79 | Zwei Worte

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Moe

Es war, als hätte ich meinen Körper verlassen. Als wäre das nicht mehr ich, der meinen Wagen mit quietschenden Reifen zum stehen brachte. Als wäre ich nur ein Beobachter von Außen. Mit eisiger Ruhe, griff ich nach der Waffe, die ich für einen unscheinbaren kleinen Zettel getauscht hatte. Ich verharre noch einen Moment auf dem Fahrersitz, atmete tief durch.

Ich war nicht bereit, für das, was jetzt kam, aber wer war das schon?

Er war also kein Monster? Ich klemmte mir die Waffe in meinen Gürtel, zog meine Jacke darüber. Dann wurde es Zeit, dass ich eins wurde.

Ich schloss, die Tür zum Auto und starrte auf das kleine Bungalow, das dunkel vor mir lag. Es wirkte so vertraut und so fremd zugleich. Es war Jahre her, seitdem ich das letzte mal hier war. Seit jener Nacht, in dem man mich vor die Tür gesetzt hatte, war ich nicht mehr zurück gekehrt. Und ich hatte es auch niemals vorgehabt. Ich hörte ihre Worte in meinen Ohren, als ich mich in Bewegung setzte. Sah den Hass in ihren Augen als ich die Straße überquerte.

Meine Eltern waren ohne mich besser dran. Das kühle Metall in meinem Rücken bewies das.

Seltsam träge, betrat ich den Vorgarten. Ich hatte genau 43 Minuten hier her gebraucht. Taub gegenüber jeglichen Emotionen, war ich die Straßen entlang gejagt. Ich konnte nur beten, dass Nick ein geduldiger Mann war. Meine Haut kribbelte mit jedem Schritt, den ich auf die Tür zutrat.

Ich wusste nicht, was mich darin erwarten würde. Ob er ihnen bereits weh getan hatte. Ob es vielleicht sogar schon zu spät war. Ob ich sie mal wieder enttäuscht hatte. Diesmal, zum letzen Mal. Aber ich wusste, warum er mich haben wollte.

Der Weg zu meiner Hinrichtung bestand aus einem Steinweg, gesäumt mit Gartenzwergen.

Nick war hier um mich zu töten. Ich war hier um zu sterben. Ich merkte, dass die Haustür, bereits offen war. Als wäre es eine Einladung, war ein kleiner Spalt bereits geöffnet. Aber ich würde nicht ohne einen Kampf gehen.

Für meine Familie, würde ich alles tun, um diese Stufen wieder runter zu gehen. Für mich selbst, würde ich kämpfen mit allem was ich hatte.

Ich betrat das Haus und wurde augenblicklich mit purer Verwüstung konfrontiert. Die einfache Einrichtung, die meine Mutter so liebte, lag nun in Holzsplittern und Stofffetzen vor mir. Alles war zerstört, als wäre ein Sturm hier durchgefegt.

„Du bist tatsächlich allein gekommen. Wie heldenhaft." Das Entsichern einer Pistole. Ich drehte mich Richtung Küche und sah direkt in den Lauf einer Knarre. Dahinter ein verschmitztes Grinsen. Nicks Gesicht zierten bereits zahlreiche Kratzer und Wunden und sofort fragte ich mich, wie viele vor mir dran gewesen waren. Wie viele vor mir, mit allem was sie hatten, gekämpft haben.

Mir war durchaus bewusst, das meine Eltern tot wären, sobald ich auch nur die Nummer der Polizei gewählt hatte. Cash hatte überall seine Männer und seine Methoden. Es gab einen Grund, warum er so lange unter dem Radar arbeiten konnte. Sprich, Nick hatte die selben Möglichkeiten. Ich konnte niemandem trauen. Und was die Greens anging... sie hätten mich niemals hier allein reingehen lassen. Und das war genau der Grund, warum sie noch tief schlafend in ihren Betten lagen.

Ich betete nur, dass sie mir hierfür verzeihen könnten.

„Wo sind sie?", fragte ich und scannte den Raum nach Blut ab. Aber ich erkannte nur zertrümmerte Möbel. „Wo sind meine Eltern?"

Nick kratzte sich mit der geladenen Waffe über den Hinterkopf, zuckte lediglich mit den Schultern. „Laut ihrem Kalender befinden sie sich gerade in Bali. Soll schön sein in dieser Jahreszeit." Ich taumelte einen Schritt nach hinten. „Was?" Sie waren nicht mal hier? War das ein böser Scherz?

Als ich realisierte, dass ich genau in seine Falle getappt war, hätte ich am liebsten kalt aufgelacht. Ich konnte es selbst kaum fassen. Alles, was ich über das Telefon gehört habe, war das Zertrümmern der Möbel und seine Beschreibungen. Keine Schreie, oder Rufe, von meinen Eltern. Kein Lebenszeichen. Es gab nicht einen Hinweis dafür, dass sie tatsächlich hier waren.

Er musste mir nur die Farbe meines Kühlschranks sagen und ich war angekommen wie ein guter Hund.

Ich starrte ihn an. Merkte wie sein Lächeln breiter wurde, als er meine Erschütterung deutlich sah. Ich würde umsonst sterben. Ich griff nach meiner Waffe, tastete bereits das kühle Metall als mich ein Schlag auf der Schläfe traf. Er hatte mit mir den Lauf seiner Knarre eine verpasst, bevor ich überhaupt reagieren konnte.

Ich sackte zusammen, spürte die Holzsplitter, wie sie mir in die Haut stachen, während die Schwärze langsam mein Blickfeld übernahm. Ich spürte, wie mir die Waffe aus der Hand gerissen wurde und erkannte den Umriss seiner Schuhe. Es waren Sneaker. Blutdurchtränkt, „Na na, Moe. Jetzt unterhalten wir uns erstmal. Nur und du und ich, was meinst du?" Ich hob den Kopf, wollte ihn zur Hölle jagen, aber meine Zunge gehorchte mir nicht mehr.

Die Schwärze verschluckte mich.

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Reid

Ich schlug auf das Lenkrad ein, flehte den Wagen an, schneller zu fahren. Hätte ich das geahnt, wäre ich niemals eingeschlafen. Hätte ich es niemals auch nur gewagt, meinen Blick von ihm abzuwenden. Der kleine Zettel stach in meine Handflächen, verspottete mich,  als ich um die Kurve jagte. Ich hatte einen Motor gehört und war sofort hell wach gewesen, dachte jemand wäre gekommen. Doch der Gegenteil war der Fall.

Ich wusste, dass er weg war, als ich auf die andere Seite des Bettes sah. Zerwühlte Lacken aber kein Moe. Ich wusste nicht was passiert war, was in seinem dämlichen Kopf vor sich ging. Ich wusste nur, dass sein Wagen weg war, genauso wie einer meiner Waffen. Und alles, was er da gelassen hatte, war ein Zettel. Ein beschissenes Stück Papier.

Verzeih mir
-Moe

Zwei Worte, die meine ganze Welt auseinander genommen haben. Zwei einzelne geschwungene Worte, in seiner Handschrift. Aber ich würde ihm nicht verzeihen. Ich würde ihn anbrüllen, ihn schütteln, ihn fragen, wie er nur so dämlich sein kann. Und ganz sicher, würde ich auch nicht warten, bis er wieder kam.

Wie hatte er es ausgedrückt? Ich war keine Hausfrau die darauf wartete das ihr Ehemann heil nach Hause kam? Das gleiche galt für mich. Ich starrte auf mein Handy, auf dem ein kleiner Punkt blinkte. Was Moe nicht wusste, war das Sadie ihr Handy auf seiner Rückbank hatte liegen lassen. Sie hatte sich vor ein paar Stunden noch darüber beschwert, war aber zu faul gewesen es zu holen. Ich ließ den Motor aufheulen.

Und genau dieses Handy, verriet mir nun den Standpunkt von Moe's VW.

Bad Choices [BxB]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt