86| Menschlich

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Sadie

„Reid.", ich legte ihm eine Hand auf die Schulter. Er reagierte kaum, legte lediglich eine Hand auf meine, zeigte mir so, dass er mich gehört hat. Ich seufzte und vermied zu Moe zu sehen. Wollte nicht schon wieder in Tränen ausbrechen. Seitdem ich ihn so hatte da liegen sehen, wollte ich nichts anderes tun, als mich zu verkriechen und zu weinen. Aber ich hatte keine Zeit, ich musste, dafür sorgen, dass... „Du solltest etwas schlafen, okay?" Ich sah zu meinem Bruder, der seit Gestern morgen, an diesem Bett saß, sich nicht einmal gerührt hatte.

Verschiedene Krankenschwestern waren bei seinem Anblick sichtlich erschrocken. Eine blutige Gestalt, die still da saß, als wer sie der Tod persönlich. Wir durften sogar nach den Besuchszeiten belieben, seitdem Henry mit dem Oberarzt geredet hatte. Zudem wurde danach auch der Polizist vor der Tür ausgewechselt und immer wenn Henry dem Arzt begegnete wurde dieser eine Spur bleicher. Ich weiß zwar nicht, was er zu ihm gesagt hatte, aber es schien sehr effektiv zu sein. Reid sah zu mir auf, das Blut, war auf seiner Haut eingetrocknet, bröckelte und ließ den Blick in seinen Augen nur noch Hoffnungsloser wirken. „Du musst dringend duschen.", murmelte ich und wuschelte ihm durch die Haare.

„Ich... Ich kann nicht.", raunte er und seine Stimme war seltsam rau, als hätte er geschrien. Ich habe ihn nie gefragte, was passiert war, habe lediglich von Henry die groben Informationen erhalten. Ich wusste nicht, was Reid erlebt, gesehen, hatte. Wenn ich ehrlich war, wollte ich es auch nicht wissen. Der Blick in seinen Augen genügte, um mir um zu verstehen zu geben, dass es schlimm war. Grauenhaft. Etwas, das Narben hinterließ.

Moe war in seinen Armen gestorben. Er hatte ihn verloren. Wir alle hatten das, aber er hatte es gesehen. Es war verständlich, dass er seine Seite nicht verlassen wollte, dennoch konnte ich nicht länger dabei zu sehen, wie sein Gesicht immer fahler wurde, seine Augen immer dunkler. „Ich kann dich nach Hause fahren, du springst nur schnell unter die Dusche, ziehst dir was frisches an und wir sind innerhalb einer Stunde wieder hier, okay?", schlug ich vor, während Reid Moe's Hand nahm, seinen Daumen über seinen Handrücken fuhr. Er schwieg und ich seufzte.

Es war schon Arbeit gewesen Lee davon zu überzeugen sich ein paar Stunden hinzulegen. Bei Reid schienen die Worte nichtmal anzukommen. „Was würde er sagen, wenn er dich jetzt so sehen könnte?", murmelte ich und merkte wie er sichtlich verspannte. Es war eine rhetorische Frage, denn ich wusste die Antwort bereits.

Ich konnte mir bildlich Moe's besorgten Blick vorstellen, das Blitzen in seinen Augen, bevor er es überspielte, sich breit grinsend sich zu ihm vorbeugen würde. Himmel, Green! würde er lachen Du siehst aus wie ein Zombie. Soll ich dich mit dem Gartenschlauch abspritzen, oder wäre dir eine Waschanlage lieber?

Und dann würde er ihn so lange nerven, so lange aufziehen, bis Reid, mit einem Augen-Rollen und einem heimlichen Lächeln, genau das tat, was Moe wollte. So war es immer zwischen den beiden. So war es immer gewesen.

„Er würde wollen, dass du was isst.", begann ich. „Er würde wollen, dass du ein wenig schläfst. Dass du...", ich brach ab, als ich merkte, wie meine Augen erneut brannten. Genervt blinzelte ich, sah an die Decke. Gott, konnte ich endlich damit aufhören!? „Stell dir vor, er wacht auf und das Erste, was er riecht, ist dein ungeduschtes Ich. Er wird sofort wieder ins Koma fallen.", versuchte ich zu Scherzen und Reid sah wieder zu mir auf. Runzelte die Stirn. „Komm jetzt. Eine Stunde dann bist du wieder hier. Ich verspreche es. Nur eine Stunde." Reid presste die Lippen zusammen, sah auf die Hand, die immer noch Moe's umschlossen hielt. 

„Okay.", murmelte er und erhob sich. Ich ging bereits ein paar Schritte zu Tür, sah erneut zu ihm, als ich merkte, dass er mir nicht folgte. Mein Herz verkrampfte sich schmerzhaft, als ich sah, wie er sich über ihn gebeugt hatte. Ihn auf die Stirn küsste und dort verharrte, sodass ich mich weg drehen musste, weil es sich anfühlte, als würde ich eine intimen Moment stören.

Bad Choices [BxB]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt