Romeo
Mit zitternden Händen zündete ich mir meine Kippe an und nahm einen tiefen Zug. Ich zerrte an meinem Pullover, verfluchte dieses Ding zum wahrscheinlich zwanzigstem Mal an diesem Abend. Ich hasste es. Ich hasste meinen Aufzug, dieses Restaurant, und dass Reid Recht hatte.
Fuck, wie kam ich auch nur auf die Idee ich könne für einen Abend so tun, als wäre ich völlig normal? Als wäre ich jemand, den man gerne seinen Eltern vorstellte?
Ich lehnte mich an die Mauer hinter dem Restaurant, lauschte dem Rascheln der Ratten, die sich in den Containern ihr Abendessen klauten. Schmeckte wahrscheinlich besser, als der Fraß dort drinnen.
Eines der Fenster zur Küche stand offen, und leitete Wasserdampf und dumpfes Klappern zu mir nach draußen. Ich lauschte eine Weile, den Köchen. Den Befehlen und den Flüchen. Ich lachte leise in mich hinein, als ich merkte, dass ich nicht der einzige war, der einen beschissenen Abend hatte. Ich zog erneut an dem Stumpf, während die Szenen sich erneut in meinem Kopf abspielte.
Mr & Mrs Wright sahen genauso reich aus, wie ich sie mir vorgestellt habe. Sie passten in dieses Restaurant, als wären sie Teil des Silberbestecks. Ich hatte mich gefühlt wie ein Bauerntölpel, als ich mich ungeschickt vorstellte und an den Tisch setzte. Meine Hals war schrecklich trocken gewesen, als sie mich ausgefragt haben.
Ja, ich habe die Schule abgeschlossen. Ja, meine Eltern leben noch. Ja, sie leben in der Stadt. Natürlich können wir uns irgendwann alle mal treffen. Nein, ich habe keine Geschwister. Nein, ich wohne nicht auf der Westside.
„Und...", hatte Mrs Wright gemeint und sah knapp zu ihrem Mann. „Und was machen Sie so beruflich, Romeo?" Ich hatte gerade meinen Mund mit dem Baguette vollgestopft und versuchte nun schneller zu kauen. „Also", hatte ich mit vollen Wangen begonnen. „Momentan arbeite ich in einer Bäckerei. Aber neben bei, da-"
„Neben bei bewirbt er sich gerade für einen Job als Bankangestellter." unterbrach mich Alex und seine Hand hatte meinen Oberschenkel gefunden. Mit einem verkrampften Lächeln schielte er zu mir hinüber. Was?„Bankangestellter? Dafür hätte ich sie nun gar nicht eingeschätzt.", lachte sein Vater und etwas abschätziges, huschte durch seinen Blick. Nicht mal für meinen Fake-Job, bekam ich Anerkennung. Ich schlang den Rest des Brotes runter, bevor ich verwirrt zu Alex spähte. Ihn fragte, was zum Teufel er da gerade machte. In seinem Blick stand ein stummes Flehen und ich verstand. „Ja", grinste ich dann wieder in Richtung seiner Eltern. Unterdrückte ein Zähneknirschen. „Ich mich eigentlich auch nicht.", murmelte ich mit einem fahlen Geschmack auf der Zunge. Hatte wieder Reid's Worte in den Ohren...
Der alte Moe ....
„Romeo?", fragte mich sein Vater und ich sah erschrocken auf, hatte nicht mal mit bekommen, dass er mich etwas gefragt hatte. „Ich wollte wissen, wieso sie sich genau diese Profession ausgesucht haben? Interessieren sie sich für Finanzen?" Das Lächeln fühlte sich immer schwerer auf meinen Lippen an. „Ähm, ja. eigentlich-"
„Sein Vater ist ein angesehener Geschäftsmann. Er ist sein Vorbild.", sprang Alex erneut für mich ein. Ich starrte ihn an. Wie er die Antworten bereits parat hatte. Wie er wie einstudiert, lächelnd meine falsche Geschichte vortrug. Mein Vater, mein Vorbild? Geschäftsmann? Ich stopfte mir erneut ein Stück Brot zwischen die Zähnen, brachte mich so zum schweigen. „Oh wir schön! Ein gutes Verhältnis zur Familie ist immer wichtig."
So ging das den ganzen Abend. Meine kleine Wohnung am Rande der Stadt, wurde ein gemütliches Studio-apartment, mit einer grandiosen Aussicht, die sie unbedingt mal sehen müssen! Meine Mutter wurde Ärztin und anscheinend spielte ich für mein Leben gerne Golf. Ich klang nach einem echt spießigem Typen.
Irgendwann bin ich dann mit der Ausrede, ich müsse mal aufs Klo, nach hier draußen geflohen. Wo ich endlich wieder atmen konnte.
Ich wusste gar nicht, warum ich so besorgt war, dass sie mich nicht mögen. Am Ende des Tages war es ja nicht wirklich Moe Moretti den sie kennengelernt haben. Sondern die Westside-Version von mir. Und wenn ich ehrlich war, konnte ich dieses ich nicht mal ausstehen.
Die Tür öffnete sich und ich stieß mich von der Wand ab. „Moe!", es war Alex, der mit besorgtem Gesicht auf mich zu kam. „Es tut mir so leid!", brabbelte er, als er mich erreichte. „Ich weiß echt nicht, warum ich ... Ich hab einfach Panik bekommen. Sie ... sind sehr eigen und ich wollte wirklich, dass sie dich mögen und deswegen-"
„Deswegen hast du gelogen? In so ziemlich jedem Aspekt, der etwas über mich aussagt?"Er senkte voller Scham seinen Kopf. „Ich wollte nicht, dass sie dich blöd anmachen. Du bist mir unheimlich wichtig. Und - Sie sind bereits von der Tatsache, dass du ein Kerl bist nicht wirklich begeistert. Du bist der erste, den ich ihnen seit meinem Outing vorstelle. Du bist der erste, den ich ihnen überhaupt vorstelle. Ich hab einfach Panik bekommen.", erklärte er und trat näher an mich ran. Zog an meinem Jackett, bevor ich auch einen Schritt nach vorne ging. Ich sah ihn eine Weile an, eine Schwere in meiner Brust, die ich nicht erklären konnte.
„Schämst du dich für mich, Alex?", flüsterte ich und seine Augen schossen zu mir. Er schüttelte vehement den Kopf, legte mir eine Hand an die Wange. „Natürlich nicht! Du bist das Beste, was mir je passiert ist!" Das Beste, hm? Warum fühlte es sich dann aber so an, als wäre ich ein Geheimnis? Als wäre ich wie ein peinliches Poster, dass man abnahm, sobald man Besuch bekam?
„Ich sag ihnen die Wahrheit. Irgendwann, versprochen. Ich will ihnen nur Zeit geben, sich an dich zu gewöhnen. Aber in Zukunft-"
„Zukunft.", hauchte ich und schloss die Augen. Wann würde das sein? 2 Wochen? In ein paar Monaten? Seine Hand strich weiter über meine Wange. „Vertrau mir bitte, Moe. Ich weiß, dass ist dir gegenüber nicht fair. Aber-"Ich atmete tief durch. Sammelte meine Gedanken. Seine panischen Worte, sein schuldbewusster Blick. Er wollte mir damit nicht weh tun. Alex wollte mich beschützen.
„Ich versteh schon.", beruhigte ich ihn und zog ihn an seiner Hüfte näher zu mir. Ich verstand tatsächlich. Wenn ich an die Blicke meiner Eltern dachte...„Es ist nicht leicht, sich zu outen. Glaub mir, das kenne ich. Ich verstehe, wenn du sie nicht gleich mit einem schwulen Tätowierer von der Eastside schocken willst."
Manche Eltern brauchten eben länger, um zu akzeptieren. Hauptsache sie taten es irgendwann.
Er lächelte, bevor er mir einen leichten Kuss auf die Lippen drückte. „Danke. Danke, dass du das verstehst." Seine Hand wanderte zu meinem Hals. „Weißt du, ich kenne jemanden, der sehr viel Geld bezahlt hat, nur damit jemand genau das tut, vor dem du deine Eltern gerade bewahren willst.", murmelte ich und legte den Kopf schief, ließ meine Hände zu seiner Hüfte wandern. „Wirklich?", lachte er und ich spürte wie meine Gedanken, Sorgen, plötzlich lächerlich erschienen.
Sein Lachen verstummte und er sah mich tief an, ließ meinen Blick seinem nicht entkommen. „Braune Haare stehen dir wundervoll, Moe." Verlegen fasste ich an meinen Kopf. Es war ein wenig dunkler, als meine natürliche Haarfarbe, da sie das Blau überdecken musste, vielleicht sah ich deswegen damit so komplett anders aus. Ich hatte mich fast gar nicht erkannt, als ich mich heute morgen im Spiegel betrachtet habe. Aber ich war mir nicht sicher, ob das nur an den Haaren lag. „Wirklich?" Er nickte, „Ja wirklich. Du siehst aus wie ein freundlicher Junge von neben an."
Ich schluckte, zwang mich weiter zulächeln. „Komm." er harkte sich wieder bei mir unter. „Meine Eltern haben die Rechnung übernommen. Lass uns nach Hause gehen."
DU LIEST GERADE
Bad Choices [BxB]
Romance[2. Teil der BAD-Reihe] Schlechte Entscheidung stehen für Moe auf der Tagesordnung. Sei es die falsche Party. Die falsche Person, oder die falsche Nacht. Sein Ruf war dementsprechend. Er war ein Playboy, ein Dealer, der eine Typ in den man sich nur...