Zitat:
Anyone who lives within their means, suffers from a lack of imagination.
~ Oscar Wilde
- Matt's POV -
Als ich hochsah, blickte ich in das vertraute Gesicht eines Jungen. „Hi, Kleiner", begrüßte ich ihn leise. Lucas wohnte in der gleichen Straße wie ich, wodurch ich ihm hin und wieder mal begegne. Auch, wenn ich mich manchmal selbst dazu überreden konnte meine Mom zu besuchen, habe ich ihn schon ein paar Mal hier antreffen können. Seine Eltern besuchten nämlich alle paar Wochen das Grab von Lucas' Großmutter. Weil er sie aber, wie er mir mal erzählt hatte, selbst nicht kennenlernen konnte, spaziert er den Friedhof ab, während seine Eltern beim Grab waren. Solange er sich in deren Blickfeld aufhielt, war das wie ich erfahren hatte, mehr als in Ordnung für sie. Lucas war keine sechs Jahre alt und sehr dürr.
„Nenn mich nicht immer Kleiner", meinte er trotzig und setzte sich neben mich.
Kurz musste ich sogar schmunzeln, bevor ich aber wieder vollkommen ernst wurde: „Alles klar bei dir?"
„Bei mir schon, aber du siehst nicht so aus, als würde es dir gutgehen", antwortete er und musterte mich streng.
„Ach, mir geht es gut", antwortete ich.
„Das kauf ich dir nie im Leben ab!", meinte er und verschränkte seine kleinen Arme vor der Brust. Für ein so junges Alter, hatte er ordentliches Selbstbewusstsein und gab sich nicht mit jeder Antwort zufrieden, was mich ihn bewundern ließ. Als Kind war ich sehr still gewesen und hatte mich an Dads Hosenbein geklammert, wenn wir neuen Leuten begegnet waren.
„Sag mal, musst du nicht vielleicht wieder zurück zu deinen Eltern?", fragte ich, um ihn abzuschütteln.
Lucas jedoch schüttelte seinen Kopf und meinte: „Wir sind gerade erst gekommen."
Dann rutschte er noch näher an mich und fragte: „Vermisst du deine Mami? Ist das der Grund?" Mom fehlte mir. So sehr. Sie wüsste was zu tun wäre, wenn es um Jess ginge. Wir hatten eine sehr enge Beziehung zu einander gehabt und konnten zusammen über alles Mögliche reden. Bis sie mir viel zu früh weggenommen wurde.„Ja", murmelte ich leise. Und so saßen wir für einige Zeit da.
„Lucas? Kommst du?", hörte ich seine Mom rufen.
„Ich denke, du musst gehen", sagte ich leise.
„Lucas?", rief seine Mutter nochmal.
„Ja, Moment", entgegnete er, während er von seinem Platz auf dem Boden neben mir aufstand. „Weißt du, meine Mami hat mir von einer Sache erzählt, die in solchen Situationen hilft."
„Und die wäre?", fragte ich misstrauisch, als Lucas langsam den Abstand zwischen uns überwand, sich ein klein wenig bückte und seine dünnen Arme um meinen Körper schlang, um mich zu umarmen.
„Eine feste Umarmung", murmelte er, während ich ihn ebenfalls an mich zog.
„War schön dich mal wieder gesehen zu haben", sagte ich und zwang mir ein Lächeln auf. Der Kleine war zwar teilweise eine richtige Nervensäge, doch in diesem Moment war ich froh, dass er mir ein wenig Gesellschaft geleistet hatte. Ich sah Lucas nach, als er zu seinen Eltern lief und nach jeweils einer Hand griff. Dann drehte ich meinen Kopf wieder Richtung Grab, entdeckte aber aus dem Augenwinkel jemanden an meiner Seite.
„Jess? Was machst du denn hier?", fragte ich vollkommen überfordert und sah sie mit weit aufgerissenen Augen an.
- Jess' POV -
Nachdem ich nach der Schule Zuhause angekommen war, beschrieb mir Mom den Weg zum Friedhof, damit ich mich zurechtfinden würde, wenn ich Matt und zur Seite stehen wollte.
Bereits am Friedhof angekommen, entdeckte ich ihn überraschend schnell, jedoch nicht alleine, denn neben ihm saß ein kleiner blonder Junge. „Was der wohl hier verloren hat?", murmelte ich zu mir selbst, bevor ich beschloss mich im Hintergrund zu halten. Vielleicht brauchten Matt und der Kleine Privatsphäre, um sich ungestört unterhalten zu können.
Noch ein paar Minuten beobachtete ich sie, bis ich die Rufe seiner Mutter vernahm. Doch das was dann geschah, hatte ich kein bisschen erwartet. Der Junge zog Matt an sich und schloss ihn in eine kurze Umarmung. Dann sagte er etwas, was ich aber wegen des zu großen Abstandes nicht verstehen konnte und lief zu seinen Eltern. Matt sah dem kleinen Jungen nach, bevor er seinen Blick auf den Grabstein vor sich fixierte und den Kopf ein wenig sinken ließ.
Langsam ging ich auf ihn von der Seite aus zu. Er schien tief in seinen Gedanken versunken zu sein und bemerkte mich nicht. Als ich jedoch genau neben ihm angekommen war, schoss sein Kopf nach oben.
„Jess? Was machst du denn her?", fragte er mich erstaunt.
„Ich wollte dir Gesellschaft leisten", murmle ich und nahm neben ihm auf der Wiese Platz.
„Danke, das wäre aber nicht nötig gewesen", erwiderte er trotzig und wand den Blick nach unten.
„Oh doch", sagte ich leise und rutschte näher an ihn, um meine Hand auf seine zu legen. „Du bist eiskalt, Matt!", meinte ich erschrocken, als meine Haut auf seine traf und zog scharf die Luft ein. „Wie lange bist du schon hier?"
„Noch nicht allzu lange", erwiderte er und drückte meine Hand.
„Ich mache dir einen Vorschlag. Wir gehen nach Hause und besprechen dann alles, okay?"
Traurig und langsam hob er seinen Blick wieder an, um mir in die Augen sehen zu können und nickte. „Danke", hauchte er gegen meine Haut und drückte mir einen sanften Kuss auf meine Wange und anschließend auf meinen Mundwinkel. Ich sollte Matt böse sein und mit ihm in erster Linie nicht mal sprechen wollen, doch ihn in dieser Verfassung zu sehen, setzte mir ernsthaft zu.
„Komm", meinte ich und zog ihn mit mir auf die Beine. Ohne etwas zu sagen, beschritten wir den Weg aus dem Friedhof bis nach Hause. Auch ich versuchte mich so ruhig, wie nur möglich zu verhalten, obwohl mein Herz wie wild pochte. Und als seine Hand nach meiner griff, war es um mich geschehen und mein Bauch füllte sich mit Hunderten von Schmetterlingen.
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Question:
Mit welchen drei Adjektiven würdest du dich am besten selbst beschreiben?
Bei mir wären das auf jeden Fall unglaublich tollpatschig, kreativ und vielleicht oft etwas überdreht. :)
Melli ♡
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New Stepbrother - or more?
Teen FictionTeil 1 der OM?-Reihe: Jess Collins. 17 Jahre alt und fest davon überzeugt, dass jeder Junge arrogant ist und sich für den besten hält. Sie wohnt seit sie fünf Jahre alt ist zusammen mit ihrem Vater in Portland. Zu ihrer Mutter hat sie keinen Kontakt...