82| Kalt

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Reid

Blaue Lichter erhellten die Nacht, aber ich sah nur Rot. Ich hörte ihre Stimmen, aber ich verstand sie nicht. „S-Sir, sie müssen ihn loslassen. Wir können ihm nur helfen wenn..." Es war kalt. So schrecklich kalt. „Wie ist ihr Name, Sir?"

Jemand legte eine Decke um meine Schultern. Die Kälte blieb.

Ich konnte mich nicht an die Fahrt ins Krankenhaus erinnern. Ich sah nur Gesichter. Voller Mitleid, voller Schock. Vielleicht auch Angst? Ich erinnerte mich daran, wie ich mich an Metall klammerte. Es nicht los lassen wollte. „Sir, Sie können nicht mit in den OP. Sie..." Arme, die mich wegzerrten, während mein Blick immer noch an der Trage hing. Auf ihm hing.

Blau.

Und dann war da dieser Gang. Ich wusste, nicht wie lange ich auf diesem Flur verweilte. Wie viele Krankenpfleger, an mir vorbei huschten. Mich Dinge fragten, auf die ich nicht antwortete. Und dann waren da ein Paar bekannter Augen. Henry.

Er packte meine Schultern. Riss mich ruckartig aus meinem Schock. „Verdammt, Junge! Was ist passiert? Kannst du mir sagen, was passiert ist?", fragte er, aber ich konnte die Worte nicht aussprechen. Es war, als wäre nichts davon real. Und so lange ich es nicht aussprach... Erst jetzt erkannte ich, dass er Tränen in den Augen hatte. „Bitte, Reid. Du musst mir jetzt sagen, was passiert ist."

„I-Ich hab geschossen.", gestand ich und sah ihn an. Zwang mich dazu, die Szenen erneut durchzugehen. Ein Schuss. Ich erinnerte mich daran, dass ich auf Nick schoss im selben Moment, in dem er auf uns zielte. „Er auch." Der einzige Unterschied zwischen uns war... „Er hat getroffen."

„Du auch Reid. Du auch." Verwirrt sah ich zu Henry. Hatte ich? Ich erinnerte mich nicht mehr. „Du hast ihm in die Schulter geschossen. Du hast ihn getroffen." Meine Hände verkrampften. „Ist er tot?" Henry sah mich erschrocken an. Er schien etwas in meinem Blick zu sehen, etwas dass ihn zurückweichen lies. „Nein."
„Dann habe ich nicht getroffen."

„Reid.", er wollte nach mir greifen, aber ich schlug seine Hand weg. „I-ich habe seine Familie kontaktiert. Sie waren in Bali, aber sie sind bereits auf dem Rückweg. Ein paar Nachbarn haben zusätzlich noch die Polizei gerufen, deswegen ließ sich das nicht vermeiden. Ich .... Ich hab auch deine Familie angerufen. Sie müssten jeden Moment hier sein."

Ich starrte auf die Tür, die zu den OP Sälen führten. Hinter einer davon lag er. Er lag dort drinnen und kämpfte, während ich..."Du solltest dich ein wenig frisch machen. Du bist voller Blut." Ich schüttelte den Kopf. Ich konnte hier nicht weg. Ich musste bei ihm sein, wenn... Egal was passierte.

„Ich bring dich ins Wartezimmer. Dort kannst du...", begann er, aber ich hörte es kaum. Ich starrte auf die jungen Ärzte, die in diese Richtung rannten. Auf und zu. Ihre Augen hatten diesen Hauch von Panik. Diesen Blick, ich kannte ihn. Sie zogen sich ihre Haarnetze, während dem Rennen, über und ich ahnte, wohin sie unterwegs waren. Ihre OP-Masken folgten und ich wusste.

Ich ging um Henry herum, sah dabei zu, wie sie die Türen zu diesem Gang aufrissen. Ihre Schritte begannen in meinen Ohren widerzuhallen. Nicht die Tür. Nicht diese eine Tür. Bitte nicht diese eine Tür. „Reid." Sie rannten an uns vorbei, sahen nicht mal in unsere Richtung.

„...Rippen. Schwere Schussverletzung." Ich heftete mich an ihre Fersen, rannte den Gang hinter ihnen entlang. Bis sie auf diese eine Tür zusteuerten. Ich rannte schneller, hörte, wie Henry meinen Namen brüllte. Aber ich dachte gar nicht daran, zurückzublicken. Dann „..und Herzstillstand." Ich blieb stehen. Als wäre die Luft zu einer Mauer verhärtet, konnte ich mich nicht mehr bewegen. Nein.

Bad Choices [BxB]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt