55. Kapitel

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Zitat:

If you are always trying to be normal, you will never know how amazing you can be.

~ Maya Angelou

- Matt's POV -

Hatte Jess wirklich gedacht, dass ich sie schlagen würde? Vielleicht war ich nicht immer der netteste, doch nie im Leben würde ich ein Mädchen schlagen. Auch wenn wir uns noch so schlimm stritten, würde ich nicht Hand anlegen.

Vielleicht sollte ich später nochmal mit ihr reden. Ella würde sicher noch länger weg sein und heute war Dads längster Arbeitstag, also sollte ich später noch die Gelegenheit dazu haben.

***

Nachdem ich einige Zeit in meinem Zimmer verbracht hatte, beschloss ich zu Jess zu gehen. Ihr Zimmer befand sich genau gegenüber von meinem, weswegen ich meine Zimmertür öffnete und gleich darauf schon ansetzte, um bei ihrer Tür anzuklopfen. Als ich jedoch leises Schluchzen von der anderen Seite der Tür hörte, hielt ich inne. Sollte ich einfach reingehen? Oder doch zuerst anklopfen? Oder sollte ich später wiederkommen?

Ich beschloss, ohne lange zu überlegen, reinzugehen. Was sollte Schlimmes passieren?

Zaghaft öffnete ich die Tür und betrat Jess' Zimmer. Sofort erblickte ich sie dabei, wie sie mit dem Rücken zu mir am Bett saß. Ich merkte wie sie am ganzen Körper zitterte und etwas, das sich in ihrer Hand befand, anstarrte. Leise trat ich näher an sie heran und konnte Fotos erkennen, die verstreut am Bett hinter ihr lagen. Auf vielen befanden sich ein kleines Mädchen und ein Mann, die übers ganze Gesicht strahlten. Man konnte leicht erkennen, dass es sich bei dem kleinen Mädchen um Jess und bei dem Mann um ihren Vater handelte. Die Ähnlichkeit war unverkennbar.

Ich merkte, wie ich schon fast automatisch, ein paar Bilder vom Bett nahm und mich hinsetzen wollte. Doch genau in dem Moment stand Jess auf und starrte mich entgeistet an.

„Was machst du hier?", fragte sie mich streng und versuchte erst gar nicht ihre Wut zu verstecken.

„Ich wollte mit dir reden."

„Schon mal was von anklopfen gehört?", erwiderte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. In ihrer Hand hielt sie ein Bild, das ich erst ganz erkennen konnte, als sie ihre Arme wieder auseinanderfaltete.

Mit dem Kopf deutete ich darauf, während ich leise zu sprechen begann. „Das ist dein Vater, oder?"

Mit ihren geröteten Augen starrte sie mich verwirrt an, blickte auf das Foto und nickte. „Was willst du also hier?"

„Komm, setzen wir uns", sagte ich und wagte es nicht ihr einen Blick zuzuwerfen. Schnell sammelte sie die Bilder vom Bett ein und legte sie auf ihr Nachtkästchen, bevor sie mir andeutete mich zu setzen. Zu meiner Verwunderung gab Jess nach und setzte sich ebenso. „War es das, was du in Portland gemacht hast? Noch ein paar Sachen holen? Wie diese Bilder?"

„Ja, unter anderem. Ich habe auch Dads Grab besucht."

„Ich weiß, das es schwer ist." Verunsichert sah Jess mich aus dem Augenwinkel an, blieb aber stumm. „Ich weiß noch wie es bei meiner Mutter war", fuhr ich fort und sah sie an.

„Was? Was ist denn passiert? Wo ist sie?", fragte sie mich leise und sah mich nun ganz an.

„Sie ist dort, wo dein Vater jetzt ist."

Ich merkte wie sie näher zu mir rutschte und eine Hand sanft auf meinem Arm ablegte. „Das tut mir unglaublich leid." Ich konnte beim besten Willen nicht begreifen, wie sie mich noch aufmuntern wollen konnte. Wieso? Wieso hatte ich es verdient, dass sie so zu mir war, wenn ich doch ein riesengroßes Arschloch ihr gegenüber war?

New Stepbrother - or more?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt