80| Verräter und andere Namen

2.8K 281 21
                                    

Romeo

Mein Kopf dröhnte, als würde er jeden Moment platzen. „Sieh an! Nur zwei Minuten. Du bist schneller wieder auf den Beinen, als die anderen.", hörte ich seine Stimme. Ich versuchte den Nebel in meinem Kopf fort zu blinzeln, aber dadurch begann sich nur alles zu drehen. „Aber etwas anderes habe ich auch nicht von dir erwartet. Warst immer einer derjenigen, der nicht so leicht aufgegeben hat." Ich hob stöhnend meinen Kopf, versuchte meine Umgebung zu mustern.

Ich spürte, wie mir etwas Warmes über die Wange lief. Ich hob meine Hand und merkte, dass meine Finger überzogen von einer roten Schicht waren. Blut lief mir über mein Gesicht. „Shit.", fluchte ich, als ich wieder realisierte wo ich war. Die verwischte Gestalt vor mir, wurde zu einer Person und nach einer Weile sah ich Nick endlich wieder deutlich. Er hockte vor mir, beobachtete jede Bewegung von mir, sah fasziniert dabei zu, wie ich wieder zu Bewusstsein fand.

Ich saß auf unserer Couch, oder eher das, was davon übrig geblieben war. Ich sah nach schwermütig nach Rechts und merkte, wie die Füllung herausgerissen wurde und nun, wie weiße Watte-Wolken, auf dem Boden verteilt waren. Man, meine Mutter liebte diese Couch. Ich durfte früher nicht mal hier drauf essen. „Oh, sie wird dich sowas von killen.", flüsterte ich.

Das Klacken eines Revolovers lies mich wieder gerade aus blicken. Ich spürte den Lauf der Pistole, bevor ich realisierte, dass er gegen meine Stirn gepresst wurde. „Ich glaube, die Couch wird ihr geringstes Problem sein."

Ich legte den Kopf schief. Vielleicht lag es an den unbändigen Kopfschmerzen, die selbst jeden Gedanken als zu laut empfanden, oder an dem Fakt, dass mein ganzer Körper von der Todesangst gelähmt wurde, aber ich tat das, was ich schon mein ganzes Leben lang am besten konnte. Ich begann zu reden. Und zwar absoluten Bullshit.

„Weißt du ich hab irgendwie erwartet, dass ich wenigstens gefesselt aufwache. Dass, wenn du mich schon K.O schlägst, die Zeit wenigstens sinnvoll nutzt." Ich hob meine Hände wie zur Demonstration. „Aber das ist schon ein wenig... schlampig, findest du nich auch?" Nick starrte mich einfach nur an, den Revolver immer noch an meine Haut gepresst. „Ich mag es, wenn sie sich währen können. Das macht das ganze interessanter." Ich verzog irritiert das Gesicht. „Ist das n' Kink, oder so was?"

Nick erhob sich, senkte die Waffe. „Du redest zu viel."

„Tatsächlich höre ich das ziemlich oft. Man sagt mir-" Mein Gesicht wurde zur Seite geschleudert. Er hatte mir erneut mit dem Lauf eine verpasst, aber diesmal spuckte ich nur Blut. Schon wieder auf die Couch. Ich stöhnte genervt auf.

Jetzt war es offiziell. Ich konnte nicht mal im Anbetracht meines eigenen Todes, meine große Klappe halten. Wenigstens wären meine letzten Worte, dann was sarkastisches.

„Sag mir die Namen.", forderte er, aber die Art, wie er so ernst vor mir stand, brachte mich zum lachen. „Da musst du schon präziser werden. Ich kann dir die von den Teletubbies sagen, oder One Direction. Die Schlümpfe weiß ich auch, nur nicht al-" Ein erneuter Schlag. Diesmal wurde mein Kopf in die andere Richtung geschleudert.

„Du willst wirklich sterben, kann das sein?" , fragte er, während ich mir über den pochenden Kiefer fuhr. Ich sah ihn an, zeigte ihm mein blutiges Grinsen. „Manchmal."

Nick schnaubte, „Fang an zu reden. Und zwar das, was ich wissen will. Sonst sind deine kleinen Freunde, die nächsten, die dran glauben werden." Ich seufzte tief durch. „Hör zu Man, ich kann dir da echt nicht weiter helfen. Ich hab keine Ahnung von nichts. Und glaub mir, ich kann echt keine Geheimnis bewahren, sprich ich hätte mich bestimmt schon tausend mal verplappert, würde ich was wissen. Man sagt mir nicht mal was von Überraschungspartys, da-"

Ein Schuss fiel.

Alles in meinem Körper zuckte zusammen und meine Ohren begannen schmerzhaft zu ringen. Ich fluchte lautstark, hörte nicht mal meine eigene Stimme, bis nach ein paar Sekunden mein Hörsinn zurück kam. Geschockt drehte ich mich um und sah zu dem Loch, das nun die Wand zierte. Wenige Meter von meinem Kopf entfernt.

„Die nächste geht durch deinen Schädel." Ich drehte mich zu ihm um. „Das ist verdammt krank.", stellte ich fest. Seine Augen leuchteten auf, als hätte er darauf gewartet. Auf meine Angst, die mich nun umso mehr flutete. Er hatte tatsächlich geschossen. Ich merke, dass ich nun unkontrolliert zitterte. „Sollen wir es noch ein wenig interessanter machen?" Er öffnete den Revolver, ließ die Patronen zu Boden fallen. „Was-?", fragte ich irritiert, verfolgte seine Taten, bevor ich verstand.

„Kennst du dich mit Stochastik aus, Romeo? Bist du gut in Wahrscheinlichkeiten?", raunte er, während er eine einzelne Kapsel zurück steckte, der Trommel einen Schubs gab, um sie dann zurück schnalzen zu lassen. Hätte ich gewusst, dass Mathe in meinem Leben irgendwann mal tatsächlich eine wichtige Rolle spielen würde, hätte ich meinem Lehrer wohl viel öfter zugehört. Nick lachte, als er wieder zu mir sah. „Ich deute das als ein nein."

Seine Bewegungen waren geschmeidig, als hätte er das schon tausend Mal gemacht.

„Aber das hier ist ganz einfach.", flüsterte er und legte den Lauf erneut gegen meine Stirn. Komischerweise, kam mir nun kein dummer Spruch mehr über die Lippen. Stattdessen traten mir Tränen in die Augen. „Bitte.", hauchte ich und sah ihn flehend an.

Ich wollte nicht sterben. Ich glaube, dass wollte ich noch nie. Ich wollte immer nur anfangen wahrlich zu leben. Aber nun... nun war vielleicht alles vorbei. „Der Verräter, Moe. Jetzt." Es war nur ein Name, aber ich würde ihn niemals aussprechen. Ich biss mir auf die Zunge. Schmeckte Blut.

Er drückte ab.

Ich keuchte auf, wimmerte, als ich merkte, dass ich immer noch lebte. „Das Glück scheint auf deiner Seite zu sein.", meinte er und sah auf den Revolver in seiner Hand hinab, als hätte er selbst nicht damit gerechnet. Ein sadistisches Lächeln huschte über seine Züge, als sein Blick sich in meinen bohrte. „Wollen wir es nochmal herausfordern?" Ich schüttelte den Kopf, aber er legte ihn erneut an meine Stirn. Warm, das Metall war bereits warm. „Ist es es wirklich wert, für sowas zu sterben? Sprich ihn einfach aus und ich lass dich hier hinaus spazieren."

Ich dachte an Ezra. An sein Leben. An seine Familie. An die Zukunft, die er mit Lee noch vor sich hatte. Ich schwieg erneut und Nick seufzte.

Das zweite Klacken. Ich atmete immer noch.

„Glaubst du an Gott, Moretti?", er zog erneut den Hahn nach hinten. Ich hörte das Reiben von Metall. Und als ich meinen Blick hob, wusste ich es.

Ich hatte in meinem Leben noch nie Glück gehabt. Sei es der Unfall meines Vaters, sei es meine Begegnung mit Cash. Alles in meinem Leben nahm einen unglücklichen Verlauf. Alex. Und die Tatsache, dass ich den Mann, den ich liebte, nie sagen konnte, wie glücklich er mich machte. Die Tatsache, dass ich ihn nie wieder sehen würde. Sie alle.

Ich wusste, dass der nächste Schuss mein Tod sein würde. Ich spürte es tief in meiner Brust. „Der Name." Ich schloss die Augen, spürte wie mir eine Träne über die Wange lief. Killian, Sadie, und Liz. „Sag ihn mir." Ezra, Silas, Annie, Lily, Joey und Henry.

Reid. Reid Green.

Ich atmete tief ein, wappnete mich auf alles was nun kommen würde. „Das würde ich lieber lassen.", erklang eine weitere Stimme von der Tür und ich öffnete flatternd die Augen. Sah auf und ... „Reid!"

Bad Choices [BxB]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt