85| Ein Versprechen für die Ewigkeit

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Ezra

Reid war der Erste, der sich an Moe's Eltern vorbei schob. Der Wachmann warf ihm noch einen letzten abfälligen Blick zu, bevor er sich dem älteren Ehepaar zuwandte, sie fragte ob alles ok sei und ob sie wirklich sicher waren, dass wir dort hinein durften. Ich wollte noch nie einem fremden so sehr eine verpassen. Ich sah nach rechts, zu Lee, der unsicher vor der Tür stand, während der Rest bereits im Krankenzimmer verschwand.

Ich sah seinen Blick, die Angst in seinen Augen. Vorsicht nahm ich seine Hand in meine, verschränkte unsere Finger miteinander und drückte sie sanft. Sein Blick huschte zu mir und ich nickte. Du kannst das. Lee atmete tief durch, bevor auch er die Intensivstation betrat. Ich hörte das Piepen verschiedener Maschinen, bevor ich irgendwas sah, roch den extremen Geruch nach Desinfektionsmitteln, nach präziser Sauberkeit. Lee's Griff um meine Hand wurde stärker, als er ein paar Schritte vor dem Bett stehen blieb. Ich spürte, wie er zittrig einatmete und folgte seinem Blick. Sah ihn.

Der Anblick war einfach falsch. Ich erkannte, dass Blau seiner Haare auf dem weißen Kissen. Es schien, als wäre es der einzige Farbton in diesem Gesamten Raum. Seltsamer Weise wirkte selbst das verblasst. Moe's Gesicht wurde von einem Beatmungsgerät verdeckt, während seine stille Gestalt in diesem Bett lag. Er wirkte wie eine Pupe. Ein schlechtes Fake, von dem, sonst so vor Leben überlaufendem, Mann den man sonst kannte.

Reid, immer noch voller Blut, näherte sich langsam dem Bett, als hätte er Angst, die schlafende Gestalt zu verschrecken. Ich beobachtete, wie er vorsichtig die Hand ausreckte, bis sie Moe's Haarsträhnen berührten. Es war, als müsse er sich selbst überzeugen, dass es tatsächlich Romeo war. Sobald er das Blau berührte, schien, als hätte die Kraft ihn verlassen. Reid sank auf den Stuhl, der neben dem Bett stand, zusammen, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Ohne die Hand zurückzuziehen.

Sadie war auf die andere Seite des Bettes gegangen, hatte Moe's Hand vorsichtig in ihre genommen. Ich hörte, wie sie etwas murmelte, begann mit ihm zu reden. Aber ich verstand es kaum. Es war als wäre ich Unterwasser, nicht wirklich in diesem Raum. Ich fühlte mich seltsam distant, wie ich auf diese Szene vor mir sah. Es war ein seltsames Bild, wie sich die Greens um Moe's Bett versammelten.

Es erinnerte mich an ein Gemälde. An eine melancholische Komposition, zentriert um einen einzigen Herzschlag. Ein Puls, der den ganzen Raum in Atem hielt.

Ich sah zu, wie Liz sich hinter Sadie stellte. Sah dabei zu, wie Lee sich von mir löste, auf seinen Bruder zu ging. Und in dem Moment, in dem ich sie alle so sah, war es als könnte ich Moe's Stimme hören. Sein tiefes Lachen, seine Worte, die nun mehr Bedeutung trugen, als ich jemals ahnen konnte. Als würde er wieder neben mir sitzen, so wie damals an jenem Abend.

„Also ist es nun offiziell?", grinste Moe und reichte mir ein Bier. Dankbar nahm ich es an, während er sich auf einen der leeren Stühle der Veranda plumpsen ließ, die Füße auf das Geländer legte. Ich nickte und er sah mich wissend an. „Dann bist du jetzt Teil der Familie, Blondie.", murmelte er und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.

Ich und Lee hatten endlich das Fake abgelegt. Nach dem Morgen, als er mich in der Küche geküsst hatte, waren wir nun echt, real, zusammen. Mein Herz schlug immer noch bei dem Gedanken daran.

Ich sah zu ihm hinüber, sah wie er versonnen in die Ferne blickte. „Naja, kommt drauf an. Gibt es ein Aufnahme-Ritual?" Moe schnaubte und rümpfte die Nase, schien zu überlegen. „Ich denke, sobald Reid dir gegenüber feindselig wird, bist du so gut wie drinnen." Ich dachte an den kalten Blick des Ältesten. „Dann sollte ich Ehrenmitglied werden.", murrte ich und trank einen Schluck. Moe kicherte. „Und wie läuft das jetzt? Bekomm ich eine Mitgliedskarte, oder gibt es irgendwelche Prämien?", fragte ich.

„Naja, du bekommst ständiges Gemeckere und ziemlich viel Chaos. Aber das wusstest du ja bereits.", lachte er und nahm seine Füße vom Geländer der Veranda. „Aber jetzt, da du Teil der Streuner-Greens bist, sollte ich dich vielleicht in ein paar Geheimnisse einweihen." Geheimnisse?  Gab es noch etwas, dass ich nicht wusste?

Moe sah mich an und schien mich eine Weile zu Mustern. Vielleicht musste er erst entscheiden, ob ich würdig genug war, oder so was. „Du weißt, dass die Greens viel Scheiße erlebt haben, nicht wahr?" Ich nickte und er lehnte sich zurück in seinen Stuhl. „Deswegen stehen sie sich auch alle so nahe. Jeder beschützt jeden, verstehst du? Deswegen haben sie so lange überlebt." Ich hatte bereits am eigenen Leib erfahren, dass in diesem Sinne mit den Greens nicht zu spaßen war. Aber als ich sie näher kennenlernte, habe ich auch schnell verstanden warum.

Wenn die Welt ständig einem alles weg zu nehmen scheint, versucht man eben zu beschützen was einem wichtig ist.

„Dazu gehört auch, dass sie versuchen, für die jeweils anderen Stark zu sein. Das Problem ist, dass sie deswegen oft vergessen zu fühlen.", seine Worte klangen schrecklich schwer. Seine fröhliche Art war einer seltsamen Ernsthaftigkeit gewichen, die man nur selten bei ihm sah. „Da kommen wir ins Spiel, Coldwell." meinte er und deutete zwischen uns hin und her. „Wir können für sie stark sein. Nein, wir müssen. So können wir ihnen den Raum geben Emotionen wahrlich zu spüren." er lächelte traurig in die Ferne. „Sie werden nicht zu lassen, dass wir sie beschützen. Dafür sind sie alle viel zu stolz. Deswegen müssen wir es so tun. Wir müssen ihnen zeigen, wie wichtig es ist zu leben."

Ich blinzelte, verstand nicht genau was er damit sagen wollte. Moe trank einen weiteren Schluck und seufzte tief. „Kannst du mir was versprechen, Blondie? Von einem Nicht-Green zum anderen?" Ich sah, wie er wieder ein Lächeln aufsetzte, aber anhand der Art, wie er mit dem Etikett der Flasche spielte, merkte ich immer noch seine Unruhe. „Natürlich.", nickte ich und sorgte dafür, dass seine Finger um das Papier erstarrten.

„Pass auf sie auf, ja?", fragte er ernst und sah mich nicht an, schien sogar meinen Blick zu vermeiden. „Wenn ich es mal nicht mehr kann. Wenn Cash mich endgültig...", er beendete den Satz nicht und ich bekam eine Gänsehaut. „Kannst du dann dafür sorgen, dass sie nicht vergessen zu leben? Darauf aufpassen, dass sie alle das Leben führen, dass sie verdienen?"

Etwas seltsames klammerte sich um meine Brust. Eine schwere Bitte, mit viel Verantwortung. Ich wusste, dass das nicht nur irgend ein Gerede zwischen Freunden war. Nicht nur, ein willkommen in der Familie. Moe wollte sicher gehen, dass seinen- unseren-  Leuten nichts passierte. Bat mich, die Verantwortung mit ihm zu teilen. Er machte mich zu seinem Stellvertreter. Nein... zu seinem Nachfolger.

Es schien als wäre Moe sicher, dass.... Er sah zu mir und etwas abgrundtief trauriges lag in seinem Blick. Es war, als wäre er absolut sicher, dass er die Greens irgendwann verlassen müsste. „Bitte, pass auf sie auf."

Es war etwas, dass man nicht einfach aufhören konnte zu tun. Ein Schwur fürs Leben. Ein Versprechen für die Ewigkeit. Dennoch fühlten sich die Worte leicht an, als wäre es die einzig richtige Antwort.

„Ich verspreche es."

Bad Choices [BxB]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt