50| Schlechte Telenovelas

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Romeo

Reid starrte auf das Blut in meiner Hand, während mein Gelächter langsam verstummte. Ich war ja völlig verrückt geworden. Das alles war so absurd. Ich hatte ihn monatelang nicht gesehen, und jetzt saßen wir hier, auf dem Boden des Kellers zwischen uns eine Kiste voller Scherben. Irgendwie ironisch. Ich betrachtete ihn, als sich meine Lungen langsam wieder mit Luft füllten. Als meine Gedanken wieder klarer wurden. Während nur noch die Stille zwischen uns stand, hob er seinen Blick und die Schuld in seinen Augen ließ mich schlucken.

Er öffnete die Lippen.

„Sie wollte dich, und das konnte ich nicht zulassen.", gestand er zögerlich, aber ich verstand nicht. „Was?" Wer wollte mich? „Liv. Sie war sauer, da sie mich nicht mehr haben konnte. Also wollte sie mich provozieren. Sie hätte...", er brach ab, seine Lippen pressten sich zu einem dünnen Strich. Oh...

Sie wollte mich verführen, weil sie sauer auf Reid war? Und das konnte er nicht zulassen? Langsam dämmerte es mir. Natürlich. „Heißt das, du hast mich schlecht geredet, damit sie das Interesse verliert?", fragte ich und er nickte stumm, wirkte plötzlich schrecklich schüchtern. „Hätte ich ihr gesagt, wie du wirklich wärst, hätte sie dich erst recht haben wollen, und..."
„Und das hättest du nicht ertragen.", beendete ich flüsternd.

Reid sah mich an, als wäre ihm gerade eine riesige Last von den Schultern gefallen. Als wäre nun alles offen. Diese Worte damals zu hören, waren wie ein Schlag in die Magengrube gewesen. Ich dachte er würde mich hassen. Dabei hatte er nur Angst, dass seine Ex schneller über ihn hinwegkommt. Vor allem mit einem guten Freund. Ich wäre da auch nicht begeistert gewesen. „Du Vollidiot!", schnaubte ich, während ich den Schmerz in meiner Hand kaum noch spürte.

„Weißt du", begann ich und lächelte zögernd. „Du hättest mir da ruhig vertrauen können. Die Ex von einem Freund ist Tabu. Sogar für mich, Reid. Und wenn du immer noch Gefühle für sie hast, warum hast du ihr Angebot nicht einfach angenommen?" Es war nun alles so logisch. So klar. Reid's Augen weiteten sich geschockt und ich lachte kurz auf. „Was?"
„Naja, die Tatsache, dass du eifersüchtig bei dem Gedanken wurdest, dass Liv mit jemand anderen schläft, so weit, dass du sogar zu solchen Maßnahmen greifst, zeigt, dass da immer noch was zwischen euch ist.", erklärte ich grinsend, erfreut ihn und sein dämliches Verhalten, endlich geknackt zu haben.

An Reid's bleichen Wangen erkannte ich, dass ich genau ins Schwarze getroffen habe. Ich hatte so lange gedacht, ich hätte irgendwas falsch gemacht. Dass er mich von Anfang an nicht leiden konnte. Dabei war es ein nur ein Mädchen gewesen. Die gute Liv Stuart hatte ihm so dermaßen den Kopf verdreht, dass der große Reid Green eifersüchtig wurde.

Es war fast schon niedlich.

Die Wut der letzten Woche schienen nun irgendwie lächerlich. Hätte er mir einfach gesagt, dass er vor ihr einfach nur besser dastehen will, hätte ich vielleicht sogar mitgespielt. „Aber dass nächste Mal, wenn du Panik vor einem Mädchen schiebst, beschimpf mich doch bitte nicht als Schlampe.", kicherte ich nun, und hievte mich vom Boden.

Gott, hätten wir dieses Gespräch Mal vor ein paar Monaten geführt!

Reid saß immer noch am Boden, starrte mit einem seltsamen Blick zu mir hinauf. Ich reichte ihm die Hand, wackelte auffordernd mit den Fingern. „Komm schon, Officer. Sadie wartet auf ihre kaputten Laternen." Reid zögerte, sah auf meine gesunde Hand, die immer noch nach ihm ausgestreckt war. „Bist du... nicht mehr sauer?"
Ich grinste ihn verschmitzt an, „Naja, ich bin immer noch ziemlich angepisst, dass du mir nicht gesagt hast, dass du gehst, und nie geschrieben hast. Aber wie könnte ich noch sauer auf dich sein, wenn sich herausstellt, dass du einfach nur ein verliebter Trottel warst."

Ich fühlte mich auch geehrt, dass er mich als eine solche Konkurrenz sah, dass er mich dermaßen schlecht reden musste. Putzig.

Reid schwieg eine Weile, ein zynischer Ausdruck auf seinen Zügen. Er schien nicht so erfreut, dass ich herausgefunden habe, dass er tatsächlich Gefühle für Liv hat, oder hatte. Aber da musste er jetzt durch. Es war mein Recht, nach der ganze Scheiße, ihn jetzt damit aufzuziehen. Schlussendlich nahm er doch meine Hand und hievte sich ebenfalls auf die Füße. „Ja", murmelte er so leise, dass ich ihn fast nicht gehört hätte. „Ein verliebter Trottel."

Ich klopfte ihm auf die Brust, grinste ihn an. Ein warmes Gefühl breitete sich in meiner Brust aus, als ich realisierte, dass tatsächlich alles nur ein riesen Missverständnis war. „Weißt du, man muss sich nicht dafür schämen, der Ex noch hinterher zu hängen. Es ist immer schwer loszulassen." Er sah zu mir hinab, sein Gesicht seltsam verzogen. „Ich bin über sie hinweg. Nein, ich war nie...", brummte er und ich ging an ihm vorbei, hörte ihm nicht wirklich zu.

Ich hatte mittlerweile meine ganze Jeans voll geblutet. Ich brauchte dringend einen Verband. „Na, dass will ich auch hoffen. Schließlich hattest du 4 Monate. Das heißt, ich muss jetzt keine Angst mehr haben, als Krimineller beschimpft zu werden?" Er packte mein Handgelenk und wirbelte mich zurück. Erschrocken sah ich zu ihm auf. Ein wütendes Glitzern in seinen Augen. „Das wird nie wieder passieren.", schwor er schrecklich ernst.

Mein Lächeln wurde schwach, als ich zu ihm aufsah. „Das will ich doch hoffen. Dass nächste Mal, breche ich dir deine Nase.", meinte ich, halb als Scherz, halb als Wahrheit. Nun zuckten auch seine Mundwinkel. „Du hast mir eine geschmiert."
„Verdammt richtig, dass habe ich."
„Ein nächstes Mal wird es nicht geben.", schwor er erneut und ich entzog mich seinem Griff. „Für deine restlichen Körperteile, will ich das auch hoffen.", drohte ich und sein Blick wurde seltsam weich.

Seltsame Reaktion auf eine Drohung. Aber es war ja auch Reid, über den wir hier redeten. „Du vergiebst mir tatsächlich.", hauchte er und ich drehte mich um, machte mich auf den Weg zur Treppe. „Ja, das Leben ist zu kurz für so einen Scheiß. Und da ich jetzt weiß, dass es nur ein Anflug von einem naiven Besitzanspruch auf deine Ex war, und nichts gegen mich, kann ich dich jetzt auch getrost wieder nerven."

Ich spürte seinen brennenden Blick in meinen Nacken. „Moe, ich-"
„Nun, komm schon!", rief ich, plötzlich bei bester Laune. Es war erstaunlich, wie schnell sich alles wenden konnte. Mir war schlecht gewesen, bei dem Gedanken Reid auch nur gegenüber zu treten, und nun war es fast schon wieder wie früher.

Ich hatte einfach vergessen, dass unter all dem Eis und den Muskeln, auch einfach nur ein Teenager steckte, der seiner ersten Liebe nach hing. Der nicht wollte, das sie ihn bereits vergaß. Ein Missverständnis aus Eifersucht und Liebe. Und ich, der eigentlich gar nichts mit der Sache zu tun hatte. Zur falschen Zeit am falschen Ort war und unnötig verletzt wurde. Es war fast schon wie in einer dieser Telenovelas, die Liz immer schaute.

Doch zum Glück, bin ich nie dazu gekommen ihn auf dieses bescheuerte Date einzuladen. Denn dann hätte ich wahrscheinlich Alex nie eine Chance gegeben. Und hätte von Reid wohl eine hälftige Abfuhr erteilt bekommen.

Vielleicht war es Schicksal gewesen. Es war egal, ich war nur froh dass ich meinen Rentner, in Form eines 22 Jährigen, wieder hatte, den ich aufziehen konnte, so viel ich wollte. Ich war froh, dass nun endlich alles geklärt war.

Ein Gedanke kam mir und ich blieb mitten auf der Treppe stehen. Das Blut tropfte nun auf die knarzenden Holzstufen, aber das war mir egal. Breit grinsend drehte ich mich zu Reid.

„Ich muss dir unbedingt jemanden vorstellen!"

Bad Choices [BxB]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt