06| Blaue Harre und Elton John

3.7K 314 11
                                    

I'm Still Standing
Elton John

Romeo

Das Bett knarzte, als ich mich langsam auf die Matratze setzte. Vorsichtig öffnete ich den Reißverschluss des Rucksacks und starrte auf den Inhalt. Meine Fingerspitzen strichen über das Plastik und ich wollte das Ding einfach aus dem Haus schmeißen. Aber ich hatte bald genug Geld zusammen gekratzt. Nur noch diese Lieferung verticken und ich hätte genug Geld. Das waren was...? Drei, vier Monate, die ich noch hier leben musste?

Zusammen mit dem Tätowieren konnte ich mir trotz dem Geld, was ich Cash schuldete, etwas auf die Seite legen. Und eine Wohnung hatte ich auch schon im Auge. Ein paar Partys und ich war weg. Müde ließ ich den Kopf fallen und strich über meinen Nacken.

Ich zwang mich nicht darüber nachzudenken. Über meine Zukunft. Über Träume. Da mir genau bewusst war, dass mir das nicht gestattet war.

Ich stand auf und versteckte meinen Rucksack in meinem Kleiderschrank. Während ich den Schrank schloss und der Lichtstreifen immer kleiner auf die Tasche voller Drogen fiel, kam mir ein erschaudernder Gedanke.

Das würde niemals enden, oder ich wäre tot, bevor es so weit wäre.

Ich sollte mich mit meinem Schicksal langsam abfinden. Ich schloss die Tür meines Kinderzimmers und betrat die Küche. „Ich bin dann weg.", sagte ich Bescheid, aber meine Mutter sah nicht mal auf. Mal wieder vertieft in ein Kreuzworträtsel. „Wohin?"

„Hab versprochen zu Babysitten.", meinte ich knapp. Liz und Sadie hatten heute einen sogenannten Mädchentag, und ich hab mich deswegen bereiterklärt, auf Silas aufzupassen. „Wirst du dafür bezahlt?" Ich hielt inne. „Was?"
„Ich hab gefragt, ob du dafür bezahlt wirst?"
Endlich sah sie auf und ich schüttelte den Kopf.

Das war nur ein Freundschaftsdienst. Enttäuscht schnalzte sie mit der Zunge. Damit war ich anscheinend entlassen.

Nur noch ein paar Monate, sagte ich mir selbst. Als ich mich auf den Weg machte.

___________________

Grinsend lehnte ich mich an den Türrahmen von Sadie's Zimmer. Die Tür stand offen und ich hatte freie Sicht auf das Spektakel vor mir. Ich war ein wenig zu früh dran und konnte noch beobachten, wie Sadie und Liz sich fertig machten. Aber eigentlich könnte es auch als ganze Performance durchgehen.

I'm still standing von Elton John wurde in voller Lautstärke von Sadie's Lautsprechern gespielt und ließ praktisch das ganze Haus erzittern.

Don't you know I'm still standing better than I ever did
Looking like a true survivor, feeling like a little kid
I'm still standing after all this time
Picking up the pieces of my life without you on my mind

Sadie stand am Spiegel, zog sich gerade einen Eyeliner, während sich ihre Hüften zum Beat des Liedes bewegten. Liz stand am Bett, mit dem Rücken zu mir, eine Haarbürste in der Hand diente ihr als Mikrofon. Sie gab die Performance ihres Lebens.

„I'm still standing! Yeah! Yeah-!"
Bravo!", rief ich und Liz fiel mit einem erschrockenen Quietschen auf die Matratze. Ihr Gesicht nahm eine rötliche Farbe an. Sadie sah mit einem grinsen zu mir. „Du bist pünktlich. Dass ich das mal erlebe."

Ich lehnte mich, mit verschränkten Armen, an den Tür rahmen, „Hätte ich gewusst das hier ein Konzert stattfindet, wäre ich früher gekommen." Liz versteckte ihren Kopf in dem Kissen und ich musste lachen. „Hey hey, kein Grund sich zu schämen. Das war grandios." Ich hörte ersticktes Grummeln. „Mach dich nicht über mich lustig, Moe."

Bad Choices [BxB]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt