02| Kein Green

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Backseat Serenade
All Time Low

Romeo

Kennt ihr das, wenn es mit einer Person sofort klick macht? Wenn man sich auf Anhieb versteht und es sich anfühlt als würde man die Person schon ewig kennen? Tja, mit Lee Green war es das genaue Gegenteil.

Jedes Mal, wenn wir uns trafen, verdrehte er die Augen so sehr, dass er bestimmt das Innere seines Kopfes öfter gesehen hat als einen Therapeuten. Den er übrigens dringend brauchen würde.

Aber irgendwas in mir hatte sich dazu entschlossen, dass Lee Green genau die Person ist, die mein bester Freund werden würde. Und genauso ist es gekommen.

Vielleicht war es, weil ich ständig an seiner Seite klebte wie ein Parasit, aber er schien es irgendwann zu akzeptieren. Oder aufzugeben, wie immer man es nennen wollte. Nach dem dritten Sandwich, das ich ihm zu seiner Arbeit mit brachte, betrachtete er mich dann sogar als Freund. Und ab dem Zeitpunkt, in dem er sich ein blaues Auge für meine Ehre eingehandelt hatte, wusste ich, dass es kein zurück mehr gab.

Es war ungefähr eine Woche nach unserem ersten Treffen, als ich realisierte, dass die Musterschülerin in meinem Biokurs den gleichen Nachnahmen wie ein gewisser Griesgram hatte.

Und das war nur der Anfang der Familie...

Mich kannten die Greens nun seit einem Jahr und alle bis auf Reid schienen mich in ihrem Haus willkommen zu heißen. Ich wusste, dass Lee für mich einstehen würde, aber Reid hatte recht. Ich sah deutlich, wie sehr sie zu kämpfen hatten. Ich wollte mich nicht auch noch aufzwingen. Das hieß es wurde Zeit etwas anderes zu finden, aber zu vor...

Es war Zeit, mal wieder nach Hause zu gehen.

Müde raffte ich mich vom Sofa auf und schlenderte in die Küche. Die Nacht war ein Albtraum. Ich hab kein Auge zu bekommen, sondern habe die ganze Zeit nur an die Decke gestarrt. Ich brauchte dringend einen Kaffee.

„Morgen", erklang es hinter mir und ich warf einen knappen Blick über meine Schulter. Reid schritt an mir vorbei zum Schrank und holte sich ebenfalls eine Tasse. Skeptisch musterte er mich, als ich mir meine füllte. Genervt schob ich die Kanne zu ihm. „Was? Bekomme ich jetzt nicht mal mehr einen Kaffee?"

Reid reagierte nicht, sondern nahm nur die Tasse entgegen. Das irritierte mich nur noch mehr. Ich wusste, dass er mich nicht mochte seit dem ersten Mal als wir uns begegnet waren. Also warum, konnte er es nicht einfach sagen? Warum sagte er nicht einfach, raus aus unserem Haus? Mit seiner tiefen brumme Stimme und dem kalten Blick, den er sah ja so gut drauf hatte!

Es war doch klar, dass er das dachte! „Ich mag keine scheinheiligen Menschen.", stellte ich laut fest und trank einen kräftigen Schluck. „Oder eher Menschen, die nicht ihre Meinung sagen, wenn man es ihnen doch deutlich ansieht.", verbesserte ich mich. Er hob nicht mal den Blick zu mir.

„Hör zu, ich weiß, du magst mich nicht, aber du kannst wenigstens mit mir reden.", zischte ich genervt und stellte die Tasse zu schwungvoll auf die Arbeitsfläche, sodass mir der heiße Inhalt die Finger versengte. Reid sah ein wenig zu schnell zu mir auf. „Wer hat gesagt, dass ich dich nicht mag?" Ich lachte spöttisch auf und wischte meine Kaffeefinger an meinem Sweatshirt ab.

„Ach bitte, du findest es ätzend, dass ich hier bin. Dir wäre ein Waschbär am Dachboden wahrscheinlich lieber." Er lehnte sich müde an die Theke. Sah mich abschätzend an. „Du bist bestimmt ein netter Mensch, Romeo-" „Moe", verbesserte ich. „Moe. Aber ich kann mich nicht auch noch um dich kümmern." Ich legte den Kopf schief und sah zu ihm auf. Auch wenn Lee der muskulöseste war, war Reid doch der größte. Ich reichte ihm gerade mal bis zur Nasenspitze und musste daher widerwillig zu ihm aufsehen.

„Ich bin nicht einer deiner Geschwister! Ich brauche keinen Babysitter und wenn, dann keinen 19-jährigen Möchtegern-Vater.", schnauzte ich, aber er blieb völlig ruhig. Als hätte er meine Reaktion bereits erwartet. „Ach nein? Vom Verhalten her benimmst du dich wie Silas." In anderen Worten, wie ein Kleinkind.

Mein Mund klappte auf der Suche nach Worten auf. Wieder zu. Wo er recht hat... „Schwachsinn.", leugnete ich dennoch.

Reid stieß sich von der Theke ab und sah zu mir hinab. „Ist das alles, was du zu sagen hast? Hör mal, du bist Lees Freund und ich finde es toll, dass Sadie jemanden hat, den sie auf der Harrington kennt, aber das ist nicht dein Zuhause, Moe. Wie du meintest, du bist kein Green." Autsch. Ich atmete tief durch und nickte verstehend. Ich sollte nicht sauer sein. Alles, was er tat, war seine Familie zu beschützen. Aber sein verdammtes Gesicht brachte mein Blut zum kochen.

Er könnte sagen, der Himmel ist blau und ich wäre sauer auf ihn.

„Glaub mir, das ist mir durchaus bewusst.", atmete ich und fuhr mir durch die Haare. Ich sah zu ihm auf, begegnete seinem Blick. Er und Liz waren die einzigen in der Familie, deren Augen ein tiefes Grün waren.

Sie hat mir mal erzählt, dass sie die Augen ihrer Mutter geerbt hatten, während Lees, Sadies und Silas dunkles Braun von ihrem Vater kam. Erst nach einer kleinen Ewigkeit wurde mir klar, dass wir uns gerade schweigend anstarrten. Räuspernd stellte ich meinen Kaffee in die Küche und wandte den Blick ab.

„Ich hatte sowieso vor, eine Weile nach Hause zu gehen. Also musst du dir keine Sorgen mehr machen.", gestand ich. Er stand immer noch da. Fragend sah ich zu ihm zurück. „Das ... Das war nicht böse gemeint. Es ist nur, ich-"
„Verstehe schon.", beruhigte ich ihn und lächelte schwach. Ich verstand ihn voll und ganz. Das machte es nur nicht leichter, nach Hause zu gehen.

Ich setzte mein Grinsen auf und ging zu ihm zurück. Klopfte ihm aufmunternd auf die Brust. „Irgendjemand muss ja den über fürsorglichen Vater spielen. Wenn's geht, jage mich nur nicht mit einem Gewehr durch den Vorgarten, wenn Lee mich endlich in sein Bett lässt. Das wäre zu klischeehaft." Wie um meinen Satz zu unterstützen stieß er ein enttäuschtes Vater-Seufzen aus und ich kicherte. „Gehen dir jemals die dummen Sprüche aus?", fragte er mich, als ich ihn in der Küche stehen ließ.

Nicht in diesem Leben." Ich schnappte mir meine Sachen und machte mich auf den Weg.
„Sag Lee, ich sehe ihn nachher in der Werkstatt."

Bad Choices [BxB]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt