22| Das Hass-Prinzip

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For Me, it's You
Lo Moon

Romeo

Es gab Dinge, von denen ich niemals erwarten würde, dass sie jemals passieren. Eine Zombie-Apokalypse zum Beispiel. Viel zu unwahrscheinlich! Oder dass man genau die richtige Menge Nudeln kochte.

Und wäre es nicht genau an diesem Sonntagmorgen, dem Morgen nach der Party passiert, hätte ich einen verliebten Lee auch auf die Liste gesetzt.

Als ich mich verkatert von der Couch hievte, um dem armen Coldwell zu zeigen, wie man Pancakes machte, konnte ich nicht ahnen, dass Killian hineinstürmen würde, den Jungen an sich reißen - von dem er mir übrigens vorgeheult hatte, wie sehr er ihn hasste- und vor der gesamten Familie küssen würde.

Ein paar Stunden später war es wirklich passiert. Mein bester Freund war in einer Beziehung. Mit einem leichten Lächeln nahm ich den Teller entgegen, den Reid gerade abgespült hatte. „Was lächelst du?", fragte er und riss mich aus meinen Gedanken.

Ich verstand die Frage nicht. Ich lächelte immer. „Ich bin nur glücklich für die beiden." Reid starrte ein paar Sekunden in das Wasser, bevor er einen schnaubenden Laut von sich gab. Ich verdrehte die Augen. „Freude, Reid? Kennst du sowas?" Er antwortete nicht.

„Ich glaube, das wird Lee guttun. Ich glaube, Ezra wird ihn glücklich machen.", murmelt ich und dachte an den einen Abend, an dem er ihm ein Fahrrad aus New York mitgebracht hatte. Das war das erste Mal, an dem ich an ihrem angeblichen Hass gezweifelt hatte.

„Und wenn nicht, bin ich der erste der zum Baseballschläger greift," schob ich hinterher und entlockte ihm ein kurzes Lächeln. „So kenne ich dich.", murmelte er und ich sah erstaunt zu ihm herüber.

Räuspernd reichte er mir den nächsten Teller. „Du solltest nicht zu hart zu ihm sein.", bat ich ihn. Ich war auch mal in Ezra's Position. Ich war auch mal neu und ungewollt in dieser Familie. Vielleicht verstand ich Ezra deswegen so gut.

„Du solltest ihn akzeptieren.", schlug ich vor, aber er reagierte nicht wirklich. „Reid.", ermahnte ich ihn, als er mich weiter ignorierte. Er sah nicht in meine Richtung. Kurzerhand schob ich mich zwischen ihn und das Waschbecken. Sah abwartend zu ihm auf, bis sein erschrockener Blick endlich meinen fand.

„Moe, was-?", brabbelte er, als er merkte, dass wir nur noch Zentimeter davon entfernt waren uns zu berühren. Ich würde nicht näher kommen, also kann er sich beruhigend. Das hier war nur, damit er mich endlich wahrnahm. Ich würde seinen ach so geschätzten Abstand waren.

Ich stützte meine Hände auf den Rand der Spüle hinter mir und fasste genau in die nasse Oberfläche. „Sei nett zu ihm.", forderte ich und seine Augen wurden zu Schlitzen. Er wich nicht zurück, so wie ich es erwartet hatte, sondern blieb einfach direkt vor mir. Okay, das machte das ganze ein wenig...

„Warum sollte ich?", fragte er und ich knirschte mit den Zähnen. Weil er der Freund deines kleinen Bruders ist? Weil man generell zu Menschen nett sein sollte? Verstand er keine grundsätzlichen menschlichen Verhaltensweisen? „Reid", zischte ich genervt und debattierte mit mir selbst den Rückzug anzutreten.

Eigentlich wollte ich ihn nur auf die Pelle rücken, um eine Antwort zu bekommen. Ich hab nicht damit gerechnet, selbst in die Falle zu tappen. Seine Nähe war plötzlich allgegenwärtig und fast schon erdrückend.

„Warum ist es so wichtig für dich, dass ich ihn mag?", fragte er bedrohlich leise. Ich schluckte, „Weil ich...", die Worte schienen mir im Hals stecken zu bleiben. Sie schienen auf einmal kindisch und ... Reid stütze seine Hände auf die Spüle und kesselte mich damit endgültig ein. Entsetzt sah ich zu ihm auf und begegnete dem tiefen Grün seiner Augen. „Warum, Moe?"

„Weil ich weiß, wie es ist von dir gehasst zu werden.", murmelte ich und er schien zu erstarren. Kein Muskel bewegte sich und für eine Sekunde fragte ich mich, ob die Zeit stehen geblieben war. Ich legte den Kopf schief. „Außerdem hat jeder es verdient, eine Familie zu haben."

Reid atmete stockend aus und zog seine Arme zurück, ließ mich frei. Tief atmete ich durch und zwang mich, das nervöse Kribbeln zu ignorieren. Ich zwang mir ein fröhliches Grinsen auf die Lippen. „Zudem hat er Vaterkomplexe, Probleme, die irgendwas mit Geld zu tun haben, und eine Vorliebe für Schwierigkeiten. Alle Voraussetzungen um ein echter Green zu werden, meinst du nicht?"

Ich ging um ihn herum und wollte aus der Küche fliehen, als ich seine Worte leise vernahm. „Moe, ich... ich hab dich niemals..."

Ich blieb nicht stehen.

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Die Wochen vergingen und ich glaube, ich habe Lee noch nie so glücklich gesehen. Das Problem war nur, dass ich mir nun statt dem Gemecker nun elendiges hin schmachten anhören durfte. Und da Ezra inzwischen auch Teil unserer Freundesgruppe war, bekam ich das sogar nun von beiden Seiten ab.

Ich wusste nicht, ob Reid Ezra immer noch mit einer kalten Schulter begegnete. Ich habe ihn, um ehrlich zu sein, schon länger nicht mehr gesehen, und wenn dann nur flüchtig. Ich fragte mich, ob er mir aus dem Weg ging. Habe ich etwas falsch gemacht? Waren wir nun wieder am Anfang?

Müde ließ ich mich auf den Bürgersteig sinken und lehnte meinen Kopf gegen eine Straßenlaterne. Ich war feiern gegangen. Eigentlich wollte ich nur meine monatliche Lieferung loswerden, aber irgendwie war ich so geendet. Völlig betrunken auf einer Straße, die ich noch nie zuvor vorher gesehen hatte.

Ich wusste nicht mehr wo mein Wagen stand und ich würde in diesem Zustand auch nicht fahren können. Ich ließ meinen dröhnenden Kopf gegen meine Knie sinken. Fuck.

Ungeschickt kramte ich mein Handy aus meiner Tasche und tippte eine Nummer ein. Wann war das letzte Mal, dass ich so dicht war? Sofort kam mir eine Nacht in den Sinn.

Das Tuten dröhnte in mein Ohr, als ich das Handy an mein Ohr drückte. „Hallo?", erklang Lees Stimme nach ein paar Sekunden. „Moe?"
Ich blinzelte ein paar Mal, um mich dran zu erinnern, warum ich ihn angerufen hatte.

„Ich kann nicht fahren.", lallte ich. „Was?"
Ich kann nicht fahren, Lee." Eine Weile war es still und dann, „Wo genau bist du?" Wo ich war? Keinen Plan. Ich sah mich um. Ich saß direkt gegenüber von einem geschlossenen Asia Imbiss. Mit zusammen gekniffenen Augen versuchte ich den Namen zu erkennen und sagte ihn durch.

„Ok. Beweg dich nicht vom Fleck.", befahl er und ich grinste in den Hörer. „Ay Captain.", sagte ich und legte auf.

Der Wind zerrte an meiner dünnen Sweatshirtjacke und zerzauste mir die Haare, aber mir war seltsamerweise nicht kalt. Generell ging es mir schon seit langem nicht mehr so gut.

Ich lehnte mich gegen das kühle Metall der Lampe und beobachtet, wie vereinzelte Autos mit ihren Scheinwerfern die Nacht erhellten.

Ich wünschte, ich könnte für immer hier draußen sitzen. Hier war es so friedlich.

Irgendwann muss ich eingeschlafen sein, denn es kam mir vor als wären nur 5 Sekunden vergangen seitdem ich den Anruf beendet habe, als ein Auto vor mir zum Stehen kam.

Flatternd öffnete ich die Augen als die Autotür knallte und eine Gestalt auf mich zukam. Ich lächelte schief und sah auf die Schuhe der Person, die jetzt nun direkt vor mir stand.

Eigentlich sollte ich mich schlecht fühlen, dass ich Lee um diese Uhrzeit aus dem Haus gejagt habe, aber wenn ich ehrlich war, war ich viel zu müde.

„Moe.", ich hatte gar nicht gemerkt, dass die Person vor mir in die Hocke gegangen war. Ich starrte immer noch auf die Schuhe. Seit wann hatte Lee... „Romeo, sieh mich an."

Ich ließ meinen Kopf in den Nacken fallen und versuchte ihn zu fokussieren, aber ich schaffte es nicht. Eine Hand legte sich an meine Wange und drehte meinen Kopf sanft in die richtige Richtung. „Kannst du aufstehen?"

Grüne Augen begegneten mein Blick, die mich dunkel betrachten. Seine Stirn lag in Falten, aber das war mir egal. Ich lächelte ihn breit an. „Reid.", murmelte ich müde und sein Blick wurde noch düsterer.

Ich spürte, wie sich Stoff um meine Schulter legte. „Komm, ich bring dich nach Hause."

Bad Choices [BxB]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt