2. Kapitel

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- Jess' POV -

Nur kurz nachdem der Mann verschwunden war, standen Laura und ich meiner Mutter gegenüber. Sie sah genauso aus wie ich sie in Erinnerung hatte.

„Jess? Du bist es doch nicht wirklich, oder?", stammelte sie und starrte mich entsetzt an.

Es dauerte einen Augenblick, bis ich meine Stimme wieder im Griff hatte und antwortete: „Ja, ich bin es."

„Was machst du hier?", fragte sie immer noch genauso leise.

„Dad, er hatte einen Unfall und ich kann nirgends hin", erklärte ich und verlagerte mein Gewicht ungeduldig von dem einen Bein auf das andere.

„David hatte einen Unfall? Aber warte, kommt erst mal rein."

Ella führte uns in ein großes Wohnzimmer, das richtig gemütlich und einladend aussah. Sie deutete auf ein Sofa und setzte sich dann auf einen Sessel gegenüber von uns.

Als der Mann, der uns die Tür vorhin geöffnet hatte, den Raum betrat, versicherte Ella ihm, dass alles in Ordnung sei und er schon mal zu kochen beginnen solle. Ich merkte, dass sie das nur tat, damit wir ungestört reden konnten.

„Also Jessica, was genau ist passiert?", fragte Ella mich und versuchte ihre Stimme so ruhig wie möglich klingen zu lassen.

Ich schilderte meiner Mutter alles was die letzte Woche über geschehen war. Sie sah mich die ganze Zeit über mitfühlend an und am Schluss nahm sie mich sogar in ihre Arme. Ich drückte sie jedoch wieder weg, denn ganz so angenehm war mir die ganze Situation noch nicht. Sie hatte es nur gut gemeint und ich sah, dass es sie verletzte, als ich sie zurückwies, doch auch ich fühlte einen gewissen Schmerz und wollte nicht, dass sie dachte, dass nun alles in Ordnung sei.

„Und was ist mit dem Haus? Und was machst du, wenn die Schule wiederbeginnt? Wo willst du leben?", schoss es nachdem ich fertig gesprochen hatte nur so aus ihr heraus.

„Auf das Haus passt gerade die Mutter von Laura auf und diese wird auch versuchen es weiterzuvermitteln, weil sie von Beruf Maklerin ist. Und die anderen zwei Fragen: Also da kann ich dir im Moment keine Antwort geben."

„Wie meinst du das, Jessica?", entgegnete sie und sah mich fragend an.

„Naja, ich bräuchte bis ich die Schule abgeschlossen habe eine Unterkunft und ich dachte dabei an dich. Es ist viel verlangt und ich weiß, dass-", antwortete ich und wagte es nicht ihrem Blick zu begegnen. Doch mitten im Satz unterbrach sie mich und meinte: „Natürlich kannst du bei uns wohnen. Immerhin bist du meine Tochter."

Ich wusste nicht was mich im Moment mehr schockte: dass sie tatsächlich einverstanden war oder dass sie uns gesagt hatte.

„Aber.. aber du hast uns gesagt. Wer ist damit genau gemeint?"

„Naja, mein Lebensgefährte Scott, sein Sohn Matt und ich", erwiderte sie als  wäre es selbstverständlich und zuckte mit den Schultern.

Das musste ich erst Mal verdauen. Natürlich nahm ich es ihr irgendwie übel. Immerhin hatte sie meinen Vater und mich einfach so verlassen und jetzt erfuhr ich, dass sie schon wieder eine neue Familie hat. Doch es war kein Wunder, dass sie nicht für immer Single bleiben wollen würde. Und außerdem sollte ich nicht sauer sein, es waren bereits 12 Jahre vergangen, seitdem ich sie das letzte Mal gesehen hatte.

Anscheinend konnte sie an meinem Blick erkennen, dass etwas nicht stimmte, denn schnell fügte sie hinzu: „Die Beiden sind wirklich nett! Und Matt ist sogar nur ein Jahr älter. Das bedeutete du könntest in die gleiche Schule wie er gehen! Ihr werdet euch sicher richtig gut verstehen! Außerdem hast du so jemanden, der dir weiterhilft, wenn du Fragen hast oder etwas nicht findest und du Hilfe brauchst."

„Ehm... das kommt alles etwas unerwartet. Natürlich hatte ich mir Gedanken darüber gemacht wie und mit wem du inzwischen wohnen würdest, aber jetzt, wo du es bestätigst, ist es immer noch ein seltsames Gefühl." Ich sah sie noch immer geschockt an und als sie gerade ihren Mund öffnete, um etwas zu sagen, konnte ich meine Zunge nicht mehr zügeln. „Warum, Ella? Warum hast du dich nicht bei mir gemeldet, als Dad und du sich scheiden haben lassen? Wieso musste ich ohne Mutter aufwachsen?"

Sie sah mich ungläubig an und entgegnete dann: „Aber das habe ich doch! Ich habe dir immer Briefe geschrieben und an deinen Geburtstagen habe ich dir auch Geschenke geschickt. Nur ist nie etwas zurückgekommen. Ich habe gedacht, dass du nichts mehr mit mir zu tun haben möchtest."

Der Klos, der sich schon während unseres gesamten Gesprächs in meinem Hals gebildet hatte, löste sich nun und die ersten Tränen liefen meine Wangen hinunter. „Ich.. ich verstehe das nicht. Dad hat mir nie auch nur einen Brief gegeben und von Geschenken weiß ich auch nichts", presste ich heraus und warf Laura einen hilfesuchenden Blick zu. Ob Ella wohl die Wahrheit sagte?

„Vielleicht wollte David einfach vermeiden, dass ich Kontakt zu dir aufnehme. Ich weiß es selbst nicht", erwiderte Ella traurig. Natürlich war das genauso eine Möglichkeit, doch wieso sollte er das machen?

Immer mehr begannen meine Hände zu zittern und immer mehr Tränen flossen über meine Wangen. Laura kam auf mich zu und fiel mir sorgsam um den Hals, um mich zu trösten. Ich konnte ihr ansehen, wie leid ihr das alles tat.

„Jess, ich denke das war genug für heute. Deine Freundin und du können gerne in unserem Gästezimmer übernachten und morgen können wir dann weiterschauen. Das Zimmer ist die Stufen rauf, die zweite Tür links. Das Bad und die Toilette sind gleich neben an", sagte Ella abschließend und stand auf. Noch während sie davonging, sah ich wie sie sich hektisch über die Wangen strich, um sich Tränen wegzuwischen.

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A/N:

Ich hoffe es hat euch gefallen.

Melli ♡

Melli ♡

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