76| Ein etwas anderer Urlaub

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Reid

Awww, vermisst du uns schon? Es ist-"
„Sadie, ist Moe bei euch?", unterbrach ich meine Schwester, während ich scharf um eine Ecke bog. Ich hatte drei Mal bei ihm angerufen, aber er ging nicht ran. Mein Herz raste, fast so schnell wie der Motor dieses Wagens. „Ja, er sitzt auf der Couch und spielt mit Silas Mario Kart, wieso?", meinte sie und ich holte tief Luft. Ihm ging es gut.

Ich klemmte mir den Hörer zwischen Schulter und Wange um beide Hände am Lenkrad zu haben. „Hör mir jetzt genau zu, okay? Ihr sperrt jetzt die Türen ab. Alle. Und dann beginnt ihr zu packen. Nur das wichtigste. Wir müssen für ein paar Tage die Stadt verlassen.", befahl ich und schaltete erneut ruckelnd. „Du machst mir Angst Reid. Ist alles okay?" Ich biss die Zähne zusammen. Nein. Nichts war okay.

„Nick ist auf freiem Fuß. Er ist auf einem Rachefeldzug, Sadie. Er will den Verräter finden.", erklärte ich grob und hörte wie sie zittrig einatmete. „Shit." Das kann man wohl laut sagen. „Wann bist du hier?" Ich drückte das Gaspedal durch. „In 5 Minuten."

„Okay. P-Pass auf dich auf."

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Ich stürmte praktisch in unser Wohnzimmer. Entdeckte bereits ein paar gepackte Taschen so wie ein Chaos, aus Gesprächen und Befehlen, die durch das Haus gebrüllt wurden. Silas und Sadie, die durch die Räume huschten, Sachen in Rucksäcke stopften. Lee, der am Telefon zu fluchen schien und Ezra und Liz, die weitere Taschen auf den Haufen auf unseren Esstisch luden. Aber ich blieb nicht stehen, nicht, bevor ich seinen blauen Haarschopf in der Küche entdeckte.

Ich ging mit schnellen Schritten auf ihn zu, meine Brust mit jedem Meter ein wenig leichter. In meinem Kopf tauchten Bilder von durchtränkten Teppichen auf. Von Brüdern, die es nicht mehr geschafft hatten, Taschen zu packen. Das hätte er sein können, dort auf den Bildern. Romeo sah zu mir auf, lächelte mich schwach an und wollte gerade etwas sagen. „Hi. Wir können-" Doch da schlang ich bereits meine Arme um ihn und zog ihn fest an meine Brust, sodass er einen erstickten Laut von sich gab. Er war okay. Moe war okay. „Reid.", er klopfte auf meine Arme, forderte damit ein wenig Luft. Ich vergrub meinen Kopf auf seiner Schulter. „Geh an dein beschissenes Handy, Moretti!"

Ich spürte seine Hände auf meinem Rücken. „Sorry." Nur er konnte mir so einen Schrecken einjagen, und das alles dann mit einem einfachen Sorry kommentieren. Ich löste mich von ihm und küsste ihn auf die Stirn, bis sich mein Herz wieder beruhigt hatte. Bis die Panik meinen Körper verlassen hatte. Dann ging ich zurück ins Wohnzimmer und blickte in die immer noch wuselnde Runde. „Hat jeder seine Tasche gepackt?" Liz sah zu mir, hievte einen weiteren Rucksack auf den Tisch. „Naja, wir hatten nur 10 Minuten, also war es mehr ein planloses Stopfen als ein Packen, aber ja. Wir können los."

„Und", begann Silas, der seinen Dinorucksack fest umklammert hielt. „Wo genau gehen wir jetzt hin?" Ich seufzte, dass war eine gute Frage. Erstmal so weit aus der Stadt raus wie möglich. Und dann in irgendein runtergekommenes Motel. „Wir könnten", schaltete sich Ezra ein. „zu einem der Coldwell Anwesen?", schlug er vor und ich runzelte die Stirn. „Ein Anwesen deines Vaters?" Er zuckte mit den Schultern. „Naja, es gibt ein Haus am See. Das ist ein paar Stunden außerhalb. Außerdem ist es ein gezäuntes Gelände mit hoher Security. Zudem glaub ich nicht, dass Nick von diesem Haus wissen würde." Sadie nickte zustimmend, sah zu mir. „Das klingt ziemlich sicher."

„Und dein Vater-"
„Mein Vater würde erst was davon erfahren, wenn der ganze Spuck schon längst wieder vorbei ist. Zudem kann er nichts machen, da ich immer noch den Namen Coldwell trage... und jegliche Passwörter mitgehen hab' lassen.", grinste er gerissen und ich wusste wieder, warum ich ihm am Anfang absolut nicht ausstehen konnte. Seufzend nickte ich zustimmend. Ich würde mich auch lieber in einer Villa verstecken, als in einem ranzigen Motel.

„Na gut.", seufzte ich und began die Wagen einzuteilen. Lee würde mit Ezra, Liz und Silas fahren. Während Moe und Sadie bei mir im Wagen sein würden. Mit einem mulmigen Gefühl beobachtete ich, wie meine Familie begann die Taschen zu den Autos zu bringen. Wenn man sie dabei so sah, wirkte es fast, als wäre das ein Last-Minute Urlaub. Schade nur, dass es eine Flucht war. Wir alle könnten eine Pause dringend brauchen.

Ich warf einen letzten Blick zurück, bevor ich die Treppen hinauf zu meinem Zimmer ging. Ich zog die schwere Tasche unter meinem Bett hervor und sah seufzend hinein. Ich hatte gehofft, dass ich diese Tasche niemals brauchen würde. Aber manchmal war ein Baseballschläger einfach nicht genug. Ich warf einen letzten kontrollierenden Blick auf die Schusswaffen, bevor ich den Reißverschluss zuzog.

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Ezra hatte mir die Adresse gesagt, die ich nun wie ein Mantra in meinem Kopf aufsagte. Die Sonne war gerade dabei den Himmel in ein wunderschönes Lila zu färben, aber ich war zu beschäftigt auf Lee's Wagen vor mir zu starren. Wir hatten vor 10 Minuten die Stadt verlassen. Waren nun weg von unserem Haus. Unserem Leben. Weg von Nick.

Auch wenn ich wusste, dass er uns nun nichts mehr anhaben konnte. Dass er wahrscheinlich schon längst gefasst wurde, konnte ich das Gefühl der Paranoia nicht abstellen. Alle zwei Sekunden, huschte mein Blick zum Rückspiegel. Bei jedem Auto, dass uns entgegen kam, verkrampften sich meine Hände. Tausende Was wenn rannten mir durch den Kopf.

„Hey", Moes Hand legte sich beruhigend auf meinen Oberschenkel. Ich spürte seinen Blick und sah kurz zu ihm, bevor ich mich wieder auf den Impala vor uns konzentrierte. „Es wird alles wieder gut." Ich knirschte mit den Zähnen. Ich sah kurz zu Sadie die auf der Rückbank eingeschlafen war. Sie trug immer noch ihren Kittel, war gerade erst von ihrer Frühschicht nach Hause gekommen, und hatte keine Gelegenheit mehr gehabt, sich umzuziehen. „So sollte es nicht sein, Moe. Wir sollten nicht an einem beschissenen Dienstag unser Leben hinter uns lassen."

„Wir lassen es nicht hinter uns. Wir bringen uns in Sicherheit. Und das auch nur für ein paar Tage. Du wirst schon sehen, wahrscheinlich sitzen wir Morgen bereits wieder Zuhause beim Abendessen." Ich konnte es nur hoffen. Ich tippte nervös auf das Lenkrad, sah erneut zurück. „Dennoch... Lee musste bei Silas Schule anrufen, um ihn für ein paar Tage krankzumelden. Seine Mitschüler denken, er hat die Grippe, während er vor einem verfickten Mörder flieht!" Ich sah wie Moe den Blick abwendete und aus dem Fenster sah. „Und Liz? Sie hatte morgen ein Date. Sie hat sich dafür sogar extra neue Klamotten gekauft und war schon ganz nervös gewesen. Und nun muss sie Angst haben, den morgigen Tag zu erleben."

„Reid.", flüsterte er aber ich war noch nicht fertig. „Und du? Du bist dem ganzen doch gerade erst entkommen! Du hast damit doch nichts zu tun. Also wieso-?" Seine Hand wanderte an meinen Arm. „Reid!"

Mein Kopf schnellte zu ihm. „Warum kann nicht einfach mal alles gut laufen? Wir sind doch nur-" meine Stimme brach ab.

Wir sind doch nur Kinder, gottverdammt nochmal!"

Bad Choices [BxB]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt