68| Unbezwingbar

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Reid

Lee lehnte bereits an der Veranda, als ich Zuhause ankam. „Was zur Hölle ist passiert?", zischte er, sein Blick unentwegt auf Moe, der - trotz kläglicher Versuche- schließlich doch eingeschlafen war, und nun tief schlummernd in meinen Armen lag. Ich ignorierte seine Frage, zog Moe ein Stück näher an meine Brust, und stiefelte an meinem Bruder vorbei ins Haus. „Warum bist du noch auf?"

Er stieß sich von der Veranda ab und folgte uns. „Ich könnte dich das selbe fragen! Ich höre nur, wie jemand um fucking 4 Uhr morgens unser Auto aus der Einfahrt fährt. Und ne' Stunde später tauschst du", er deutete auf den verprügelten Jungen. „so hier auf?" Ich knirschte mit den Zähnen, als sich Moe unruhig bewegte und drehte mich zu meinem Bruder um. „Musst du nicht eigentlich gerade mit Ezra... Dinge anstellen, oder so?" Er verzog das Gesicht, bevor sein Blick wieder düster wurde. „Müsstest du mir nicht erklären, warum Moe bewusstlos in deinen Armen liegt?"

Ich sah zu ihm hinab. Sein Kopf lag in meiner Hals beuge, während seine Arme schlapp nach unten hingen. Seine Haut war überhitzt und sein Gesicht seltsam bleicht. „Er... Er schläft nur.", murmelte ich und wollte Richtung Treppe gehen. Lee machte mir einen Strich durch die Rechnung. Er schob sich vor mich, wie ein Türsteher. „Achso ja dann! Verdammte Scheiße, Reid! Es geht hier um Moe, okay?" Er fuhr sich aufgebracht über die Stirn. „Geht es ihm gut?"

Ich zögerte. „Nein.", murmelte ich dann und dachte an das, was er mir heute Nacht anvertraut hatte. Ich atmete tief durch, bevor ich Lee wieder ansah. „Aber das wird es.", versprach ich und Lee stieß die Luft aus den Lungen. Er musterte uns erneut knapp, bevor er den Weg nach oben frei gab. „Du schuldest mir eine Erklärung. 5 Minuten. Küche."

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Ich erzählte Lee alles nach dem ich Moe in mein Bett gebracht hatte. Ich würde heute auf der Couch schlafen. Lee starrte einen Moment in die Leere, als er die Worte verarbeitete, die ich ihm gerade anvertraut hatte. Seine Hand strich über seine Brust, während sein Gesicht einen angespannten Ausdruck zeigte. „Fuck.", murmelte er und lehnte sich gegen die Arbeitsfläche der Küche.

„Ich habe schon erwartet, dass es zwischen den beiden Böse endet, aber das?", er presste seine Finger gegen die Brücke seiner Nase. Ich seufzte. Moe's Worte waren ziemlich unklar und verwirrend gewesen, aber es war deutlich, dass was auch immer zwischen den beiden vor gefallen war, nicht gerade gut geendet ist. „Und sein Gesicht?", fragte Lee und ich zuckte mit den Schultern. „Er meinte nur, dass es nicht Alex war." Zudem auch noch irgendwas von einem Butzemann, aber das ließ ich weg. „Können wir ihm das glauben? Vielleicht will er ihn nur beschützen, weil er weiß, dass Alex nicht lange mit beiden Beinen rumlaufen würde, hätte er das tatsächlich gewagt?" , warf er ein, aber ich schüttelte den Kopf. Nein, Moe sah anders aus wenn er log. In dem Punkt war er ganz und gar ehrlich gewesen. Das hieß aber, dass irgendjemand anders sein Gesicht so zugerichtet haben muss.

„Und die Drogen?", fragte Lee und ich zuckte erneut mit den Schultern. „Er war ein Dealer. Er weiß, wo er so eine Scheiße herbekommt." Lee schüttelte den Kopf, „Nein, ich meine eher... braucht er ... braucht Moe Hilfe?" Ich sah zu meinem kleinen Bruder, wie er nervös seine Hände knetete. „Ich weiß es nicht.", gestand ich leise. Moe hatte noch nie zuvor so einen Dreck genommen. Eher im Gegenteil, er war der größte Advokat gegen Drogenkonsum. Er hat es gehasst, dass er damit auch nur was zu tun hatte. Aber heute Abend...

„Ich werde mit ihm drüber reden. Wenn er wach ist.", meinte ich. Zwar würde ich dafür sorgen, dass er niemals wieder so ein Tütchen auch nur in der Hand halten würde, dennoch war Sucht ein ernst zunehmendes Thema. Und ich würde ihn nicht wegen sowas verlieren. Wenn es sein muss, würde ich ihn jeden Tag zu so einer Selbsthilfegruppe schleifen.

Killian nickte, sah mich eine Weile an. „Es ist Moe. Er wird wieder.", sagte er, wie um mich zu beruhigen. Ich sah zu ihm auf. „Er ist die Art von Person, die sich schnell wieder auf die Beine zieht, egal was kommt." Ich wusste das alles, dennoch spürte ich, wie sich meine Lungen wieder tief füllten. „Er war schon oft ganz unten. Er braucht nur ein paar Tage. Ich sag dir, Moe ist unbezwingbar." Ein kleines Lächeln entkam mir. Ja, sei es eine Flasche Alkohol, oder das Leben selbst, das ihn in die Knie zwang, niemand hievte sich so schnell wieder an die Spitze wie Romeo. Dennoch... „Er braucht uns jetzt, Lee." ich richtete mich auf. „Er braucht-"

„Seine Familie. Ich weiß.", beendete er meinen Satz und wir sahen uns stumm an. Verstanden, was der andere sagte. Auch ohne, das wir es aussprachen. Wir würden so etwas nicht mehr zulassen. Wir würden nun um so mehr auf ihn passen, weil wir heute Nacht auf ganzer Linie versagt haben.

„Und was hast du jetzt vor?", fragte mich Lee und sah mich mit einem seltsamen Blick an. Die bedrückte Stimmung schien die Küche ein Stück verlassen zu haben. Dennoch rutschte ich unruhig hin und her. „Was meinst du?" Lee schnaubte, als könne er es nicht fassen. „Mein Gott, spielst du immer noch den unwissenden? Wir haben keinen Wandschrank mehr, Reid. Das ist los." Ich stöhnte beschämt auf. „Sadie hat's dir erzählt."

„Sadie hat mir einen Scheiß erzählt! Aber das musste sie auch nicht. Jeder kann sehen, wie du ihn ansiehst, Man!", lachte er und ich wollte ihn fragen, wie genau ich ihn denn ansah, bevor ich mich noch zurückhalten konnte.

„Ich habe keine Ahnung was du-"
„Natürlich hast du das nicht. Also, was hast du jetzt vor?", unterbrach er mich und seine leuchtenden Augen erinnerten mich sehr an die von Liz, wenn sie gerade ein Tor geschossen hatte. „Was soll ich schon vor haben?" Er verschränkte die Arme, musterte mich, als wäre ich ein hoffnungsloser Fall. „Erst ist Single. Seit 4 Monaten ist er endlich wieder zu haben und du-"
Nein.", entgegnete ich stumpf, als ich merkte worauf er hinauswollte, und seine Augen weiteten sich. „Nein?", fragte er fast schon entsetzt. Seufzend fuhr ich mir über mein Kinn. „Ich werde gar nichts tun."

Moe lag da oben völlig zugedröhnt, nervlich am Ende und gerade Wegs aus einer Beziehung raus. Vor allem wollte er sich nach Alex bestimmt nicht mehr auf jemanden einlassen. Nach all der Zeit, hatte er es endlich gewagt, und nach diesem Fehlschlag, würde er wahrscheinlich wieder zu der Zeit zuvor kehren. Und dort war kein Platz für mich. Er meinte, er wäre über mich hinweg. Er meinte, es wäre zu spät. Also war die Antwort auf all die Fragen, die in den Augen meines Bruders standen, nein.

Auch wenn diese Erkenntnis mir die Luft aus den Lungen drückte.

„Seit wie vielen Jahren kennst du ihn jetzt schon, Reid? Und wie viele davon, schmachtest du meinen besten Freund nun schon an? Ohne mir davon zu erzählen wohl gemerkt.", raunte er und ich legte den Kopf schief. War er etwa sauer? „Es gab nie etwas zu sagen.", erklärte ich und er schüttelte enttäuscht den Kopf. „Zuerst fand ich das alles ein bisschen besorgniserregend. Ich wusste nicht, ob das zwischen euch gut enden würde, und was wäre dann mit mir? Ich will keinen von euch verlieren, verstehst du?" Darüber hatte ich auch schon so oft nachgedacht. „Aber dann...", er begann zu lächeln. „Dann habe ich begonnen euch zu sehen. Oder naja... Eher Ezra hat es mir gezeigt."

Ich verzog das Gesicht, aber er fuhr einfach fort. „Und dann habe ich es bemerkt. Ich habe es verstanden. Ihr seid so viel mehr für einander, als ich zuerst dachte. Ihr seid...  Sowas findet man nicht oft, okay? Und glaub mir, ich weiß wie es ist, wenn man zu lange wartet." Ich runzelte die Stirn. „Gibst du mir jetzt gerade Beziehungstipps, Mr Fake-Freund?" Lee rollte mit den Augen. „Eigentlich will ich dir hier gerade meinen Segen geben, Arschloch." Ich schnaubte.

„Ihr beide verdient es glücklich zu sein. Warte einfach nicht zu lange, okay? Versuch es. Liebe ist-" „Meine Fresse, du hängst eindeutig zu viel mit den Autor ab.", brach ich sein Gerde ab, bevor das hier zu kitschig wurde. Lee schnaufte genervt und stieß sich von der Theke ab.

„Das hier ist nur fürs Protokoll," redete er während er die Küche verließ. „weil ich weiß, dass Moe sehr gut selbst dazu in der Lage ist, aber wenn du ihm weh tust, wartet ein Baseballschläger auf dich." Ich grinste und folgte ihm ebenfalls aus der Küche hinaus. „Und was wenn er mir weh tut?", fragte ich.

Lee sah über seine Schulter. „Oh, er bekommt die selbe Rede auch noch zu hören. Keine Sorge."

Bad Choices [BxB]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt