83| Wartezimmer

3K 288 65
                                    

Killian

Moe starb in jener Nacht. Sein Herz hörte auf zu schlagen und seine Augen blieben geschlossen. Und das für ganze 2 Minuten und 7 Sekunden. Ich packte die Schultern des Arztes, sah ihn flehend an. „Was genau meinen Sie damit?" Der Mann sah mich mitleidig an, bevor er meine Hände weg drückte. „Das heißt, dass die Wiederbelebung erfolgreich war. Wir haben wieder einen Puls." Er lebte. Er war noch am Leben. Ich schlug mir die Hände vor den Mund und taumelte nach hinten. Ich wusste, das Romeo nicht still gehen würde. Ich wusste, das er nicht so schnell aufhörte zu kämpfen. „Dennoch hat sich die OP als komplizierter herausgestellt, als wir zu Beginn dachten. Seine Zustand ist immer noch sehr kritisch."

Ich wandte mich zu den anderen. Sah wie sich der Ausdruck in ihren Gesichtern veränderte, als sie die Nachricht verarbeiteten. Sadie schluchzte, tief und herzzerreißend, bevor sie mir um den Hals fiel. „Lee, er..." Ich hielt sie fest, spürte wie die Erleichterung, meinen Kopf wieder klar denken lies. „Er schafft das.", keuchte ich und zog sie fest in meine Arme. „Moe schafft das."

Ich sah über Sadie's Schulter und sah zu Reid, der wie eingefroren da stand. Sein Blick ging ins leere, als eine einzelne Träne über seine Wange rollte.

____________________

Ein Wartezimmer war nur ein anderes Wort für Fegefeuer. Es gab nichts schlimmeres, als dazu sitzen, unfähig, nutzlos, während man sich dem großen Ungewissen gegenüber stellen musste. Jedes Mal wenn ein Arzt an uns vorbei ging, schienen wir aufzustehen, in der Hoffnung, dass er wegen uns hier war. Uns endlich erlösen würde. Aber das passierte nicht. Stunden vergingen und wir saßen immer noch auf diesen elendigen Stühlen.

Ich sah zu Sadie. Sie stand neben Reid an einem der Fenster. Zusammen sahen sie nach draußen, schwiegen. Die Sonne war mittlerweile aufgegangen und schien durch die Jalousien. Es fühlte sich falsch an die Sonne zu sehen, wenn sich sonst alles so dunkel war. Mein Blick wanderte zu Liz. Sie saß zwei Stühle weiter, hatte den Kopf an die Wand hinter sich gelehnt und ihre Augen waren geschlossen. Sie war still seitdem wir hier waren. Hatte geschwiegen. Silas hatte sich quer auf die Stühle gelegt, seinen Kopf auf Liz Schoß. Er schlief, aber man sah das es kein tiefer Schlaf war.

Seufzend fuhr ich mir durch die Haare, bevor ich inne hielt. Ich sah hinab zu meinen Händen. Ich hatte nicht bemerkt, dass Blut an ihnen klebte. Es war eingetrocknet und bröckelte bereits von meinen Fingern. Es kam wahrscheinlich, von dem Moment in den ich Reid gepackt hatte, es war wahrscheinlich Moes. Ich schloss die Augen, zwang mich tief ein und aus zu atmen.

Ezra betrat das Wartezimmer. Er war vor gut 10 Minuten los um uns einen Kaffee zu holen. Aber seine Hände waren leer. Keine Pappbecher weit und breit. Er starrte uns geschockt an. Seine Brust hob und senkte sich rapide, als wäre er gerannt. Seine Lippen bewegten sich, formten Worte. Ich erhob mich. „E-Er ist a-aus dem ... OP draußen.", stotterte und sofort lag die ganze Aufmerksamkeit auf ihm. Ich sah aus den Augenwinkeln, wie Reid begann auf ihn zuzugehen.

Sie ... w-wollen uns... n-nicht z-zu ihm lassen."

________________________

Erneut liefen wir durch die Gänge. Romeo hatte nach 7 Stunden Operation den Operationstisch verlassen und wurde nun auf die Intensivstation gebracht. Meine Lungen brannten, als ich so schnell wie ich konnte rannte. Den Schildern folgte. Reid war bereits  zwei Schritte vor mir, schien genau zu wissen, wo wir hin müssen.

Keuchend kam ich vor den Glastüren zum stehen, als wir unser Ziel erreichten. Ich hörte, wie auch die anderen hinter uns zum stehen kamen. Das Quietschen ihrer Solen auf dem seltsamen Boden. Ezra hatte recht gehabt. Ein Polizist, stand vor der Tür, warf uns einen knappen kritischen Blick zu, bevor er wieder starr gerade aus sah.

Reid blieb nicht stehen. Wollte geradewegs durch die Tür. „Hey!", der Cop zerrte ihn zurück, packte seinen Arm und schleuderte meinen Bruder zurück in den Gang. „Du kannst da nicht rein." Reid's Gesicht war pures Eis. „Sie verstehen nicht-", begann Sadie, aber der Cop schien gar nicht zuhören zu wollen. „Nur die Familie hat Zutritt." Reid's Hände ballten sich zu Fäusten und er versuchte erneut durch die Tür zu gehen. „Hast du nicht gehört?", der Cop schubste ihn unsanft zurück, so dass er gegen mich krachte. Oh, dass war ein Fehler. Ich sah wie Reid seine Schultern durchdrückte.

„Was ist hier los?", schaltete sich eine Schwester ein, bevor die Situation eskalierte, und schob sich zwischen den Cop und Reid. „Wir wollen nur zu unserem Freund.", meinte Sadie und deutete auf die Tür hinter der Romeo nun lag. Die Krankenschwester sah kurz mitleidig in die Runde, bevor sie sich erschöpft über die Stirn fuhr. „Hört zu, es tut mir echt leid. Aber das sind die Anweisungen. Aufgrund der momentanen Lage haben nur die engsten Verwandten Zutritt. Euer Freund wurde angeschossen. Das sind lediglich Sicherheitsmaßnahmen."

Das können sie nicht machen. Wir dachten Moe wäre tot und nun ließen sie ihn uns nicht mal sehen?

Reid schnaubte verächtlich, baute sich vor dem Polizisten auf, überragte ihm um ein paar gute Zentimeter. „Wir sind seine Familie.", knurrte er und der Polizist legte seine Hand auf seine Waffe. Shit. „Ich bin sein Bruder.", meinte ich und zog Reid von dem Mann weg. Wir brauchten nicht noch eine Schussverletzung an diesem Tag. Die Schwester runzelte die Stirn, sah etwas in einer Akte nach. „Romeo Moretti hat keine Geschwister. Und seine Eltern sind bereits bei ihm."

Mein Blut rannte kalt. Diese Leute durften zu ihm? Leute, die nicht mehr waren als Namen auf Dokumenten? Und wir wurden hier draußen gelassen? „Sie müssen sich gedulden. Sobald er das Bewusstsein wieder erlangt und von der Station runter ist.... Sobald sich die Situation beruhigt hat, dürfen Sie zu ihm." Ich wandte mich ab ging ein paar Schritte um mich zu beruhigen. Bullshit. Das war absoluter Bullshit! „Und wie lange kann das dauern?", fragte Sadie und an ihrer Stimme erkannte ich, dass sie die Antwort bereits wusste. „Ein paar Tage."

Fuck.", rief ich aus und drehte mich wieder zu den anderen. Das konnten die nicht machen! Erwarteten die etwa, dass wir hier draußen still saßen, während er da drinnen lag? Erwarteten sie...? Ich ballte meine zitternden Hände zu Fäusten.

„Am besten geht ihr zurück ins Wartezimmer, und-" Ich merkte, das Reid erneut auf den Cop zu marschieren wollte, und packte seinen Arm. Ich spürte die Wut in ihm, als wäre sie greifbar. „Reid!" ermahnte ich, aber er entzog sich mir. Es würde nichts bringen, jetzt unbedacht zu handeln. Ich packte ihn erneut, hielt ihn fest. „Nein! Ich gehe da-" Die Schwester sah mit großen Augen zu uns auf. „Verstehen sie doch, dass nur enge verwan-!" Reid wirbelte wutentbrannt zu ihr. „Geben sie mir 5 Minuten und einen verfickten Priester und der Mann da drinnen ist mein beschissener Ehemann!", knurrte er und riss sich los.

Diesmal drückte er sich am Cop vorbei, doch bevor er die Tür erreichte, öffnete sie sich bereits. Eine ältere Frau erschien und sah uns verwirrt an. Ihre blauen Augen waren verheult, aber ihr Gesicht war dennoch gefasst, als sie uns mit strengem Blick musterte.

„Was zur Hölle ist hier los?"

Bad Choices [BxB]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt