab und fuhr mir übers Gesicht, rieb mir die müden Augen.

Die Balkontür ging auf und Henry trat nach draußen.
„Ich dachte du schläfst schon?", fragte ich und Henry schüttelte zitternd den Kopf. „Bin wieder aufgewacht. Ich fühl mich echt mies". Er hatte einen leidenden Gesichtsausdruck aufgesetzt und lehnte sich schlapp an die Hauswand.
Er sprach noch immer lallend und ich musste grinsen. Ich sagte nichts und er dann auch nicht mehr. Wir schwiegen eine Weile.
„Tut mir leid", sagte er irgendwann.
„Was genau?", fragte ich zurück.
Wir sahen uns dabei nicht an. Man hörte lautes Rufen und Gegröle von den Straßen, irgendwo lief Musik. Sie drang leise bis zu uns auf den stillen Balkon.
„Ich hab mich dumm verhalten", erklärte er, aber ich wurde nicht schlauer.
„Wieso?".
„Das war so unnötig heute Abend. Ich war nicht fair zu dir". Jetzt sah ich ihn an, doch Henry sah blinzelnd auf seine Schuhspitzen.
„Ich verstehe nicht, was zu du meinst".
Henry schüttelte den Kopf und schlang dann vor Kälte zitternd die Arme um den Oberkörper. „Pia war sauer".
Er sprach in Rätseln.
Aber mein Herz begann nervös zu klopfen. War etwas zwischen den beiden heute Abend gelaufen?
„Henry", sagte ich und versuchte entspannt zu klingen. „Wovon sprichst du?".

Er sah zu mir, seine Augen schafften es gerade so mich zu fokussieren.
„Ich wollte gar nicht woanders feiern heute. Ich wollte doch mit dir und Raphi feiern. Aber Pia und so wollten in den Ateliers in der Uni vortrinken, wir sind ja alle so viel dort zurzeit", er stoppte, klopfte seine Taschen ab, schaute mich dann fragend an. Ich reichte ihm kommentarlos mein Drehzeug.
„Ich wusste genau, dass Pia was von mir will". Er klemmte sich einen Filter zwischen die Lippen, drehte sich eine Zigarette und sprach weiter.
Ich hörte stumm zu. Am liebsten hätte ich ihn ungeduldig geschüttelt und ihn angefleht zum Punkt zu kommen.
„Ich wusste auch, dass sie genau deswegen darauf bestand, dass ich auch kommen sollte. Ich gebe zu, dass ich es genossen habe. Ich will nichts von ihr, wollte ich nie, ich habe das aber nicht richtig kommuniziert". „Arsch", unterbrach ich ihn, er nickte. Plötzlich tat Pia mir leid.
„Jedenfalls ist ja auch egal. Ich war irgendwann super betrunken und Pia hat mich angeflirtet und ich hab zurück geflirtet. Ich war plötzlich voll sauer auf dich. Ich dachte mir, vielleicht kann Pia ja mein Jelto sein und dann hat sie mich geküsst".

Ich fühlte mich ziemlich überrumpelt. Ich hatte keine Ahnung, dass es bezüglich Jelto etwas Unausgesprochenes zwischen mir und Henry gab.
„Ich wusste nicht, dass du deswegen wütend auf mich bist", sagte ich also wahrheitsgemäß und Henry zog verwirrt die Augenbrauen zusammen. „Ich doch auch nicht", er lachte kurz auf. „Ich hab keine Ahnung, wo das plötzlich herkam. Aber ich weiß, dass als Pia mich geküsst hat, ich definitiv sauer auf mich wurde. Ich hab Pia versucht zu erklären, dass es dich für mich gibt und sonst da auch kein Platz für wen anderes ist und naja, dann ist sie aus dem Bad gestürzt und du standest da".
Er grinste schief, spielte etwas unsicher an seinem Ohrring und drückte dann seine Zigarette aus.
Ich hätte wegen vielem sauer, enttäuscht und verwirrt sein können. Doch in meinem Kopf kam irgendwie nur an, dass er gesagt hatte, dass es mich für ihn gab und sonst da auch kein Platz für wen anderes wäre.
„Okay", sagte ich und drückte ihm einen unschuldigen Kuss auf die Lippen. "Lass uns schlafen gehen".

TrifoliumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt