07| Monster

3.5K 301 11
                                    

Romeo

„Gleich hab ich dich!", lachte ich und rannte, halb stolpernd, die Treppe nach oben. Immer dem Kichern hinterher. „Nicht so schnell! Sonst tut sich noch einer weh!", brüllte Reid vom unteren Ende der Treppe, aber ich hörte ihn kaum.

Ich war viel zu beschäftigt, Silas durch das Haus zu jagen.

Offiziell war ich ein Monster, das versuchen musste ihn zu fressen und Silas war der Abenteurer, der entkommen musste. Tatsächlich wollte ich ihn nur müde machen.

Ich sah, wie seine Silhouette im Bad verschwand und lachte theatralisch auf. „Kein Entkommen!"
Tatsächlich war er in einer Sackgasse. Seine großen Augen starrten panisch zu mir, während ich mit großen Schritten auf ihn zu ging.

Ich erwischte ihn und begann ihn durchzukitzeln. Irgendwie verlor ich das Gleichgewicht und wir endeten als ein lachender Haufen Gliedmaßen auf dem Badezimmerboden. „Ich geb auf!", japste Silas, während ich ihn weiter kitzelte. „Keine Gnade!"

Ein Schatten legte sich über uns und ich sah blinzelnd zu Reid, der auf uns hinabsah. Er war vor einer halben Stunde gekommen. Hat gemeint seine Schicht wäre zu Ende, aber ich hab irgendwie das Gefühl, er will nur sicher gehen, dass ich keine Scheiße mit Silas anstelle, wenn wir alleine sind. Wie ein Tattoo zu Beispiel.

„Oh nein!", japste ich -das Monster -und hörte auf ihn zu kitzeln. „Ein Ritter ist zur Hilfe geeilt." Silas schnappte nach Luft und sprang auf. Im nächsten Moment zerrte er Reid aus dem Raum. „Komm, Ritter. Wir müssen vor dem Monster fliehen!" „Was..?", fragte Reid und sah überfordert zu mir.

Als er merkte, dass ich ihm vom Badezimmerboden nur aus lachte, verdunkelte sich sein Blick, bevor er von einem Knirps um die Ecke gezerrt wurde.

______________________

„... und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.", mit einem Klappen schloss ich das Märchenbuch und sah zu Silas, dessen Augen schon schwer flatterten. „Noch eine.", murmelte er und ich zog die Decke ein Stück höher. „Es ist schon spät.", meinte ich und sah auf die Uhr.

Mein Plan war vollends aufgegangen. Er war hundemüde. Das Problem war nur, ich auch. Ich saß neben ihm auf seinem Bett und wäre während der Geschichte auch beinahe eingenickt.
„Dann ... morgen?", fragte er und seine Atemzüge wurden immer tiefer. „Na klar, Knirps.", ich stand auf und wuschelte ihm durch die Haare.

Silas sah wirklich eins zu eins aus wie Lee. Die Locken, die braunen Augen... Nur war Lee um einiges grumliger und nicht ansatzweise so putzig. „Aber jetzt wird geschlafen." Ich stellte das Buch zurück auf sein Regal und schaltete das Licht aus. „Gute Nacht, Moe.", hörte ich ihn murmeln, bevor ich die Tür hinter mir schloss. „Schlaf gut."

Ich atmete tief durch als ich auf den Gang stand. Ich musste dringend schlafen.

„Du bist gut mit Kindern.", erklang es hinter mir und ich verharrte mit der Hand an der Klinke. Reid lehnte hinter mir an der Wand, als ich mich umdrehte. Fragend sah ich zu ihm, „Wie lange stehst du schon hier?" Er stieß sich ab und kam auf mich zu. „Lang genug, um zu wissen, dass du für den bösen Wolf deine Stimme verstellt hast."

Ich verschränkte die Arme, „Meine Darbietung für Rotkäppchen war um Wesentliches besser." Reid senkte kurz den Blick, „Natürlich." Ich verstand nicht, was hier gerade passierte? War das wieder eine Kontrolle? Dass ich nichts Dummes tat? Silas schlief, er sollte nicht....

„Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass du dich über mich lustig machst.", erwiderte ich und sah ihn prüfend an. Aber das war unwahrscheinlich. Er besaß nicht so etwas wie Humor. Reid öffnete gerade den Mund um etwas zu erwidern, als es an der Tür klopfte. Wir warfen uns einen verwirrten Blick zu.

Jeder hatte einen Schlüssel, zudem erwarten wir niemanden. Also wer zum Teufel...? „Bleib hier. Ich geh schon." Ich drückte mich an Reid vorbei und ging den Gang entlang, nach unten, um vor der Tür zu stehenzubleiben. Es war früher Abend, vielleicht war es einfach nur ein Nachbar, dennoch hatte ich ein mulmiges Gefühl.

Ein dumpfes Klopfen gegen die Holztür.

Ich holte Luft und riss die Tür auf, bereit, wem auch immer einen Vortrag zu halten, warum er nicht einfach einen Schlüssel benutzte. Der Schlag, der mich daraufhin erwischte, traf mich unvorbereitet.

Im nächsten Moment spürte ich das Holz der Dielen unter meinen Rippen und das Gefühl der Kälte, das durch die offene Tür hineindrang. Meine Ohren surrten und schwarze Punkte surrten vor meinen Augen. Fuck.

Jemand hatte mich niedergeschlagen und das mit einem einzigen Schlag.

Ein schweres Dröhnen hatte sich wie eine Decke um meine Sinne gelegt und das einzige, was ich wahrnahm, waren die verschwommenen Stiefel, die in mein Blickfeld schritten. Tiefes Brummen durchdrang das Piepen, was ich als eine Stimme einordnete.

Reid. Er war noch oben. Ich musste...
Er soll nicht ...

Sie waren zu Zweit. Ich versuchte die Benommenheit abzuschütteln und wollte mich aufstützend, doch eine Sohle in meinem Rücken drückte mich zurück auf die Dielen. Ich blinzelte verzweifelt, versuchte die Klarheit zurückzugewinnen. „... nicht hier!", hörte ich eine aufgebrachte Stimme.

„Wir werden nicht gerne ignoriert. Sag das deinem Bruder." Ich kannte die Stimme. Nick. Natürlich war es Nick. Wer auch sonst. „Raus aus meinem Haus.", knurrte jemand und ich suchte nach dem Ursprung. Reid stand ein paar Meter von uns entfernte. Er war nicht ganz deutlich, aber selbst in meinem Zustand, konnte ich sehen, dass seine Muskeln zum Zerreißen gespannt waren.

Nick stieg über mich hinweg, während sein Kumpane in der offenen Tür stehen blieb. Erschrocken keuchte ich nach Luft, als er Reid eine verpasste. „Pass auf, wie du mit mir sprichst, Junge." Ein erneuter Schlag. Nein.

Mein Kopf drohte zu platzen, als ich mich auf hievte. Reid spuckte das Blut aus, starrte seinen Gegner einfach nur an. „Raus hier.", wiederholte er. Die Kälte in seiner Stimme gab mir eine Gänsehaut. Warum währte er sich nicht? Schlug zurück? Ich taumelte auf die beiden zu, als sein Blick meinen fand.

Ich hielt inne.

Blut rann ihm aus der Nase, aber er wischte es sich nicht weg. Stattdessen hielt er seinen Blick fest auf mich. Ich würde mit ihm kämpfen! Ich würde... Aber er reagierte nicht. Warum stand er einfach nur da?

Nick sah über seine Schulter, sah mich an. Ein seltsames Lächeln trat auf seine Lippen. Ich zuckte zusammen als Nick seine Hand auf meine Wange legte. Sie fast schon behutsam tätschelte, bevor er einfach an mir vorbeiging, Richtung Tür. Seine Schulter knallte gegen meine und ich taumelte einen Schritt zurück, konnte mich gerade noch fangen.

Würden sie einfach gegen? Was ging hier eigentlich ab? Ich... Ich griff keuchend an meinen Kopf. Sie hatten mich ziemlich erwischt, vielleicht erfasste ich deswegen die Szene nicht ganz.

Nick drehte sich zu uns um. Spuckte auf den Fußboden, bevor er zu Reid sah. „Sag deinem Bruder, dass er an sein verficktes Handy gehen soll, wenn er keinen unangekündigten Besuch will." Ein Schauer rannte meine Wirbelsäule nach unten. „Das war eine Warnung."

Nick sah mit einem Augenzwinkern zu mir. „Cash erwartet bald seinen Anteil, Romeo. Enttäusche ihn nicht."

Kühle Luft wehte hinein, als die Tür gegen die Mauer knallte.

Die Eindringlinge waren verschwunden.

Bad Choices [BxB]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt