08| Zuhause

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my tears ricochet
Taylor Swift

Reid

„Halt still.", befahl ich und konzentrierte mich weiter auf die Wunde an seiner Stirn. Das schwache Licht der Küche legte sein schmerzverzerrtes Gesicht in Schatten, während sich immer wieder dunkelblaue Strähnen im Blut verirrten. Ich strich sie ihm zurück.

Erneut rutschte er unruhig im Stuhl hin und her und ich legte genervt das Stück Watte zur Seite. „Bist du auch immer so unruhig, wenn Sadie dich verarztet?", fragte ich und beobachtete ihn eindringlich. Ich weiß, dass erste Hilfe nicht mein Ding war, aber musste er so reagieren, als würde ich ihn umbringen wollen? „Sadie ist auch nicht so grob." Ich war nicht grob.

Ich schwieg und klebte ihm ein Pflaster über die Stelle. „Ein Pflaster mit Elefanten? Na dann ist es ja gar nicht mehr so schlimm, von Gangstern verprügelt zu werden.", scherzte er und ich sah ihn finster an. Ich verstand nie, warum er immer das Bedürfnis hatte, dumme Sprüche loszulassen. Es war so, als würde ihm nie etwas wirklich mitnehmen. Ich nahm ein Tuch und begann die Blutspur wegzuwischen, die seine rechte Gesichtshälfte heruntergelaufen war.

Von seiner Schläfe, seine Wagenknochen, bis zu seinem Kinn, wo ich kurz verharrte. Als ich den Blick hob, merkte ich, dass er mich anstarrte. „Wir hatten nur noch welche mit Elefanten.", erklärte ich leise und er begann zu grinsen. Erst als ich wieder zu meiner Hand sah, merkte ich, dass sie immer noch an seinem Kinn ruhte. Schnell zog ich sie weg und konzentriere  mich den Erste-Hilfe-Kasten wieder einzuräumen.

Moe räusperte sich, „Danke." Ich räumte den Koffer weiter ein, sagte ihm nicht, dass er sich nicht bedanken sollte. Nicht, wenn es meine Schuld war. Nicht, wenn er wieder in unsere Probleme hineingezogen wurde. Nicht, wenn das Bild von ihm am Fußboden immer noch in meinem Kopf herumspukte.

Cash hatte Lee eine Warnung geschickt und ich hatte wieder Moes Stimme im Kopf. Was denkst du, wäre passiert, wenn er nicht fahren würde? Genau das. Ich hasste es, dass die beiden recht hatten. Aber nicht so sehr, wie die Tatsache, dass ich wieder nur nutzlos am Rande stand.

Moe stützte seine Arme auf den Küchentisch, sein Blick blieb auf mir. „Reid?", murmelte er und ich starrte auf die Rollen Mullbinden, die bereits für düstere Nächte bereitlagen. „Hm?"
„Warum hast du nicht gekämpft?" Mit einem Klacken schloss ich den Koffer. Langsam dreht ich den Kopf zu ihm. „Wie denkst du, hätte es geendet, wenn wir uns gewehrt hätten?"

Sie waren nicht auf einen Kampf aus gewesen. Es ging jegliche um die Nachricht. Wenn wir nicht taten, was sie verlangten, würde das nicht ungestraft bleiben. Wenn wir uns gewehrt hätten, hätten diese Bastarde vielleicht bekommen, was sie verdienen, aber... Ich starrte auf das Pflaster mit den Elefanten.

„Ich hätte Nick fertig gemacht, hätte er mich nicht unvorbereitet getroffen.", murmelte Moe und lehnte sich im Küchenstuhl zurück. Seine blutverklebten Haare fielen ihm in die Stirn. „Natürlich hättest du das.", murmelte ich ohne nachzudenken und er öffnete flatternd die Augen.

Als sein Blick länger als üblich auf mir verweilte, sah ich ihn fragend an. „Was?"
„Warum machst du das immer?"
„Was meinst du?", fragte ich verwirrt.
Er deutete auf mich, als wäre ich unbegreiflich.
Dieses ... Ach vergiss es.", er wandte den Blick ab und mein Griff um den Koffer verstärkte sich.

„Moe." Er sah weiterhin an mir vorbei. „Hm?"
„Ich...", Ich zögerte. Er drehte den Kopf zu mir und sah mich abwartend an. Ich stieß die Luft aus meinen Lungen. „Du solltest langsam nach Hause."

Er erstarrte. Verwirrt legte ich den Kopf schief. Was...? Er erhob sich ein wenig zu schnell und wich meinem Blick aus. „Moe...?"

„Hast recht.", er fuhr sich durch die Haare. „Ich sollte wirklich gehen." Ohne noch mal zu mir zu sehen, verließ er mein Zuhause. Ich starrte eine Weile Richtung Diele, konnte nicht anders als dran zu denken, wie er bei dem Wort zu Hause erstarrt war.

Bad Choices [BxB]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt