84| Bedeutungen

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Reid

„Was zur Hölle ist hier los?", fragte die Frau und stützte ihre Hände in ihre Hüften. Ich wusste, wer sie war, auch wenn man es mir nicht gesagt hätte. Ich erkannte es an ihren blauen Augen und dem Schwung ihrer Nase. Ich erkannte Moe in ihr. „Diese Leute behaupten, sie seien die Familie des Patienten.", erklärte der Wachmann und ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf den Bastard.

Romeo's Mutter sah uns abschätzend an, ließ ihren Blick über uns wandern. Zu Liz und Silas, die die Szene ein wenig Abseits verfolgten. Zu Sadie und Lee und dann anschließend wieder zu mir. Ihr Blick bohrte sich tief in meinen. Ich sah nicht weg. Sie rümpfte die Nase. „Ich kenne diese Leute nicht. Bringen Sie sie weg.", meinte sie und wollte sich wieder zur Tür wenden. Ich spürte wie Sadie sich an mir vorbei schob. Ihren Zeigefinger mahnend hob. Oh oh. „Das können sie nicht tun! Wir haben genauso das Recht hier zu sein, wie Sie!" Martina Moretti drehte sich langsam zu meiner Schwester zu sein. „Recht? Ich weiß zwar nicht, woher ihr meinen Sohn kennt- wahrscheinlich irgendwelche Dealer Sachen- aber Romeo ist mein Sohn!"

„Ihr Sohn?", zischte Lee und baute sich ebenfalls hinter mir auf. „So haben sie sich aber nicht verhalten, die ... was? Letzten vier Jahre?" Geschockt sah sie zu meinem Bruder, ihr Gesicht nahm einen knalligen Rotton an. „Was fällt dir ein!" Ich atmete tief durch. Versucht mit allen Mitteln ruhig zu bleiben. „Wir wollen nur zu ihm.", flehte ich und sah sie bittend an. Sie musste uns doch verstehen.

Eine Weile schien sie tatsächlich darüber nachzudenken, dann drehte sie sich erneut um. Sie wandte sich von uns ab, ohne ein Wort, so wie sie es all die Jahre bei ihrem Sohn getan hatte und irgendwas in mir riss.

Ich dachte an Moe, an seinen Blick bei seinem Abschluss. Wie er jedes Weihnachten auf sein Handy starrte, als würde er auf etwas warten, was nie kam. Ich dachte an den Abend, als ich ihn in dieser Turnhalle fand. Ich bin für sie gestorben.

„Wir sind mehr seine Familie, als Sie es jemals sein werden!", rief ich und sie blieb stehen. Ihr Blick war rasend, als er wieder auf mich viel. Ich merkte wie sich die Krankenschwester leise davonstahl. „Familie? Wer glaubt ihr, wer ihr seid? Denkt ihr ich lasse, euch daher gelaufene Kanalratten, zu meinem Sohn?", zischte sie und ich lachte trocken auf.

„Wer wir sind?", ich ging langsam auf sie zu, hielt ihren stummen Blick stand. „Nein, die Frage ist eher, wer sind sie? Denn eine Mutter sind sie ganz bestimmt nicht." Ich spürte Sadie's Griff an meinem Arm. „Reid.", flüsterte sie leise, aber ich war noch nicht fertig. Ich deutete auf Killian, der mich stumm anstarrte, seine Lippen zu einer dünnen Linie gepresst. „Das da ist Lee. Moe's bester Freund. Er kennt ihn besser, als jeden anderen. Sie haben die letzten 5 Jahre fast jeden Tag zusammen verbracht. Aber das ist das erste Mal, das Sie sein Gesicht sehen, nicht wahr?"

Ich schritt auf sie zu, bevor ich genau vor ihr zum stehen kam. Merkte wie sie nach Worten, oder Luft, rang. Es war nicht mein Recht, ihr diese Worte zu sagen. Es war nicht meine Wut, die mich füllte. Aber der, der sie eigentlich aussprechen sollte, war gerade nicht hier. „Aber Sie wissen vieles nicht über ihn. Über ihren Sohn, Mrs Moretti. Denn Sie haben ihn rausgeschmissen. Auf die Straße gesetzt. Und wissen Sie was? Wir waren da. Lee war es, der ihm gezeigt hat wie man Auto fährt. Er hat ihm gezeigt, wie man einen beschissenen Reifen wechselt. Und Sadie." Ich sah zu meiner Schwester. Sah, wie sie uns mit feuchten Augen anstarrte. „Sie hat vor jedem Test mit ihm gelernt, ihm geholfen bis spät in die Nacht, wenn er was nicht verstanden hast. Was nicht oft vor kam, denn Romeo war ein exzellenter Schüler. Das hätten Sie herausgefunden, wenn Sie zu seinem beschissenen Anschluss gekommen wären!" , brüllte ich.

Ich sah wie der Polizist mich erneut zurück schicken wollte. Ich hob meine Arme bereit mich erneut zu wehren, aber Mrs Moretti hielt ihn mit einer einfachen Handbewegung auf. Er blieb stehen. Und ich fuhr fort. „Und Liz- unsere Lizzy- war es, die ihm seinen Geburtstagskuchen gebacken hat. Jedes verdammte Jahr.", ich fuhr mir über den Hals. Spürte wie die Wut mich fest in ihrem Griff hatte. „Und Silas war der erste, der ihn umarmte, als Moe den Job bekam, den er schon immer haben wollte. Können Sie mir sagen, was für eine Berufung das genau ist?" Ich sah das leichte Zittern in ihrer Unterlippe.

„Er ist mein Sohn," hauchte sie und ihre kalte Fassade bröckelte. Ich verzog das Gesicht, wandte mich für eine Sekunde ab. „Ihr Sohn hat sich vor zwei Jahren den Arm gebrochen. Wo waren Sie da? Ihr Sohn wurde so sehr verprügelt, dass er sich mehrere Tage kaum bewegen konnte. Ihr Sohn war obdachlos, er hat in einer beschissener Turnhalle geschlafen und sie- sie, kein Krimineller, kein Dealer- waren daran Schuld!" Ich hörte wie Sadie hinter mir scharf die Luft einzog. Sie hatte es nicht gewusst. Moe hatte es den anderen nie erzählt und ich hatte sein Geheimnis bewahrt. Bis jetzt.

Ich blinzelte, sah auf meine Hand, die immer noch voller Blut war, die seinen Zettel fest umklammert hielt. Alles wäre er alles, was übrig ist. Verzeih mir.

„Sie konnten ihren Sohn nicht Mal mehr anssehen!" keuchte ich. „Und er? Er liebte sie dennoch! Er macht Ihre beschissenen Rezepte, redet von seiner Kindheit, als wäre es was heiliges! Er ist sogar so weit gegangen, sein eigenes Leben zu opfern! Für Sie! Für ihre Rechnungen! Und sie konnten ihn einfach vergessen, begannen ihn zu hassen, einfach nur, weil er ein wenig anders war? Weil er Menschen- Menschen wie mich- geliebt hat!?", ich fiel zurück, spürte Lees Hand, die mich stütze.

„Deswegen erzählen Sie mir nichts von Familie!", zischte ich und sah zu dem Mann. Den Mann, den ich jetzt erst entdeckte. Meine Atmung kam stocken und meine Stimme war rau und leise, als ich den letzten Satz aussprach. „Denn Sie haben keine Ahnung, was dieses Wort bedeutet." Ich sah zu Moe's Vater. Sein Gesicht war schmerzverzerrt, als er zu mir aufsah.

Stille herrschte in dem Flur und ich merkte, dass seiner Mutter stille Tränen über die Wangen liefen. Sie sagte kein Wort, bis ihr Ehemann neben ihr zum stehen kam, die Hand seiner Frau nahm und zu ihr aufsah.

„Lass sie rein.", bat er seine Frau und sie sah zu ihm hinab. „Sie brauchen das genauso sehr, wie Romeo."

Bad Choices [BxB]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt