71| Kaputt

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Romeo

„Und was ist, wenn wir zuerst in den Film gehen und dann ins Diner?", schlug ich vor und wackelte mit meinen Zehen. Wir hatten uns mittlerweile so hingelegt, dass unsere Beine an der Wand lehnten und unsere Rücken auf der Matratze. Liz sah zu mir hinüber. „Aber dann sind wir schon ganz satt vom Popcorn!" , entgegnete sie und ich nickte zustimmend.

„Und was, wenn-", ich hielt inne, als ich es unten klopfen hörte. Liz lies ihre Füße von der Wand rutschen und setzte sich aufrecht. Lauschte so wie ich, denn Stimmen die immer lauter zu werden schienen. „Moe! Mach diese beschissene Tür auf! Wir sind noch nicht fertig mit einander!", hörte ich stumpf eine alt bekannte Stimme. Ein Schauer rannte mir über den Rücken, als ich mich vom Bett hievte und die Tür zum Flur öffnete. Liz besorgten Blick im Rücken.

Ich hielt gespannt die Luft an. Vielleicht hatte ich mich geirrt. Alex würde nach Gestern nicht wagen hier aufzubrauchen. Ich hatte immer noch seinen angsterfüllten Blick vor Augen. Er hatte meine Warnung verstanden. Definitiv. „Green.",hört euch es leise und lehnte meine Stirn erschöpft gegen den Türrahmen. „Wo ist er?"

Es war er. Keine Frage. Was zur Hölle, wollte er hier?

„Verschwinde.", hörte ich Reid's tiefes Brummen und traf einen Schritt aus dem Zimmer. „Moe?" Ich sah zurück zu Liz, die mich ängstlich vom Bett aus ansah. Ich legte den Zeigefinger auf meine Lippen, signalisierte ihr Still zu sein. Sie presste die Lippen zu einem dünnen Strich.

„Moe!", hörte ich seine Stimme nun deutlich klarer. Er war im Haus. „Beweg deinen Arsch hier her!" Ich ging langsam den Gang entlang, lauschte dem Gespräch das unten von statten ging. Ich wollte ihn nicht sehen. Nicht nachdem ich dachte, dass ich ihm nie wieder gegenüber treten würde müssen. Hatte ich es nicht deutlich genug gemacht? Zwischen uns war es vorbei!

Also was wollte er von mir? Warum konnte er mich nicht einfach in Frieden lassen? „Denkst du wirklich, dass ich dich mit der Scheiße, die du Gestern abgezogen hast, durchkommen lasse?", brüllte er und ich zuckte zusammen.

Er hätte dafür nicht hier auftauchen müssen. Die Greens haben damit nichts zu tun! Sie müssen das nicht miterleben! Müssen ihn nicht ertragen. Er hatte also noch nicht genug? Dann würde ich ihm also zeigen, was es heißt, meine Warnung zu ignorieren!

Ich betrat die Treppe. „Bleib oben!", zischte Reid, aber ich dachte gar nicht daran. Alex war mein Ex-Freund. Mein Problem. „Verdammte Scheiße, ich sagte bleib oben, Moe!", schrie er und klang fast panisch. Ich wollte gerade den nächsten Schritt setzten, als mich eine Hand aufhielt. Überrascht sah ich hinter mich und sah zu Liz, die mir gefolgt war. Stumm schüttelte sie den Kopf. Nicht.

„Du beschissener Wichser! Erst drohst du mir und jetzt traust du dich nicht mal mehr, mir gegenüber zu treten?", schrie er und ich sah nach unten. Liz Griff um meinen Handgelenk wurde stärker. „Pass auf was du sagst.", fauchte Lee und ich haderte mit mir selbst.

Ich sah zu Liz. In ihren Augen eine flehende Bitte. Ich ließ ergeben den Kopf hängen.

„Hast du etwa Angst, deine geliebten Greens sehen dich wie du wirklich bist? Sehen endlich, wie abgefuckt und durchgedreht, du wirklich bist?" Ich verharrte auf der Stufe. Spürte wie die Worte immer noch Macht über mich hatten.
„Halt die Schnauze!", schrie Lee, während ich auf die Hand starrte, die meine immer noch umklammerte. Mich zurückhielt.

„Jetzt müssen dich also deine Freunde beschützen? Hast du etwa Angst vor mir?" Angst? Nein. Es war mehr ein brennendes Gefühl von Schuld. Aber nicht ihm gegenüber, sondern mir selbst. Gegenüber mir und den Greens. „Ich bin der einzige, der dich wirklich kennt! Ich bin der einzige, der weiß wie kaputt du bist! Ich hätte dich reparieren können, Moe!" Ich schloss die Augen, spürte wie die Worte sich erneut tief in mich bohrten. Ich sollte es einfach ignorieren. Einfach wieder nach oben gehen, aber ...

Kaputt. Wie eine zerbrochene Vase. Wie ein Spielzeug, dass in einer Ecke vermoderte. Konnte man mich wirklich reparieren? „Niemand sonst wird dich so lie-", seine Worte brachen abrupt ab und ich sah wieder zu Liz. Ein seltsamer Ausdruck lag in ihren Augen, als sie mich nach oben zog. Weg von den weiteren Stimmen, die unten verhallten.

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Ich starrte erneut auf die Fotos in Reid's Zimmer. Liz meinte sie würde uns was zum Essen holen, dabei hatte ich nicht Mal Hunger. Als ich Schritte hörte, die sich näherten blickte ich Richtung Flur. Sadie, Ezra und Lee hatten nach dem unerwarteten Besuch bereits nach mir gesehen, sprich, jetzt fehlte nur noch...

Reid lehnte sich an den Türrahmen seines Zimmers, klopfte zögerlich, als ich vom Bett zu ihm aufsah. „Hey.", meinte er und ich richtete mich auf, schenkte ihm ein schwaches Lächeln. „Hi." Er sah mich eine Weile an und ich wusste, was jetzt kam. „Mir gehts gut.", sagte ich, bevor er fragen konnte. Bevor er sich weiter Sorgen machte. Ich fuhr mir durch die Haare, als ich merkte wie er mich einfach weiter stumm ansah. „Wirklich."

Er seufzte und senkte den Blick, dann... „Liz hat mir erzählt, was zwischen dir und Alex vorgefallen ist." Ich zog ein Bein an meine Brust, stützte meinen Kopf auf das Knie. „Ah...", murmelte ich und hatte die ganze Sache eigentlich bereits schon verdrängt. Ich spielte mit dem Saum meiner Hose, konzentrierte mich auf den Saum. Reid seufzte schwer. „Hätte ich das gewusst, dann..."
„Hättet ihr ihn gehasst? Mich gewarnt?", schnaubte ich und dachte an die vielen Male, in denen sie genau das getan hatten. „Ja, ich glaube, dass hätte nicht viel gebracht." Ich war so blind gewesen, so dämlich. Ich sah zu ihm auf, merkte wie ein fast schon mitleidiger Ausdruck in seinen Augen stand. Ich schluckte.

„Weißt du, ich glaube ich habe tief in mir drinnen wirklich gehofft, dass er es schafft mich zu reparieren.", gestand ich. Ich war so besessen, von dem Gedanken, es besser als meine Eltern zu machen, dass ich nicht mal bemerkt habe, dass es längst schon viel schlimmer war. Ich dachte, wenn ich den Bilderbuch-Typen eine Chance gebe, dass die Beziehung genauso perfekt wäre. Das ich vielleicht auch so perfekt werde. Was ich nicht realisieren wollte, war die Tatsache, dass von Anfang an nichts an der ganzen Situation, perfekt, geschweige denn normal war.

„Du bist nicht kaputt, Moe." raunte er und erst jetzt merkte ich, dass er näher gekommen war. Reid stand nun direkt vor mir- ich immer noch auf der Matratze- und sah zu mir hinab. Ich spürte seine Wärme, die fast schon beruhigend von ihm auszugehen schien. Am liebsten wollte ich mich einfach gegen ihn lehnen und schlafen, stattdessen legte ich den Kopf in den Nacken und sah zu ihm auf. „Nicht?", lachte ich trocken.

Ein kleines Lächeln legte sich auf seine Lippen, das so echt, so bezaubernd, war, dass ich es fast nicht merkte, als seine Fingerspitzen mir die Haare hinter die Ohren strichen. „Vielleicht ein paar Risse hier und da. Ein paar Dellen.", hauchte er und mein Blick fiel auf seine Lippen, auf das Lächeln.

„Aber haben wir die nicht alle?"

Bad Choices [BxB]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt